Braucht Deutschland eine Million Ladepunkte bis 2030?

Braucht Deutschland eine Million Ladepunkte bis 2030?
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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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15 Millionen Elektroautos, so der Plan der Bundesregierung, sollen im Jahr 2030 auf deutschen Straßen unterwegs sein. Damit den E-Autos auch ausreichend Lademöglichkeiten zur Verfügung stehen, sollen eine Million öffentliche Ladepunkte aufgebaut werden. In letzter Zeit allerdings häufen sich Stimmen, die diese Zahl als zu hoch angesetzt einschätzen.

Laden zu Hause und am Arbeitsplatz werden die Hauptpunkte sein. Alle öffentlichen Ladepunkte dürften überwiegend nur mit Schnellladetechnik funktionieren. Und da benötigt man einfach weniger“, sagt etwa Till Gnann, Koordinator des Themas Elektromobilität am Fraunhofer-Institut, der Tagesschau zufolge. „Eine Million: Das ist eher eine plakative Zahl. Die dahinter stehenden Rechnungen sind aus meiner Sicht kritisch zu bewerten“, so der Forscher. Die eine Million öffentliche Ladepunkte für 15 Millionen E-Autosbrauchen wir nach heutigem Kenntnisstand nicht“, sagt er.

Zudem sei unklar, ob eine derart hohe Zahl an Ladesäulen überhaupt wirtschaftlich betrieben werden kann. Schon jetzt gebe es Anbieter, die sagen, dass viele Ladepunkte kaum ausgelastet seien und sich nicht rechnen. „Es nutzt nichts, wenn wir überall Ladesäulen hinstellen – und dann nutzt sie keiner. Das Geld wäre besser ausgegeben, um die Ladestationen zu Hause oder bei der Arbeit zu unterstützen“, findet Gnann. Aktuell ist es so, dass etwa 85 Prozent aller Ladevorgänge an Eigenheimen und Arbeitsplätzen stattfinden.

Eine Studie der Unternehmensberatung PwC hat ergeben, dass im privaten Bereich im Jahr 2030 gut 5,6 Millionen Ladepunkte benötigt werden. Öffentlich seien hingegen nur gut 500.000 notwendig – die Hälfte dessen, was die Regierung anpeilt.

Auch Jan Strobel vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hält die Diskussion um eine Million Ladepunkte für falsch. „Sie lenkt von den wirklich wichtigen Themen ab“, sagt er. Außerdem verfestige sich „ein völlig falsches Bild, wenn ständig über einen angeblichen Ladesäulenmangel gesprochen wird“. Strobel ist der Meinung, dass das Ladesäulennetz bereits jetzt gut funktioniere und der Ausbau mit dem Zuwachs an E-Autos Schritt halten könne.

Entscheidender als die Anzahl an Ladepunkten sei deren Leistungsfähigkeit, so Strobel. An Ladesäulen mit mehreren Hundert kW Leistung – und dorthin wird die Reise führen – können E-Autos innerhalb von nur zehn Minuten Strom für mehrere Hundert Kilometer nachladen. Dementsprechend würden auch weniger einzelne Ladepunkte gebraucht, da das Laden an solchen High Power Chargern kaum länger dauert als der Tank- samt Bezahlvorgang mit einem Verbrenner.

„Die Sichtbarkeit ist zentral für die Akzeptanz“

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) allerdings sieht das anders. Man müsse das Bild, das in den Köpfen der Menschen vorherrsche, verändern, damit auch mehr Leute dazu bereit sind, sich ein Elektroauto anzuschaffen. „Die Sichtbarkeit und die Sicherheit, laden zu können, sind zentral für das Verbrauchervertrauen und damit die Akzeptanz. Dafür brauchen wir die eine Million Ladepunkte“, sagt Andreas Rade vom VDA. Komplizierte Modellrechnungen und Verhältnisgleichungen seien in dieser Hinsicht nicht zielführend.

Bis zur Million allerdings ist der Weg noch weit: Aktuell sind in Deutschland erst gut 61.000 öffentliche Ladesäulen installiert. Und der Ausbau gehe viel zu schleppend voran, mahnt Rade: „Wird das aktuelle Ausbautempo nicht gesteigert, gibt es in Deutschland im Jahr 2030 gerade einmal rund 210.000 Ladepunkte“, sagt er – und damit knapp 800.000 zu wenig.

Quelle: Tagesschau – Sind eine Million Ladesäulen nötig?

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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