Fords Deutschland-Chef Gunnar Herrmann glaubt nicht, dass Elektroautos ähnlich hohe Verkaufszahlen wie konventionelle Fahrzeuge erreichen, wie er in einem Gespräch mit dem Handelsblatt erklärte. Allerdings begründete er diese Aussage mit teils überholten Argumenten. Nummer eins: Elektroautos seien teurer als ein Benziner oder Diesel, meint Herrmann. Das gilt zwar beim Anschaffungspreis, über die Nutzungsdauer allerdings amortisieren sich die Kosten aufgrund der niedrigeren Ausgaben für „Treibstoff“ sowie Reparaturen und Wartung, wie etwa der ADAC errechnet hat. Außerdem sind manche E-Auto-Modelle mit den aktuellen Förderprogrammen selbst beim Kaufpreis bereits auf ähnlichen Niveau wie ein vergleichbarer Verbrenner, die Preisparität ohne Förderprogramme erwarten Branchenkenner gegen Mitte des Jahrzehnts, manche sogar früher.
Herrmanns Argument Nummer zwei ist die seiner Meinung nach lückenhafte Ladeinfrastruktur, vor allem in Städten: „Wir haben in vielen Städten und Kommunen eine Wohndichte, für die wir in Bezug auf die Ladeinfrastruktur eigentlich keine Antworten haben“, meint Herrmann – und blendet dabei unter anderem den stetig voranschreitenden Ausbau mit Ladesäulen in unzähligen Kommunen ebenso aus wie etwa die Gesetzesinitiative, die den Einbau einer eigenen Wallbox für Mieter und Eigentümer in Wohngebäuden massiv erleichtert.
Fords Deutschland-Chef outete sich in dem Gespräch mit einem weiteren Statement als Verfechter der Verbrenner-Technologie: Die EU-Kommission, welche die CO2-Limits für Neuwagen immer strenger fassen will, verfolge mit ihren neuen Vorgaben keinen Technologiewandel mehr, sondern einen Technologiebruch. „Die Weiterentwicklung aktueller Antriebssysteme und die Technologieoffenheit sind nicht mehr gefragt. Hier wird mit Gewalt der Verbrennungsmotor ins Aus gedrängt“, kritisierte er. Herrmann findet, die EU gebe „dirigistisch überambitionierte Ziele“ vor, „mit deren Umsetzung und Folgen die Industrie dann alleingelassen wird.“
Im Modellportfolio von Ford Europa werde es deshalb „massive Veränderungen“ geben. Einige Modelle „mit konventioneller Motorentechnologie“, die noch für 2024 und 2025 angedacht seien, müssten „nun aber wegen der EU-Klimaziele überdacht werden“, so Herrmann. Denn Fords Ziel sei es, „die neuen Klimaziele auf jeden Fall“ zu erfüllen.
Das erste E-Auto von Ford Europa ist ein halber VW
Dabei helfen soll – neben dem rein elektrischen Crossover Mustang Mach-E von der US-Konzernmutter – auch Fords erstes reines Elektroauto für den europäischen Massenmarkt. Doch auch hier legt Fords Europaabteilung nicht wirklich Tatendrang zu Tage: Es gibt noch kein konkretes Datum für die Markteinführung oder ein Konzeptauto. Auch die Entscheidung zum Fertigungsstandort steht noch aus. Selbst entwickeln will Ford die E-Auto-Plattform auch nicht: Die technologische Basis kauft Ford mit dem Modularen Elektro-Baukasten MEB für 600.000 Elektroautos und zu einem Preis von gut zehn Milliarden Euro bei Volkswagen ein. Welcher seine ersten drei MEB-Modelle bereits produziert: Den Kompaktstromer ID.3, den Crossover ID.4 sowie den Skoda Enyaq.
Auch der Autoexperte Stefan Bratzel, Professor am Center of Automotive Management (CAM) der Fachhochschule Bergisch Gladbach, wirft Fords Europa-Tochter klare Versäumnisse vor. „Ford hat die Elektromobilität vernachlässigt. Da muss das Unternehmen jetzt mehr Gas geben“, sagte Bratzel dem Handelsblatt. Jetzt stehe der Autohersteller unter Druck, um den Rückstand aufzuholen.
Quelle: Handelsblatt – Ford-Deutschland-Chef kündigt Drosselung der Produktion an und zweifelt am Markterfolg von Elektroautos