ZSW forscht an Rohstoff-reduzierten Lithium-Ionen-Akkus

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Michael Neißendorfer
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Der steile Hochlauf der Elektromobilität zeigt die große technische, ökonomische und ökologische Bedeutung von Lithium-Ionen-Batterien. Verbunden damit ist aber auch ein stark wachsender Bedarf an Rohstoffen, von denen einige bereits als kritisch im Hinblick auf die Versorgungssituation eingeordnet sind. Daher muss ihr Einsatz künftig verringert und die eingesetzten Rohstoffe effizienter genutzt werden.

Das Forschungsprojekt PerForManZ des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) gemeinsam mit vier Industrieunternehmen setzt genau hier an. Durch die Kombination neuer Konzepte bei den Speichermaterialien, den eingesetzten Komponenten und dem Zellaufbau soll die Energiedichte gesteigert werden. Ziel ist außerdem, den Einsatz kritischer Rohstoffe wie Kupfer, Kobalt, Nickel und Naturgraphit signifikant zu reduzieren. Neben dem ZSW sind die Bender Maschinenbau und Streckmetallfabrik, der Materialhersteller Wacker, der Batteriespezialist Varta und als assoziierter Partner die BMW Group beteiligt. Varta koordiniert das Vorhaben, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 2,5 Millionen Euro gefördert wird und bis zum 30. November 2024 läuft.

Hochenergiematerial für die Anode

Heutige Hochenergiezellen verwenden als Anodenmaterial hauptsächlich Graphit. Silicium ist jedoch in der Lage, gut zehnmal mehr Lithium zu speichern. Dadurch kann die Energiedichte der Zelle deutlich erhöht werden. Dies ist wichtig für die Reichweite von E-Autos. In kommerziellen Zellen wird jedoch dem Grafit nur maximal 5 Prozent Silicium beigemischt. Ein Grund liegt darin, dass das Silicium im elektrochemischen Speicherprozess sein Volumen sehr stark ändert. Material und Elektrode werden dadurch stark geschädigt und die Lebensdauer der Zelle verkürzt.

Mit dem Forschungsvorhaben soll für dieses Problem ein Lösungskonzept erarbeitet werden. Ansatzpunkt sind das Material- und das Zelldesign. Die Materialien werden dabei so ausgelegt, dass sie direkt in üblichen Fertigungsprozessen für Elektroden eingesetzt werden können. Diese Materialien entwickelt Wacker in einem neuen Herstellprozess.

Kommerzielle Lithium-Ionen-Zellen setzen metallische, geschlossene Ableiterfolien für die Elektroden ein. Diese bestehen aus Kupfer (Anode) und Aluminium (Kathode) und müssen mit energieintensiven Verfahren gewonnen werden. Im Gegensatz zu den üblichen Ableitern setzt das Projekt auf Leichtbauweise und Durchlässigkeit. Eine neuartige Ableiterstruktur reduziert den Einsatz an Kupfer und Aluminium deutlich, ohne dass die Verarbeitungseigenschaften leiden. Dies bringt drei wesentliche Vorteile: Ressourcen werden eingespart, die Materialkosten verringert und gleichzeitig die spezifische Energie der Zelle erhöht. Zudem sollen im Projekt kostenaufwändige und qualitätsrelevante Prozessschritte, wie beispielsweise die Elektrolytbefüllung deutlich verkürzt werden, ohne dass Qualität und Sicherheit der Zelle leiden.

Und schließlich soll eine weitere Einschränkung der Siliciumanode beseitigt werden: Das Kathodenmaterial beinhaltet das gesamte für den Speichervorgang in der Zelle erforderliche Lithium. Ein Teil dieses Lithiums wird jedoch beim erstmaligen Laden der Zelle, der sogenannten Formierung, vom Silicium gebunden und geht so für die Speicherung verloren. Damit verbleibt ein entsprechender Teil des Kathodenmaterials ungenutzt in der Zelle, mitsamt den teuren und knappen Rohstoffen. Durch spezielle neue Verfahrensschritte soll dieser Lithiumverlust ausgeglichen und damit die vollständige Nutzung des Kathodenmaterials ermöglicht werden. Die Ableiterstrukturen werden von der Bender Maschinenbau und Streckmetallfabrik entwickelt.

Vertikale Beschichtungsprozesse

Alle Verbesserungen sollen in industrienahe Herstellungsprozesse umgesetzt werden, um im Pilotmaßstab leistungsfähige und sichere Batterien bauen zu können. Hierzu müssen die Prozessanforderungen an die neuartigen Stromableiter beim Mischen, Beschichten, Trocknen und Kalandrieren untersucht und verstanden werden. Hierfür erforschen die Wissenschaftler und Ingenieure schwerpunktmäßig den Einsatz einer vertikalen Beschichtungstechnologie. Dafür wird am ZSW in Ulm eine neue Anlage etabliert. Projektziel ist es, hochleistungsfähige leichte Elektroden in einem industrierelevanten Rolle-zu-Rolle-Prozess herzustellen und in Demonstratoren am ZSW zu verifizieren. Parallel führt Varta die Ergebnisse des Projekts in die Produktion von gewickelten Knopfzellen und 21700-Rundzellen ein. Die so entwickelten Batterien sollen in zahlreichen Anwendungen zum Einsatz kommen.

Elektromobilität ist einer der Kernbeiträge zu klimafreundlicher Mobilität. Der Einsatz von Elektroautos in Kombination mit regenerativ erzeugtem Strom kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten. Deshalb begleitet die BMW Group das Projekt im Hinblick auf die Anforderungen zum automobilen Einsatz und in Fragen der Industrialisierung.

Quelle: ZSW – Pressemitteilung vom 08.04.2022

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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