Eigentlich sollte der mehr als 1000 PS starke vollelektrische Faraday Future FF 91 schon seit gut vier Jahren zu kaufen sein, wie aus einer unserer News von 2017 zu entnehmen ist. Aus diversen Gründen – deren Aufzählung hier den Rahmen sprengen würde und die durchaus Stoff für eine Art Slapstick-Drama bieten – verschob sich jedoch die Markteinführung ein ums andere Mal. Der jetzige Faraday Future CEO Carsten Breitfeld sprach in einem aktuellen Interview mit Robb Report über vergangene Rückschläge, das Segment der Ultra-Luxus-Elektroautos und was eine beachtliche Summe an frischem Geld nun ermöglichen soll.
Breitfeld, einst 20 Jahre bei BMW und dort zuletzt für den Plug-in-Sportwagen i8 verantwortlich, gilt als erfahrener Kenner der Autobranche und scheint Faraday Future seit seinem Amtsantritt vor gut eineinhalb Jahren in die richtige Spur gesetzt zu haben. Aktuell plant Faraday an die Börse zu gehen und damit eine Milliarde Dollar (etwa 800 Millionen Euro) zu erlösen. Breitfeld zufolge wäre dies mehr als genug frisches Kapital, um das vollelektrische, 772 kW (1050 PS) starke Luxusauto von Faraday Future im kommenden Jahr in der eigenen Fabrik in Hanford, Kalifornien, in Produktion zu bringen.
Als Breitfeld bei Faraday anlandete, waren die Voraussetzungen weniger günstig: „Es gab zwar all die Technologie, Aufregung und das Produkt, aber es mangelte an der Fähigkeit zur Ausführung“, sagte er. Eine auf zehn, 15 Jahre ausgelegte Vision könne man nicht in einem einzigen Schritt verwirklichen: „Sie müssen die Vision von Anfang an auf sehr kleine Schritte unterteilen, auf ein einziges Produkt, das Sie Ihren Kunden bringen, um mit dem Aufbau der Marke zu beginnen und sie auf dem Markt zu etablieren“. Gelingt dies schon nicht, könne die Vision nie Realität werden. Faraday Future habe zu Beginn den Fehler gemacht, zu viel zu versprechen und dann zu wenig zu liefern.
Breitfeld betont, „ein deutscher Ingenieur“ zu sein und „immer einen anderen Weg eingeschlagen“ zu haben. Er konzentrierte sich bei Faraday nicht auf die großen Pläne für die Zukunft, sondern auf das Aktuelle. Anfang 2020 etwa habe es „ein großartiges Produkt im Prototypen-Stadium, das in der Nähe eines Serienautos liegt“ gegeben. „Aber niemand wusste davon“. Deshalb habe er sich in eines dieser Autos gesetzt und dieses von Los Angeles nach Las Vegas zur Consumer Electronics Show (CES) gefahren – manche werden sich daran erinnern: „Wir fuhren mit einer einzigen Ladung von Los Angeles bis nach Vegas, etwa 430 Kilometer, und kamen mit 180 Kilometer Restreichweite an. Dies schaffte mehr Glaubwürdigkeit“, erklärt Breitfeld.
„Wir wollen das Top-Luxussegment der Automobilindustrie neu definieren“
Gleichzeitig zu der viel beachteten Fahrt habe Breitfeld weitere unabhängige Vorstandsmitglieder berufen und das Unternehmen umstrukturiert. Dadurch sei das Unternehmen auch wieder interessant für Investoren geworden und es habe mehrere vielversprechende Gespräche und mündliche Zusagen gegeben. „Aber dann kam Corona und alle sagten ab, weil niemand wusste, was passieren wird“. Über die Fusion mit einem bereits an der Börse notierten Unternehmen schaffte es Faraday dann doch noch, an frisches Kapital und die eingangs erwähnte eine Milliarde Dollar zu kommen. Nun könne der Luxusstromer FF 91 endlich auf den Markt gebracht und sogar ein kleiner Puffer eingerechnet werden.
„Wir wollen das Top-Luxussegment der Automobilindustrie neu definieren“, sagt Breitfeld über den FF91, und will es mit den Platzhirschen Bentley und Rolls-Royce aufnehmen. „Wir haben eine sehr überzeugende Technologie in Bezug auf den Antrieb und das Internet im Auto“, erklärt der Faraday Future-Chef. Mit den 772 kW (1050 PS) an den vier Rädern spurtet das E-Auto in weniger als 2,5 Sekunden auf 100 km/h. Im Innenraum herrsche Luxus pur, und das auf allen Sitzen. Bleibt nur zu wünschen, dass es der FF91 nun tatsächlich bald auf die Straße schafft.
Quelle: Robb Report – Plans for Faraday Future’s 1,050 HP, All-Electric FF 91 May Get a $1 Billion Recharge