Daniela Cavallo, Betriebsratschefin der Volkswagen AG, sieht sich aktuell enormen Herausforderungen gegenüber. Während der Vorstand um CEO Oliver Blume an drastischen Sparplänen arbeitet, die den Abbau von Zehntausenden Arbeitsplätzen und die Schließung von Werken in Deutschland vorsehen, plant das Unternehmen gleichzeitig eine milliardenschwere Investition in das US-Start-up Rivian. Dieser Schritt soll dazu beitragen, das schwerwiegende Softwareproblem des Konzerns zu lösen, doch für viele Mitarbeitende stellt sich die Frage, ob diese Wette den erhofften Durchbruch bringt oder die Krise vertieft. Das Manager Magazin hat dies im Detail betrachtet.
Die konzerneigene Softwaretochter Cariad sollte ursprünglich die Lösung für die technologischen Herausforderungen des Unternehmens liefern, konnte jedoch die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Verzögerungen und Probleme führten dazu, dass Cariad zum Sorgenkind des Konzerns wurde. Cavallo, die das geplante Investment in Rivian kritisch begleitet, hat deutlich gemacht, dass sie eine lückenlose Erklärung der einzelnen Etappen der Zusammenarbeit erwartet. Jeder Schritt soll im Detail geprüft werden.
Blume, der die Risiken des geplanten Deals kennt, sieht in Rivian eine mögliche Rettung. Das Start-up ist für seine moderne Softwarearchitektur bekannt, die weit über das hinausgeht, was Cariad bisher liefern konnte. Intern werde die Problematik rund um Cariad als „tickende Zeitbombe“ bezeichnet.
Rivian als Schlüssel zu neuer Softwarestrategie
Blumes Vorgänger Herbert Diess wollte Volkswagen zu einem führenden Softwarekonzern machen, vergleichbar mit Tesla. Dafür wurde Cariad ins Leben gerufen, eine Abteilung mit mehreren Tausend Softwareentwickler:innen. Doch die ambitionierten Pläne scheiterten an massiven technischen Problemen und Verzögerungen, was letztlich zum Rücktritt von Diess führte. Blume übernahm daraufhin die Kontrolle und begann mit einer Umstrukturierung sowie der Suche nach externen Partnern. Der Einstieg bei Rivian ist nun der nächste Schritt in seiner Strategie, Cariad zu entlasten und die Softwareprobleme in den Griff zu bekommen.
Seit Juni ist die Zusammenarbeit mit Rivian offiziell. Volkswagen will bis Ende 2026 insgesamt 5 Milliarden Dollar (4,7 Mrd. Euro) in das US-Unternehmen investieren. Der erste Teil der Summe soll unmittelbar nach Zustimmung des Aufsichtsrats fließen. Geplant ist ein gemeinsames Joint Venture, das die Softwareentwicklung für den Konzern übernehmen soll. Erste Tests laufen bereits mit dem Audi Q6 e-tron, um die Praxistauglichkeit der Rivian-Technologie zu prüfen. Das Ziel: Die Technologie des Autos soll künftig auf die Software abgestimmt werden, statt umgekehrt.
Die Softwareentwicklung bei Volkswagen könnte sich damit grundlegend verändern. Rivian würde die zentrale Aufgabe übernehmen, die bislang bei Cariad lag. Dies könnte zur Folge haben, dass ein Großteil der aktuellen Cariad-Mitarbeiter:innen in das neue Joint Venture wechselt oder zu den Marken zurückkehrt. Andere Mitarbeitende könnten das Unternehmen verlassen, wenn sie nicht in die neue Struktur integriert werden können. Die Umstrukturierung ist Teil eines umfassenderen Plans, den Blume verfolgt, um die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswagen langfristig zu sichern.
Herausforderungen und finanzielle Risiken
Die Kooperation mit Rivian bringt jedoch auch erhebliche Risiken mit sich. Einer der größten Unsicherheitsfaktoren ist Jeff Bezos, dessen Unternehmen Amazon als größter Anteilseigner an Rivian beteiligt ist. Zwar hat Bezos klargestellt, dass Amazon kein weiteres Kapital in Rivian investieren wird, doch seine Beteiligung könnte zukünftige Pläne von Volkswagen beeinflussen. Auch die finanzielle Lage von Rivian selbst ist ein Risikofaktor. Das Unternehmen verzeichnet hohe Verluste pro verkauftem Auto und hat erhebliche Schulden angehäuft. Für Volkswagen könnte die Partnerschaft schnell teurer werden als die kalkulierten 5 Milliarden US-Dollar.
Blume setzt dennoch darauf, dass die Kooperation mit Rivian den Durchbruch bringt. Der Konzern ist zudem weitere strategische Allianzen eingegangen, um die Softwareprobleme zu lösen. So investierte Volkswagen in das chinesische Unternehmen Horizon Robotics und in den Softwarespezialisten und E-Auto-Hersteller XPeng. Auch diese Partnerschaften zielen darauf ab, die technologische Basis des Konzerns zu verbessern und langfristig die Position von Volkswagen als führender Autobauer zu sichern.
Dennoch bleibt der Weg steinig. Cariad wird in den kommenden Jahren weiter schrumpfen und sich auf neue Strukturen einstellen müssen. Einige Aufgaben, insbesondere im Bereich autonomes Fahren und Infotainment, könnten mittelfristig ebenfalls an externe Partner abgegeben werden. Für Blume ist die Kooperation mit Rivian ein Befreiungsschlag mit hohem Einsatz – ob dieser Plan aufgeht, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen.
Quelle: Manager Magazin – VW-Boss Blume leitet das Ende der Software-Tochter Cariad ein