Crossover und SUV sind bei Mercedes längst zu den wichtigsten Modellen im prall gefüllten Portfolio geworden – das gilt für die Elektromodelle genauso wie für die bisherigen Verbrenner. Nichts geht zudem ohne ein echtes Aushängeschild und das ist neben der besonders schicken Maybach-Variante das luxuriöse Schwestermodell des Mercedes EQS SUV.
Das Vorzeigemodell im Elektroangebot der immer elektrischer werdenden Schwaben bietet Raum für einen großen Auftritt. Dabei sind die Dimensionen mit einer Länge von 5,13 Meter gerade mit Blick auf die Nobelmärkte in Asien oder den USA nicht so, dass hier ein paar Handbreit mehr nicht noch hätten nachgelegt werden können. Die echte Luxusliga presst sich auf beiden Seiten von Atlantik und Pazifik mittlerweile an oder über die 5,30-Meter-Grenze hinweg. Dabei ist es nicht so, dass es angesichts des großzügigen Innenraumangebots ausreichend Grund für Beschwerden geben dürfte.
Der Mercedes EQS SUV ist dabei eng mit seinem Limousinenbruder EQS verwandt; kommt jedoch wegen der Proportionen deutlich gefälliger und damit volumentauglicher her als der windschlüpfrige Handschmeichler mit Aerodynamik-Bestwerten. Der Sitzkomfort ist auch auf längeren Strecken gut, kommt jedoch bei Weitem nicht an die formidablen Sitzgelegenheiten des Mercedes GLS oder gar einer S-Klasse heran. Mehr denn je gilt das trotz des üppigen Radstandes von 3,21 Metern für die zweite Reihe, in der längst nicht nur Kinder sitzen.
Hier bietet der Elektro-SUV mit Stern einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem normalen EQS. Das Plus an Kopffreiheit tut nicht allein dem allgemeinen Raumgefühl gut, es gibt auch schlicht mehr Platz für das eigene Haupthaar. Ablagen und Anschlüsse für Getränke und elektronische Gerätschaften jeglicher Art gibt es hier wie da – notfalls klappen die Rücksitze nach vorn oder kleinere Personen klettern auf Kosten des Laderaums in Reihe drei. Obligatorisch lassen die äußeren Fondsitze elektrisch verstellen.
Ungewöhnlich in dieser Liga: Die SUV-Kopfstützen werden anders als beim EQS nur manuell justiert und ebenso praktische wie in dieser Liga etablierte Elektrorollos an den Seitenfenstern für eine maximale Verschattung fehlen gänzlich. Auch dass die Notsitze in der dritten Reihe nicht elektrisch aus ihren Höhlen nach oben fahren, mag nicht zu einem echtem Luxusmodell wie dem EQS SUV passen. Der Laderaum fasst dabei je nach Sitzkonfiguration – die Rücksitze sind teilbar im Verhältnis 40:20:40 – zwischen 565 und 2100 Litern.
Beim Antrieb macht es einem Mercedes leicht, denn bei einem Leergewicht von mehr als 2,8 Tonnen kann man es sich sparen, ernsthaft zum kleinen 450er herüberzuschielen. Das ist dann doch etwas wenig Luxus beim Vortrieb, eine etwas zu spärliche Souveränität für den Sternenkoloss mit Ladestecker. Dass der Mercedes EQS SUV als 450+ nicht einmal serienmäßig einen Allradantrieb bietet, wirft zumindest bei europäischen Kunden Fragen auf.
Daher ist die Wahl des 580 4matic beim EQS SUV leichter als leicht. Das Topmodell mit zwei angetrieben Achsen bietet mit 400 kW / 544 PS und stattlichen 858 Nm Drehmoment deutlich mehr Enthusiasmus als der kleine Hecktriebler, der mit allzu schmalen 265 kW / 360 PS auskommen muss; als optionaler Allradler ohne ein Leistungsplus aber zumindest 800 Nm bietet. Der Schub des 580ers ist trotz des stattlichen Übergewichts auf den Rippen mehr als imposant und geht weit über den wenig aussagekräftigen Imagespurt 0 auf Tempo 100 in deutlich unter fünf Sekunden hinaus. Der Schub verzückt aus allen Lagen und kommt erst an seine Grenzen, wenn es in Richtung Maximaltempo geht, 210 km/h stehen dann auf dem Tacho.
Fährt sich der Mercedes EQS 580 4matic anders als ein Verbrenner? Das tut er, und zwar deutlich. Die Leistungsentfaltung ist digitaler, direkter und zugegeben auch etwas künstlicher. Die Lenkung ist sehr leichtgängig und präzise, wobei sie deutlich mehr überzeugt als die Rückmeldung des Bremspedals, das erst spät ins Verzögerungsgeschehen eingreift. Man gewöhnt sich daran, doch das kann Mercedes bei seinen Verbrennermodellen besser, bei denen die Rekuperation nicht derart wichtig ist.
Auf den amerikanischen Highways, da fühlt sich der Mercedes EQS SUV gerade mit dem großen Antriebspaket zu Hause. Flüsterleise geht es über Landstraßen an der Küste, leere Interstates oder auch durch die überfüllten Innenstädte. Das Komfortniveau ist auch Dank der exzellenten Geräuschdämpfung mächtig, die Entspannung riesengroß. Doch wird es dynamischer, wirkt der EQS SUV so schwer, wie er mit 2,8 Tonnen auch ist. Daran ändern auch die gute Gewichtsverteilung und der batteriebedingt niedrige Schwerpunkt etwas. Was ihm bei schneller Gangart spürbar fehlt, ist eine aktive Wankstabilisierung, denn hier nickt und wankt er deutlich mehr, als man es erwarten würde. Immerhin bringt die Hinterachslenkung ein Plus an Agilität und Lässigkeit in der engen City – egal ob der Proband mit Rädern im Format 20, 21 oder 22-Zoll unterwegs ist.
Bleibt das Thema Nachladen. Da bis zum Ende kommenden Jahres die mit dem Mercedes CLA eingeführte 800-Volt-Ladetechnik fehlt, ist an der Zapfsäule bei knapp 200 Kilowatt Schluss. Das können andere besser, doch auch einige deutlich schlechter und so gibt es gerade bei leerem Batteriepaket im Unterboden knapp 200 Kilometer in zwölf Minuten – das geht in Ordnung, mit Potenzial nach oben. Auch weil der Mercedes EQS SUV 580 4matic sich mit gut 22 kWh pro Kilometer bewegen lässt – gerade im Cruising Country USA. Mit einem vollgeladenen 108-kWh-Akku schafft der schwäbische Amerikaner rund 450 Kilometer. Zugegeben – das könnte zu einem Basispreis von mehr als 147.000 Euro in der Liga der großen Elektromodelle von Lucid, Cadillac und Co. gern etwas mehr sein.