Human Horizons, eine Elektromarke im chinesischen Premiumsegment, die in ihrem Heimatland vor Herstellern wie Porsche, Tesla, Mercedes oder Audi rangiert, meint es ernst und kommt nach Europa. Jetzt greift das dynamische Doppelpack aus HiPhi X und HiPhi Z auch in Europa Luxus-SUV und viertürige Sportwagen an. Doch der chinesische Autobauer hat noch ganz andere Pläne, wie wir für Elektroauto-News.net in Erfahrung bringen konnten.
Während HiPhi X und HiPhi Z im Spätsommer in Deutschland ihren Marktstart feiern, ist China wieder zwei Schritte voraus. Hier feiert nach den beiden Luxusfahrzeugen mit dem Mittelklasse-SUV HiPhi Y Mitte Juli bereits das erste Volumenmodell seine Premiere. „Unser Y startet Mitte kommenden Monats in China und kommt dann Anfang 2024 auch nach Europa“, erläutert Human-Horizons-CTO Mark Stanton, der vor seiner Zeit bei dem chinesischen Autobauer mehr als drei Jahrzehnte bei Marken wie Ford und Jaguar Land Rover im Topmanagement gearbeitet hat. In Europa ist zunächst einmal die Luxusliga dran – erst danach kommt der kleinere Y. Tesla lässt grüßen. Der 5,20 Meter lange HiPhi X bringt sich mit spektakulärem Design, gegenläufig öffnenden Türen und Dachluken als Wettbewerber des Range Rover in Position, während sich der 5,04 Meter lange Z direkt gegen Viertürer-Coupés wie Audi E-tron GT und Porsche Taycan stellt.
„Viele haben mich für verrückt erklärt, als ich 2018 zu Human Horizons gewechselt bin“, blickt Mark Stanton zurück, „damals hatte das Unternehmen vielleicht 50 Mitarbeiter – heute sind es mehr als 5000 und wir wachsen weiter.“ Ding Lei, ehemaliger CEO von General Motors China, hat Human Horizons nach erfolgreichen Jahren im US-Konzern 2017 gegründet und eine ganze Reihe von GM-Managern wie Präsident Ken Wie mit zu der chinesischen Premiummarke geholt. „Wir bei Human Horizons streben nach ständiger Innovation und wollen die Grenzen des Möglichen erweitern. Für diese neue Fahrzeugreihe haben wir uns von Konzepten von Raum und Zeit inspirieren lassen und Parallelen zwischen Wissenschaft, Kunst, menschlicher Vorstellungskraft und sensorischer Erfahrung gezogen, um etwas wirklich Besonderes zu schaffen“, sagt Ding Lei.
Expansion nach Europa: Human Horizons’ ehrgeizige Pläne
Die Firmenzentrale von Human Horizons zog jüngst von Shanghai nach Qing Dao um – nicht zuletzt aus steuerlichen Gründen, wie die Verantwortlichen zugeben. Dazu gibt es noch die Fertigung in Yangcheng, die vor knapp zwei Jahren in Betrieb genommen wurde. Eine ehemalige Kia-Fabrik wurde komplett umgebaut und unter neuer Flagge zum Hightech-Standort, wo in einem ersten Schritt 50.000 Fahrzeuge pro Jahr entstehen sollen. „Da stehen nur noch die Grundmauern“, erzählt Mark Stanton nicht ohne Stolz, „die Anwohner waren erst skeptisch, doch jetzt, wo alles fertig ist, sind alle begeistert. Die Preise in der Nachbarschaft für Eigentum sind um 30 Prozent gestiegen.“ Die größere Fertigung befindet sich in Qingdao, wo pro Jahr bald 120.000 Fahrzeuge vom Band laufen können – und Modell wie der HiPhi Y nach der Produktion auch gleich noch autonom auf den Lagerplatz fahren. Sollte die Nachfrage wie geplant steigen, könne hier ohne Probleme deutlich erweitert werden. Human Horizons denkt in großen Dimensionen.
Mark Stanton: „Wir haben uns bereits vom Start weg immer als internationale und nicht allein als chinesische Marke gesehen.“ Das Geld hat der Konzern Human Horizons von privaten Investoren. Human Horizons gibt sich viel Mühe, seine potenziellen Kunden exakt zu bestimmen – obschon man kaum mehr als ein Jahr real auf dem chinesischen Markt unterwegs ist. 76 Prozent aller Kunden kommen aus dem Premiumsegment von altbekannten Herstellern und haben für ihre Fahrzeuge im Schnitt bisher umgerechnet 100.000 Euro ausgegeben. „50 Prozent wollten an sich gar kein neues Auto kaufen, waren aber vom Design begeistert und haben dann spontan gekauft“, erläutert CTO Mark Stanton, „und die meisten fahren mit ihrem HiPhi zum ersten Mal ein Elektroauto.“
Die Vision von Human Horizons: Mehr als nur ein Autohersteller
Dabei will der Neuling mehr sein als ein Hersteller von elektrischen Fahrzeugen. Als Tech-Konzern stehen Projekte mit vernetzten Straßen und Mobilitätskonzepte an. Nach dem Start auf dem Heimatmarkt China haben die HiPhi-Modelle jetzt Europa im Fokus. Das europäische Hauptquartier soll bald in München entstehen, wo derzeit am Flughafen auch der erste HiPhi-Store in Szene gesetzt wird – in den ehemaligen Räumen von Wettbewerber Audi. Die Eröffnung ist spätestens zur IAA Mitte September geplant.
