Roland Berger: China dominiert alle Schlüsselbereiche der Automobilindustrie

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Michael Neißendorfer
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Die globale Automobilindustrie steht an einem Wendepunkt. Wie die neue Ausgabe des Automotive Disruption Radar (ADR 14) von Roland Berger (verlinkt als PDF) zeigt, übernimmt China zunehmend die technologische Führung in der Branche und belegt damit die Spitzenposition unter den betrachteten Ländern. Dagegen geraten europäische Länder und vor allem die USA unter Druck. Deutschland hält sich mit Platz 7 in der Führungsgruppe, vor allem aufgrund von Fortschritten beim autonomen Fahren, stabiler Patentanmeldungen sowie seiner exportorientierten Hersteller, so Roland Berger in einer aktuellen Mitteilung.

Die Studie, für die die Experten des Beratungsunternehmens 22 Automobilnationen weltweit nach 26 Indikatoren analysiert und zudem mehr als 22.000 Autobesitzer befragt haben, zeigt auch, dass sich die regionalen Ökosysteme zunehmend auseinanderentwickeln: Die Unterschiede zwischen den Märkten, etwa bei technologischen Standards, Regulierung oder auch Kundenpräferenzen, nehmen rasant zu – vor allem zwischen China und dem Rest der Welt. Auch wenn eine vollständige Entkopplung unwahrscheinlich sei, zwinge diese Entwicklung die Automobilhersteller dazu, je nach Zielregion unterschiedliche Herangehensweisen zu nutzen.

„Die Transformation der Automobilindustrie ist in vollem Gang, aber sie läuft nicht weltweit im Gleichschritt“, sagt Wolfgang Bernhart, Partner bei Roland Berger. „China legt mit hohem Tempo vor und dominiert inzwischen alle Schlüsselbereiche der Automobilindustrie – vom Marktanteil der Elektroautos über die Ladeinfrastruktur bis hin zu KI-basierten Fahrerassistenzsystemen. Zudem entwickeln chinesische Hersteller neue Fahrzeuge innerhalb von 24 bis 40 Monaten, während die Europäer dafür 48 bis 60 Monate benötigen. Daher fällt Europa zurück.“

Marktanteil von E-Autos in China mehr als doppelt so hoch wie in Europa

China setzt sich daher im Ranking des ADR 14 deutlich von seinen Verfolgern ab: Vor allem mit Bestwerten bei den Indikatoren Technologie und Infrastruktur unterstreiche das Land seine führende Position in den entscheidenden Feldern Elektromobilität und Autonomes Fahren. Hinzu komme ein ausgeprägtes Interesse der Verbraucher an den neuesten Elektroautos – 95 Prozent planen beim nächsten Autokauf einen Elektroantrieb – sowie Hersteller, die das passende Portfolio und eine gut entwickelte Ladeinfrastruktur anbieten.

Dementsprechend steigt der E-Auto-Anteil an den Neuwagenverkäufen in China seit der vorhergehenden Ausgabe des ADR von 22 auf 25 Prozent, während er in Europa bei 12 Prozent stagniert. So sinkt etwa in Deutschland der Anteil derer, die sich vorstellen können, als nächstes ein E-Auto zu kaufen, von 55 Prozent im Jahr 2021 (ADR 9) auf 45 Prozent im aktuellen ADR.

Die Spitzengruppe hinter China besteht aus Südkorea, den Niederlanden sowie Norwegen, Schweden und Singapur. Deutschland folgt knapp dahinter auf Platz 7, es punktet trotz der Rückschritte bei den E-Auto-Verkaufszahlen mit effizienten und schnellen Zulassungsverfahren für autonome Fahrfunktionen, einer weiterhin hohen Patentaktivität und global exportstarken Herstellern. Allerdings sinkt in Deutschland auch das Interesse an Shared Mobility und anderen innovativen Konzepten, zum Beispiel digitalen Angeboten für den Autokauf; sowohl Anbieter als auch Kunden sind hier nach wie vor sehr zurückhaltend.

Der wichtige Automarkt USA rutscht auf Platz 14 ab, unter anderem wegen rückläufigen Interesses der Verbraucher an neuen Technologien und Konzepten wie Shared Mobility; dazu kommen eine zunehmende Isolierung durch politische Unsicherheiten sowie eine abnehmende Innovationsdynamik im Mobilitätsbereich. Zudem geht in den USA der Trend zurück zum Privatfahrzeug, eine Tendenz, die es auch in anderen reifen Märkten wie Deutschland, Japan oder China gibt.

Regionale Differenzierung als Herausforderung für die Autohersteller

Im aktuellen ADR legen die Roland Berger-Experten ein besonderes Augenmerk auf die wachsende Divergenz zwischen den Automärkten weltweit: „Vor allem bei Software, Standards und Entwicklungsgeschwindigkeit, aber auch bei den Erwartungen der Kunden beobachten wir, dass die verschiedenen Regionen zunehmend unterschiedliche Wege einschlagen“, sagt Stefan Riederle, Partner bei Roland Berger.

Auch wenn er eine vollständige Entkopplung der Fahrzeugarchitekturen schon aus wirtschaftlichen Gründen für sehr unwahrscheinlich hält, empfiehlt Riederle den Autoherstellern, die Entwicklung genau zu verfolgen und in ihren Planungen zu berücksichtigen: „Es wird zur Überlebensfrage, strategische Allianzen, Softwarekompetenz und die Anpassung an die Unterschiede der Märkte miteinander zu verbinden. Autohersteller müssen künftig zumindest mit zwei Systemen arbeiten: einem für China, einem für den Rest der Welt.“

Quelle: Roland Berger – Pressemitteilung vom 10.09.2025

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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