Für welchen „Wald“ kämpfen Grünheides Tesla-Gegner überhaupt?

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So sah es Anfang Mai am Tesla-Werk Grünheide aus. / Aerovista Luchtfotografie / Shutterstock / 2462602553

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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So viel Wald wurde für die Tesla-Fabrik in Grünheide vernichtet“. Mit so einer Überschrift, gesehen bei einer Zeitung aus Berlin, polarisiert man. Und hofft auf viele Klicks. Allerdings wird sie der Realität so gar nicht gerecht. Zeit für eine Einordnung.

Der britische Guardian hat mit Hilfe von künstlicher Intelligenz Satellitenbilder ausgewertet, und kam zu dem Schluss, dass Tesla für seine Autofabrik in Grünheide vor den Toren Berlins zwischen März 2020 und Mai 2023 329 Hektar Wald gerodet habe, was etwa 500.000 Bäumen entspreche.

Ein gefundenes Fressen für alle, die die Ansiedlung von Tesla – die Brandenburgs Wirtschaft gehörig angekurbelt hat – kritisch sehen. Und dagegen mobilisieren und mitunter auch zu harten Mitteln zu greifen bereit sind, wie ein Brandanschlag auf eine Stromleitung im März gezeigt hat.

Seit Mai halten nun Klimaaktivisten als Protest für eine geplante Erweiterung des Werks ein Stück Wald besetzt und haben Baumhäuser aufgebaut. Eigentlich sollten sie dabei festgestellt haben, dass der Begriff „Wald“ der Bepflanzung dort nicht gerecht wird: Es handelt sich größtenteils um eine als Nutzwald, also als Forst angelegte Kiefern-Monokultur, um das schon seit Jahrzehnten als Gewerbefläche ausgewiesene Gebiet bis zu Ansiedlung eines Unternehmens nutzen zu können.

Kiefern sind anspruchslos, wachsen schnell und sind gut geeignet, um aus ihnen Karton herzustellen. Nach der Wende hätte beinahe BMW auf dem jetzigen Tesla-Gelände eine große Autofabrik errichtet. Und hat sich dann doch für Leipzig entschieden. Mit einem gesunden, widerstandsfähigen und in Flora und Fauna artenreichen Wald haben die Bäume, die Tesla bereits gerodet hat und von denen nun weitere für den Ausbau des Werks abgeholzt werden sollen, nichts zu tun.

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Kiefern nahe des E-Auto-Werks von Tesla in Grünheide / Shutterstock 2483705131

Einen interessanten Aspekt erwähnt Antoine Halff, der Chefanalyst bei Kayrros, der für die beim Guardian veröffentlichte Auswertung zuständig war: Halff sagt, dass die abgeholzten Bäume mit gut 13.000 Tonnen CO2 gleichzusetzen seien. Der Verlust der Bäume entspricht also in etwa der Menge CO2, die nur 8000 der gut 45 Millionen in Deutschland zugelassenen Verbrenner-Pkw pro Jahr ausstoßen. Und was macht Tesla in Grünheide? E-Autos bauen, um klimaschädliche Verbrenner zu ersetzen. Im Endausbau will Tesla im Süden von Berlin eine Million Elektroautos produzieren, im vergangenen Jahr waren es gut 200.000.

Woanders entsteht artenreicher Mischwald

Tesla hat Bäume gefällt, das ist trotz allem ein Fakt. Allerdings, so wie auch schon vor den Rodungen angekündigt, hat der Autohersteller die Fällungen laut dem Brandenburger Umweltministerium bereits forstrechtlich kompensiert und eine Fläche von 318 Hektar aufforsten lassen, den „Tesla-Wald“ bei Grunow, ein artenreicher und abwechslungsreicher Mischwald soll dort wachsen, unter anderem mit Eichen, Buchen, Birken und: auch Kiefern.

Zusätzlich dazu habe Tesla 319 Hektar an Kiefern-Monokultur zu einem Mischwald aufgewertet. Damit dort ebenfalls das entstehen kann, wofür die Aktivisten doch eigentlich kämpfen: Ein richtiger, gesunder Wald, reich an Flora und Fauna.

Ein weiterer Kritikpunkt: Die Tesla-Fabrik soll Unmengen an Frischwasser verbrauchen und „halb Brandenburg trockenlegen„, wie an manchen, zweifelhaften Stellen bereits zu lesen war. Man kann es sich schon denken: Auch diese Behauptung geht meilenweit an der Realität vorbei. Doch dazu mehr in einem anderen Artikel, der demnächst bei Elektroauto-News erscheinen wird.

Quelle: Guardian – About 500,000 trees cut down at site of Tesla gigafactory near Berlin / Der Freitag – Tesla-Fabrik oder Kiefern-Plantage: Grünheides Baumhausfrage / Taz – Experiment mit offenem Ausgang

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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