CES 2025: Und Deutschland schaut nur zu

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Bei Honda drängen sich die Zuschauer. / Press-Inform

Stefan Grundhoff
Stefan Grundhoff
  —  Lesedauer 5 min

Anfang des Jahres schaut die Autowelt nach Las Vegas zur Consumer Electronic Show. Nach dem Untergang der NAIAS in Detroit ist die CES seit vielen Jahren nicht nur der Jahresauftakt für die Autobranche, sondern eine der wichtigsten Automessen des Jahres. Doch die Zeiten, in denen sich die europäischen CEOs mit Tech-Ikonen wie Apple-Chef Tim Cook oder Nvidia-CEO Jensen Huang ablichten ließen und nach den millionenschweren Key-Note-Shows in die Kameras strahlten, scheinen vorbei.

Stattdessen dreht sich auf der CES des Jahres 2025 das meiste um Hersteller aus den USA oder China. Allenthalben rauschen durch Messehallen und Casinohotels chinesische Sprachfetzen, Honda und Sony präsentieren Details zum gemeinsamen Auto Afeela 1 und Xpeng lässt seine bemannte Flugdrohne inklusive dazugehörigen Auto in der Glücksspielmetropole erstrahlen.

Schlendert man während der CES durch die rappelvollen Hallen des Convention Centers und der kaum kleineren Venetian-Säle, tut man sich einigermaßen schwer, die ehemals so selbstbewussten Auftritte europäischer und speziell der deutschen Autohersteller zu finden. Audi, Volkswagen oder Mercedes – alle in der Vergangenheit mit großen Showbühnen in der Wüste Nevadas zu bewundern, haben in der Spielerstadt einmal mehr keine großen Neuigkeiten zu bieten. Immerhin darf sich Volkswagens US-Submarke Scout auf dem Central Plaza präsentieren.

Anders sieht es ein paar Meter weiter bei BMW aus. Die Bayern bieten zwar keine große Entertainmentshow mit Oliver Zipse und Arnold Schwarzenegger wie noch vor Jahren, steigen mit dem Panoramic iDrive jedoch betont digital in die Serienkommunikation der Neuen Klasse ein. Ende des Jahres feiert der neue BMW iX3 seine Publikumspremiere und dessen neues Anzeige- und Bedienkonzept ohne Dreh-Drück-Steller ist eher ein mutiger Sprung denn nur ein größerer Entwicklungsschritt, weil normale Instrumente im Hause BMW bald der Vergangenheit angehören werden. „Ins neue BMW Panoramic iDrive fließt ein Vierteljahrhundert Pionierrolle und Technologieführerschaft beim Bedienkonzept ein“, sagt BMW-Entwicklungsvorstand Frank Weber, „damit machen wir eines der weltweit besten und umfassendsten Infotainment-Systeme noch leistungsfähiger und definieren erneut den Industriestandard in der multimodalen Interaktion.

Die Zurückhaltung auf der CES 2025 zeigt, dass die von den deutschen Autoherstellern vielfach postulierte Transformation ins Tech-Zeitalter oftmals eher Lippenbekenntnisse sind und dass es große Barrieren gibt, sich gerade gegenüber dem Wettbewerb aus China zukunftsträchtig aufzustellen.

Andere zeigen, wie schnell auf Worte Taten folgen können

Wie man schnell Taten auf Worte folgen lässt, zeigt der Schiffsbauer Brunswick. Auf der CES 2023 tauchte ein hochrangiger Brunswick-Manager auf dem Stand des Softwareunternehmens Apex.AI auf und fragte, ob man nicht deren Software nutzen könne, um einen Anlegeassistenten zu entwickeln, der den Kapitänen das Manövrieren im Hafen erleichtert. Gesagt, getan. Die Teams setzen sich zusammen und ein Jahr später ist der Assistent fertig, der hochautomatisierte und autonome Anlegemanöver durchführt. Auch wenn ein Hafenbecken nicht so komplex ist wie der Automobilverkehr, vermisst Apex.AI-CEO Jan Becker diese kurzentschlossene Flexibilität gerade bei den deutschen Autobauern.

