Warum China seine Verbrenner auf dem Weltmarkt verramscht

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Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 5 min

China hat seinen Automarkt in kurzer Zeit grundlegend verändert. Reine Elektroautos haben im eigenen Land inzwischen einen so hohen Anteil erreicht, dass die Nachfrage nach Benzinern drastisch zurückgegangen ist. Viele internationale Hersteller mussten erleben, wie ihre jahrzehntelang aufgebauten Marktpositionen einbrachen. Doch nicht nur westliche Marken verloren an Bedeutung. Auch große chinesische Traditionsunternehmen, die lange von Kooperationen mit ausländischen Partnern profitierten, sahen ihre Verkaufszahlen wegbrechen. Die Reaktion fiel rasch und weitreichend aus: Millionen fossiler Antriebe, die im Inland kaum noch Käufer finden, werden heute in alle Welt exportiert.

Daten aus verschiedenen Branchenanalysen, welche Reuters zusammengeführt hat, zeigen, wie tiefgreifend diese Entwicklung ist. Seit 2020 entfallen rund drei Viertel aller chinesischen Autoexporte auf Modelle mit Verbrennungsmotor. Gleichzeitig stiegen die jährlichen Gesamtausfuhren von etwa einer Million auf voraussichtlich mehr als 6,5 Millionen Autos. Gründe dafür liegen nicht allein in staatlicher Förderung für E-Mobilität, sondern auch in den Folgen eines intensiven Preiskampfs, der durch Hunderte neuer Elektroauto-Anbieter ausgelöst wurde. Diese Dynamik verdrängte nicht nur internationale Marken, sondern auch die lang etablierten chinesischen Joint Ventures, die über viele Jahre als Rückgrat der heimischen Industrie galten.

Wie chinesische Staatskonzerne ihre Verluste ins Ausland verlagern

Mehrere große Staatsunternehmen versuchen nun, den Rückgang im Inland durch Expansion in Regionen aufzufangen, in denen Elektroautos aufgrund fehlender Ladeinfrastruktur bisher nur eine geringe Rolle spielen. Zu den aktivsten Exporteuren gehören Konzerne wie SAIC, BAIC, Dongfeng und Changan. Sie hatten in der Vergangenheit mit ausländischen Partnern wie GM, Honda oder Nissan zusammengearbeitet, um Know-how zu sichern und Marktanteile auszubauen. Diese Partnerschaften verloren jedoch an Bedeutung, als innovative und stark geförderte Elektromarken aufkamen. Nach Angaben eines europäischen Managers von Dongfeng befinden sich die früher erfolgreichen Gemeinschaftsunternehmen inzwischen in einer deutlich erkennbaren Abwärtsspirale. Dennoch zeigt er sich gelassen und verweist auf die Staatseigentümerschaft: Der Rückhalt aus Peking sichere die Zukunft des Unternehmens.

Parallel dazu gelang es anderen chinesischen Marken, ihre globale Präsenz deutlich auszubauen. Besonders stark wächst Chery, das inzwischen zu den größten Exporteuren des Landes zählt und vor allem auf Benziner setzt. Auch privatisierte Hersteller wie Geely und Great Wall Motor erzielen im Ausland hohe Stückzahlen, während reine Elektroauto-Exporte nach wie vor eine Nebenrolle spielen. Lediglich zwei große Anbieter veräußern ausschließlich Modelle mit Batterie oder Plug-in-Technik: Tesla und BYD. Letzterer hat seine internationalen Aktivitäten ausgeweitet und beeinflusst damit zunehmend die Gesamtstatistik, ohne jedoch den dominierenden Anteil konventioneller Antriebe zu verdrängen.

Branchenexperten berichten übereinstimmend, dass viele chinesische Hersteller aufgrund der intensiven Konkurrenz im Inland auf Auslandsmärkte angewiesen sind. Ein leitender Designer eines großen staatlichen Konzerns beschreibt den heimischen Wettbewerb als extrem angespannt. Der Markt sei überfüllt, und einzelne Unternehmen ständen mit jedem neuen Modell vor einem existenziellen Risiko. Diese Belastung erklärt, warum selbst Hersteller mit starker Position und staatlichem Rückhalt ihre Absatzchancen verstärkt außerhalb Chinas suchen.

