24M-CEO: „50 Prozent mehr Reichweite – ohne neue Chemie“

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24M Technologies

Sebastian Henßler
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  —  Lesedauer 3 min

Mit der Vorstellung von 24M ETOP will das US-amerikanische Unternehmen 24M Technologies nicht weniger als einen Systemwechsel in der Batteriekonstruktion einläuten. Statt Batteriezellen in Modulen zu bündeln und diese wiederum zu einem Pack zusammenzufügen, wird der klassische Aufbau komplett übersprungen. Die Elektroden – also die energietragenden Bestandteile – werden direkt in dünne Polymerfolien eingeschweißt und schichtweise in den Batteriepack integriert. Das Resultat: weniger totes Material, mehr aktive Fläche, mehr Reichweite.

Ulrik Grape, Europa-Präsident von 24M Technologies, hatte diesen Kurs bereits in einem früheren Interview mit Elektroauto-News angedeutet. Damals sprach er von einem „35 Jahre alten Fundament“, das nicht mehr den Anforderungen heutiger E-Autos gerecht werde, und forderte eine Plattform, „die Größe und Spannung an Kunden und Modelle anpasst – etwas, das das heutige System nicht leisten kann.“ Dass nun mit ETOP genau dieser Gedanke in eine marktfähige Technologie gegossen werden soll, überrascht wenig. Grape formulierte bereits im Gespräch, dass es nicht reiche, neue Ideen in veraltete Formate zu pressen – Batterien müssten von Grund auf neu gedacht werden. Die direkte Integration von Elektroden in das Batteriepack ist damit keine spontane Neuentwicklung, sondern die logische Konsequenz einer länger verfolgten Strategie.

Das Versprechen von 24M ist ambitioniert: Bis zu 80 Prozent des Batterievolumens sollen mit aktiven Materialien gefüllt sein – bei herkömmlichen Packs liegt dieser Wert eher bei 30 bis 60 Prozent. Auf dieser Basis sollen bei gleicher Zellchemie bis zu 50 Prozent mehr Reichweite möglich sein. Alternativ könnten günstigere Chemien wie LFP eingesetzt werden, ohne dass es zu Einschränkungen bei der Reichweite komme. Im Beispiel: Ein 75-kWh-NMC-Pack könne mit ETOP auf über 100 kWh anwachsen – im gleichen Bauraum.

Doch trotz aller technischen Visionen bleibt die Frage offen, wie nah die neue Technologie tatsächlich an der Großserienreife ist. In der Pressemitteilung finden sich keine Hinweise auf OEM-Partnerschaften, Pilotlinien oder erste Industrialisierungsschritte. Auch eine unabhängige Bewertung der versprochenen Pack-Dichte liegt nicht vor. Während 24M auf medienwirksame Zahlen wie „bis zu 50 Prozent mehr Reichweite“ setzt, bleibt unklar, unter welchen Bedingungen dieser Wert erreicht wurde – und ob er im Serienkontext Bestand hat. Schon andere Hersteller haben mit ähnlichen Versprechen geworben, etwa CATL mit seiner CTP-Technologie (Cell-to-Pack). Doch auch dort zeigte sich: Der Weg von der Idee zur verlässlichen Produktion ist lang.

Neben der Leistungssteigerung hebt 24M auch die potenziellen Vorteile für die Produktion hervor. Die geringeren Toleranzanforderungen und der Wegfall klassischer Zellformierungsprozesse sollen die Herstellung vereinfachen und Investitionskosten senken. Gleichzeitig eröffne das Konzept größere gestalterische Freiheiten – vom Hexagon bis zum Oval sei jede Form denkbar. Spannungsbereiche von 48 bis 800 Volt sollen problemlos möglich sein. Doch auch hier fehlt der Beleg, wie flexibel das System im realen OEM-Umfeld wirklich ist – besonders unter den Zwängen der Automobilproduktion mit ihrer Logik aus Plattformen, Crash-Anforderungen und Lieferantenintegration.

24M positioniert ETOP als Teil eines größeren Systems. Gemeinsam mit anderen Eigenentwicklungen wie dem Separator „Impervio“, dem Elektrolyt „Eternalyte“ und der Halbfestelektrode „LiForever“ soll eine Batterie entstehen, die nicht nur leistungsfähiger, sondern auch sicherer, langlebiger und günstiger ist. Im Interview hatte Grape diesen Zusammenhang bereits aufgezeigt und betont, dass viele der heutigen Kompromisse – etwa zwischen Energiedichte und Sicherheit – in einer neuen Zellarchitektur aufgelöst werden könnten. Diese systemische Herangehensweise hebt 24M durchaus positiv von manchen Wettbewerbern ab.

Trotzdem bleibt Skepsis angebracht. Die Umsetzung solcher Konzepte scheitert in der Praxis oft nicht an der Technologie selbst, sondern an fehlender Skalierung, regulatorischen Hürden oder schlicht am mangelnden Vertrauen der Autohersteller. Letztlich wird sich zeigen müssen, ob ETOP mehr ist als ein durchdachtes Konzeptpapier mit überzeugender PR – oder ob es tatsächlich den Weg in die Serienproduktion findet. Dass Ulrik Grape und 24M langfristig an genau dieser Stelle ansetzen wollen, steht außer Frage. Doch ob sich das auch wirtschaftlich und technisch durchsetzen lässt, wird erst die Realität zeigen.

Quelle: 24M – Pressemitteilung per Mail

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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