Die bewährten Denkmuster der maschinenbau- und prozessaffinen deutschen Automobilindustrie greifen bei der Software-Entwicklung nicht. Wenn bisher etwas nicht funktionierte, hat man einfach mehr Ingenieure mit der Aufgabe betreut, bis das Problem gelöst war. Geht es um Algorithmen, digitale Parallelwelten oder künstliche Intelligenz, wirkt die Personalaufstockung zunächst kontraproduktiv, da die neuen Mitarbeiter die bereits mit dem Projekt vertrauten nur bremsen und ablenken. Bei der Software ist die Qualität der Entwickler entscheidend und nicht die Quantität.

Das weiß auch Apex.AI-CEO Becker, der zudem die deutsche Vorschriftenkultur anprangert. „Ich habe noch in keinem Land gearbeitet, das so stark reguliert, bürokratisch und dadurch in vielen wesentlichen Punkten Innovations-verhindernd ist.“ Das haben viele europäische und eben speziell auch viele deutsche Autobauer erkannt, doch wirklich gelebt wird dies entgegen anderslautender Beteuerungen und neuer Software-Zentren bisher nicht bis in die unterste Arbeitsebene.

Damit die deutschen Autobauer beim Software Defined Vehicle mit den Chinesen oder auch der US-Vorzeige-Firma Tesla mithalten können, muss man sich von lieb gewonnen Gewohnheiten trennen. „Das haben wir immer schon so gemacht“, ist in der zweiten Dekade des zweiten Jahrtausends beim Automobilbau nicht immer zielführend. „Bislang war es so, dass der Transformationsdruck durch Märkte wie China, wo die Autohersteller über Jahre immense Gewinne erzielt haben, oder durch Sondereffekte wie die Angebotsverknappung im Nachgang der Pandemie abgemildert wurde“, erklärt Jürgen Reers, von der Unternehmensberatung Accenture. Dabei handelte es sich um temporäre Phänomene, aber man hatte bisweilen den Eindruck, dass die deutschen Autobauer es sich in dieser Situation bequem gemacht haben.

Aus den deutschen Meistern sind Schüler geworden

Die Wirklichkeit schaut oftmals anders aus: Die Pandemie ist vorüber und in China hat sich die Geschäftssituation grundlegend geändert. Aus den deutschen Meistern sind zunehmend Schüler geworden, die beim Ringen um Marktanteile zunehmend auf verlorenem Posten stehen. „Jetzt tritt der Transformationsdruck ungeschminkt zutage“, resümiert Reers und ergänzt: „Die nächsten zwei Jahre werden entscheidend sein, ob man diese Transformation bewältigt.“ Um so agil wie ein Start-up reagieren zu können und mit den immer rasanteren Entwicklungszyklen Schritt halten zu können, reicht es nicht aus, flexible Arbeitsplätze garniert mit ein paar Grünpflanzen in ein Großraumbüro im Silicon Valley zu stellen und Sneaker zu tragen.

Wie schwer sich die deutschen Automobilhersteller mit dem notwendigen Kulturwandel tun, zeigt das Cariad-Durcheinander, als Volkswagen versuchte, mit viel Geld eine eigene Software-Schmiede aus dem Boden zu stampfen. Das Vorhaben scheiterte krachend und VW stieg mit einem Volumen von bis zu 5,8 Milliarden US-Dollar beim US-Auto-Start-up Rivian ein. Nicht zuletzt, um sich die Software-Kompetenz zu erkaufen. Image und Zeit rauchten gleichermaßen in den Keller.