Die Grundlage für den Exportboom wurde über Jahre gelegt. Zahlreiche lokale Regierungen investierten massiv, um neue Produktionsstätten für Elektroautos anzuziehen. Gleichzeitig entstanden große Kapazitäten für Verbrenner, die durch den schnellen Erfolg der E-Mobilität nicht mehr ausgelastet waren. Schätzungen zufolge stehen Fabriken für etwa 20 Millionen Elektroautos und zusätzlich für rund 30 Millionen Benziner bereit. Dieser Überhang zwingt viele Unternehmen dazu, Auslandsverkäufe als festen Bestandteil ihrer Strategie zu betrachten. Ein ehemaliger Vizeminister der Industrie sprach jüngst von einer akuten Belastung des Sektors, weil die sinkende Nachfrage nach Benzinern erhebliche Kapazitäten ungenutzt lasse.

In vielen Regionen der Welt ist diese Entwicklung nun deutlich sichtbar. In Polen, Südafrika oder Uruguay erscheinen chinesische Marken in rasantem Tempo auf dem Markt. Händler berichten, dass sich zahlreiche Modelle optisch ähneln und Konsumenten Schwierigkeiten haben, sie zu unterscheiden. Gleichzeitig sehen lokale Experten eine Chance für jene Importeure, die sich genau auf die Bedürfnisse der jeweiligen Länder einstellen. Ein polnischer Vertriebsmanager eines großen chinesischen Konzerns beschreibt die Vielzahl neuer Anbieter als „fast schon unübersichtlich“ und betont, dass lokales Wissen über Kundenerwartungen zunehmend entscheidend werde.

Warum Lateinamerika und Afrika für China wichtig bleiben

In Lateinamerika und Afrika hat die Präsenz chinesischer Firmen ebenfalls stark zugenommen. Dort spielen Benziner weiterhin eine zentrale Rolle, weil die Infrastruktur für E-Mobilität begrenzt ist und viele Kunden stärker auf robuste, kostengünstige Modelle achten. Ein südafrikanischer Markenverantwortlicher eines staatlichen Herstellers erklärt, dass Diesel-Pick-ups für seine Kundschaft vorerst wichtiger bleiben als alle elektrischen Alternativen. Auch in Chile dominieren chinesische Benziner den Markt. Die dortige Händlervereinigung meldet Marktanteile, die auf Kosten bekannter Marken wie Chevrolet, Nissan und Volkswagen wachsen.

Ein besonderes Beispiel findet sich in Uruguay. Dort vertreibt ein chinesischer Hersteller einen Pick-up auf Basis eines Nissan-Modells, das gemeinsam mit dem japanischen Partner entwickelt wurde. Die Variante aus China ist deutlich günstiger, bleibt aber technisch nah am Original. Eine Käuferin aus einer landwirtschaftlich geprägten Region schildert, dass für sie vor allem der Preis entscheidend war. Die Möglichkeit, zwei chinesische Pick-ups zum Preis eines Modells etablierter Marken zu erwerben, sei ausschlaggebend gewesen.

Zugleich versuchen manche chinesischen Anbieter, sich im Ausland klar vom harten Preiskampf der Heimatmärkte zu distanzieren. Ein leitender Vertreter der Marke Jetour betonte kürzlich, man wolle nicht noch einmal in einen ruinösen Wettbewerb einsteigen. Stattdessen plane das Unternehmen, bei der internationalen Expansion stabile Preise zu halten und langfristig in allen europäischen Ländern präsent zu sein.

Diese unterschiedlichen Strategien zeigen, wie stark Chinas Industriepolitik und der Strukturwandel auf dem heimischen Markt inzwischen das globale Automobilgeschäft beeinflussen. Während Elektroautos in China selbst dominieren, prägen fossile Antriebe die Exporte – und schaffen eine neue Form weltweiter Konkurrenz, die sowohl internationale als auch chinesische Unternehmen herausfordert.

Quelle: Reuters – China floods the world with gasoline cars it can’t sell at home

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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