Als Zweiter der zunächst insgesamt vier Standorte, die noch 2023 eingeweiht werden sollen, folgt Oslo, wo neben Tokio derzeit bereits in einem Designcenter an neuen Modellen gearbeitet wird. Bis 2025 sollen europaweit so mindestens zwölf Außenstellen entstehen. Parallel dazu läuft die Expansion im Mittleren Osten, wo in den kommenden ebenfalls sechs Länder mit einem HiPhi-Store bespielt werden sollen. Ein Markenstart in den Vereinigten Staaten ist auf absehbare Zeit dagegen nicht geplant, wie Stanton betont, während in China derzeit 75 bereits Schauräume und 33 Auslieferungscenter existieren.
Mit dem Verkaufsstart des neuen Volumenmodells HiPhi Y kommen nunmehr auch erste Händlerbetriebe hinzu, die für Image und zusätzliche Verkäufe sorgen sollen. Der Erfolg der vergangenen Monate kann sich dabei allemal sehen lassen. Zuletzt war Human Horizons im Segment der elektrischen Premiummodelle in China mit einem Marktanteil von fast 25 Prozent die Nummer eins – vor Wettbewerbern wie Porsche, BMW, Tesla oder Audi.
HiPhi Z: Ein Luxus-Elektroauto, das sich sehen lassen kann
Aushängeschild der Marke ist mit dem HiPhi Z ein viertüriges Elektrocoupé, das ab Spätsommer gegen Porsche Taycan, Tesla Model S oder Audi E-tron antritt. Für den großen Auftritt gibt es nicht nur knackige Formen und gegenläufig öffnenden Türen nebst Lichtinseln, die aktiv mit der Umgebung kommunizieren. Der Innenraum des luxuriösen Viersitzers zeigt sich kaum weniger imposant als das Äußere. Auch hier spielen Lichtinstallationen eine große Rolle, während die meisten Funktionen über einen zentralen Bildschirm, der sich über ein Gelenk alle Richtungen bewegen lässt, das Lenkrad oder Sprache bedient werden.
Dazu gibt es wie bei Nio mit seinem Nomi den sogenannten HiPhi Bot, einen digitalen Assistenten mit künstlicher Intelligenz, der ebenfalls per Sprache bedient werden kann und an Bord alle Wünsche erfüllt. Die elektrischen Komfortsitze mit handschuhweichem Leder sind bequem, klimatisiert und sehen vorn wie hinten klasse aus. Durch das Akkupaket im Unterboden ist die Sitzposition jedoch recht hoch, was insbesondere Personen über 1,85 Meter stören kann. Der Radstand vom stattlichen 3,15 Meter sorgt für üppige Platzverhältnisse gerade im Fond. Die Bedienung sämtlicher Funktionen geschieht per Sprache, am Lenkrad oder über den 15 Zoll (ca. 38 cm) großen Touchscreen, der sich je nach Ansprache leicht zu Fahrer und Beifahrer neigt – künstlicher Intelligenz sei Dank. Der Laderaum ist mit 316 Litern hinter der elektrischen Heckklappe eher überschaubar; lässt sich durch Umklappen der Rücksitze jedoch auf 684 Liter erweitern. Der Kunde kann beim ab 105.000 Euro teuren HiPhi Z wählen, ob er ihn als Vier- oder Fünfsitzer fahren will.
Wahlweise gibt es Heck- oder Allradantrieb und ein stattliches Akkupaket mit 120 kWh, das nach WLTP-Zyklus knapp über 550 Kilometer bis zum nächsten Ladestopp realisieren soll. Der Testwagen ist als Allradler mit 494 kW / 672 PS unterwegs. Das maximale Drehmoment von 820 Nm schiebt die nahezu lautlose Elektroflunder heftig an und so fliegen beim nahezu lautlosen Spurt auf dem 7,9 Zoll (ca. 20 cm) großen Head-up-Display nur so die Ziffern vorbei. Etwas überraschend ist bei knapp über 205 km/h Schluss. „Das stresst den Akku nur und an sich allein in einem Land wie Deutschland ein Thema“, erläutert Mark Stanton. Die Lenkung wirkt gerade für ein Sportcoupé, das gegen E-tron GT und Taycan antritt, etwas gefühllos. Gefallen kann hingegen das Fahrwerk mit elektronischen Dämpfern und Luftfederung, das nicht zuletzt vom niedrigen Schwerpunkt und der entsprechenden Silhouette profitiert. Dank Allradlenkung lässt sich der über fünf Meter lange Digital-GT auch auf dem Parkplatz problemlos bewegen.
HiPhi X: Ein Familienauto mit einem Hauch von Luxus
Etwas familiärer ist der HiPhi X unterwegs, der wahlweise mit vier oder sechs Sitzen verfügbar ist und komplett ausgestattet maximal 123.000 Euro kostet. Wer wie einst Queen Mum der Umgebung huldvoll winken möchte, kann zum einfacheren Ein- und Aussteigen nicht nur die Türen elektrisch öffnen, sondern auch im Fond zwei Dachluken ausklappen. Wirklich technischen Nutzen gibt es nicht, doch für den großen Auftritt sind die Dachfenster spektakulär. Der Showeffekt darf eben bei einem neuen Spieler nicht zu klein sein, um mit kleinen Stückzahlen aufzufallen.