Das Know-how der US-Software-Experten ist notwendig, um VW fit für die Zukunft und den immer härteren Wettbewerb zu machen. „Die Entwicklungszyklen werden überlagert durch Sprints, um in schneller Abfolge neue Funktionen in die Fahrzeuge zu bringen. Die Automobilhersteller müssen agieren wie ein Tech-Unternehmen“, unterstreicht Jürgen Reers, der erkennt, dass sich bei der deutschen Automobilindustrie durchaus etwas tut: „Ich sehe, dass der Entwicklungsprozess deutlich verkürzt wird und man sich an den Zyklen der chinesischen Automobilhersteller orientiert, die ein Auto in 20 bis 24 Monaten entwickeln“, stellt Jürgen Reers fest und macht den deutschen Autobauern im gleichen Atemzug Mut: „Das Rennen ist nach wie vor offen. Auch in China!

Das Klappern auf der taghell ausgeleuchteten Showbühne gehört heute mehr als irgendwann sonst zum Handwerk. Das kann man in Sachen Tech-Szene und Automotive IT nirgends besser erleben als in Las Vegas, wo es schon lange nicht mehr heißt: „what happens in Vegas – stays in Vegas!

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Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff ist Firmeninhaber und Geschäftsführer von press-inform und press-inform consult. Er ist seit frühester Kindheit ausgemachter Autofan. Die Begeisterung für den Journalismus kam etwas später, ist mittlerweile aber genau so tief verwurzelt. Nach Jahren des freien Journalismus gründete der Jurist 1994 das Pressebüro press-inform und 1998 die Beratungsfirma press-inform consult.
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Michael:

Ein großer Teil der deutschen Kultur scheint mir auch das ständige schwarzmalen und schlechtreden der eigenen Stärken. Ich kenne kein Land das solche Artikel mehr feiert wie Deutchland.

Robert:

„Ich habe noch in keinem Land gearbeitet, das so stark reguliert, bürokratisch und dadurch in vielen wesentlichen Punkten Innovations-verhindernd ist.“
genau das ist das Problem von Deutschland es wird zwar ständig von Burokratieabbau geschwafelt aber in derRealität passiert das Gegenteil immer noch mehr Bürokratie und Vorschirften wir haben inzwischen soviel davon das das ganze Land gelähmt ist und sich nur noch in Zeitlupe sich bewegt.

Sascha:

Das begrüßt denke ich niemand. Aber wenn die ach so große deutsche Industrie nur stur ist und aus Gier besteht, dann haben sie es einfach nicht anders verdient. Man kann dagegen ja nichts tun. Diese wurde bisher schon oft genug unterstützt durch Politik z.B.

Meine Meinung:
Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Erklärung dazu:
Es ist besser, einen unbefriedigenden Zustand mit einem schmerzhaften Opfer zu beenden, als wenn dieser Zustand auf längere Zeit bestehen bleibt.

Ergo, wenn sich die hiesige Industrie nicht selbst Resettet und altes ablegt, werden sie es sehr schwer haben.

Daniel W.:

Die deutsche Autoindustrie hat zuerst versucht die Kunden mit dem „sauberen Diesel“ zu betrügen und als der Schwindel aufflog, hat sie mit dem Thermofenster ihren Betrug und die Schädigung des Klimas ganz ungeniert fortgesetzt.

Und statt mit günstigen E-Autos für Millionen Autokäufer den Klimaschutz zu unterstützen, wurden die kleinen und günstigen E-Autos begraben.

Wenn die Verkehrswende gelingen und der Klimaschutz vorankommen soll, dann muss die Autoindustrie bei uns „den Bach runtergehen“, denn sonst machen deren Lobbyisten weiter wie bisher und es wird vermutlich sogar noch schlimmer, vor allem wenn die Politik noch weiter nach rechts rückt.

brainDotExe:

Selbst wenn es so wäre, du begrüßt das wahrscheinlich noch.
Abartig…

Peter Bigge von Berlin:

Das ist so ungefähr wie wenn ein Schreibmaschienenhersteller auf einer Computermesse Punkten wollte.
Zum Glück gibt es noch Nostalgiefans, die sich für Antiquitäten aus Germany interessieren :-)

Daniel W.:

Der
Anfang
von Untergang
der großen deutschen
Autoindustrie oder gibt es noch
ein überraschendes und großes Wunder?
Die Zeichen stehen eher auf Untergang und E-Autos aus China.

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