Zeekr: „Sind ein junges Unternehmen mit europäischer Seele“

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Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
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Zeekr, die Elektroautomarke aus dem Geely-Konzern, verfolgt in Europa einen Kurs, der auf Substanz statt Geschwindigkeit setzt. Lothar Schupet, Acting CEO von Zeekr Europe, betont gegenüber Elektroauto-News: „Wir sind ein junges Unternehmen mit der Power eines etablierten Konzerns – und mit einer europäischen Seele.“ Damit beschreibt er das Selbstverständnis der Marke, die sich bewusst zwischen Start-up-Mentalität und industrieller Skalierung positioniert. „Diese Kombination ermöglicht es uns, mutig neue Wege zu gehen, ohne dabei Stabilität und Verlässlichkeit aufs Spiel zu setzen.“

Von Beginn an wurde Europa nicht nur als Absatzmarkt verstanden, sondern als integraler Bestandteil der Marke. „Unsere Präsenz in Europa geht weit über den Verkauf von E-Autos hinaus“, erklärt Schupet. Göteborg spielt dabei eine Schlüsselrolle: Hier befinden sich sowohl das Global Design Center als auch das Technology Center, wo Design, Engineering und Softwareentwicklung zusammenspielen. Amsterdam wiederum steuert Marketing, Vertrieb und Service. „Teams aus mehr als 30 Nationen arbeiten bei uns in Europa für Europa“, sagt Schupet. „Das ist nicht nur ein Symbol, sondern gelebte Realität. Wir hören zu, wir adaptieren, wir entwickeln – und das alles mit einer europäischen Handschrift.“

Europa als integraler Bestandteil der Marke Zeekr

Für Schupet ist diese lokale Verankerung ein wesentlicher Unterschied zu anderen Herstellern, die Europa vor allem als Absatzregion betrachten. „Wir wollen Vertrauen aufbauen, nicht nur über den Preis, sondern durch Qualität, Design, Technik und eine reibungslose Ownership-Experience“, betont er. Vertrauen entstehe nicht durch Marketingbotschaften, sondern durch Produkte, die sich im Alltag beweisen. „Wer einen Zeekr fährt, soll spüren, dass dieses Auto nicht für einen entfernten Markt entwickelt wurde, sondern für genau die Straßen, Gewohnheiten und Erwartungen hier in Europa.“

Dass dieser Anspruch ernst gemeint ist, zeigen die Resultate unabhängiger Tests. Alle für Europa bestimmten Modelle erhielten die Bestwertung von fünf Sternen im Euro NCAP. Der Zeekr X wurde 2024 sogar als „Best in Class“ in seiner Kategorie ausgezeichnet. Für Schupet ist das Beleg und Motivation zugleich: „Sicherheit und Qualität sind keine Nebensache, sondern die Basis, auf der wir unsere Marke in Europa aufbauen. Wir wollen Standards nicht nur erfüllen, sondern in vielen Bereichen neue setzen.“

Auch beim Design geht Zeekr eigene Wege. Unter der Leitung von Stefan Sielaff entstand die Philosophie „Hidden Energy“. Sie soll die innere Kraft eines Autos subtil ausdrücken, ohne aggressiv oder überladen zu wirken. „Wir möchten Autos bauen, die Kraft und Ruhe zugleich ausstrahlen, die reduziert, klar und modern wirken“, so Schupet. „Jeder Zeekr – inklusive 7X – wurde in Europa entworfen.“ Die Linienführung, die Proportionen und die Materialien seien gezielt auf europäische Sehgewohnheiten und Bedürfnisse abgestimmt. „Design ist für uns nicht Dekoration, sondern ein zentrales Versprechen an unsere Kund:innen.“

Dazu gehört auch die Gestaltung der Innenräume, die bewusst auf Ablenkung verzichtet. Aufgeräumte Oberflächen, flexible Stauraumlösungen und wohnliche Elemente sollen ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln. „Wir wollen, dass man sich in einem Zeekr nicht wie in einem technischen Gerät fühlt, sondern wie in einem modernen Wohnraum, der Sicherheit und Komfort gibt“, erklärt Schupet. Das Panoramaglasdach, das den Innenraum optisch öffnet, sei nur ein Beispiel für diesen Ansatz. „Hidden Energy bedeutet auch, dass sich der Charakter des Autos erst im Erleben entfaltet, nicht beim ersten Blick auf ein Datenblatt.“

Mit dieser Mischung aus technischer Substanz, Sicherheitsfokus und europäisch geprägtem Design versucht Zeekr, sich klar von klassischen Vorurteilen gegenüber chinesischen Marken abzugrenzen. „Wir wissen, dass wir Vertrauen erst verdienen müssen“, sagt Schupet. „Deshalb investieren wir in Europa nicht nur in Autos, sondern in Strukturen, Prozesse und Menschen.“

SEA-Plattform als digitales Produkt, welches über die Hardware hinausgeht

Die technologische Basis spielt für Zeekr eine Schlüsselrolle. Alle Modelle stehen auf der modularen SEA-Plattform, die von Beginn an als reine Elektro-Architektur entwickelt wurde. Schupet hebt hervor: „SEA ist nicht nur eine technische Basis, sondern ein digitales Produkt.“ Die Plattform sei skalierbar, vom kompakten Stadtmodell bis hin zum großen SUV, und erlaube verschiedene Batteriekapazitäten sowie Zellchemien. „Unsere Kund:innen profitieren davon, dass wir Technologien wie 800-Volt-Systeme oder neue Software-Funktionen schnell in die Serie bringen können.“

Damit endet für Zeekr der klassische Entwicklungszyklus nicht mehr mit der Auslieferung. „Ein Auto bleibt bei uns nicht statisch, sondern entwickelt sich im Alltag weiter“, so Schupet. Möglich wird dies durch Over-the-Air-Updates, die nicht nur Fehler beheben, sondern gezielt neue Funktionen einführen oder bestehende Systeme optimieren. „Wir denken unsere Produkte als Software Defined Vehicles. Das bedeutet: Die eigentliche Reise beginnt erst, wenn das Auto auf die Straße kommt.“

Ein entscheidendes Element dieses Ansatzes ist die aktive Einbindung der Nutzer:innen. „Wir verankern die Stimme des Kunden in unseren Entscheidungen“, beschreibt Schupet. Die „Builders“-App dient dabei als zentrale Schnittstelle, über die Feedback gesammelt, Beta-Tests organisiert oder Prioritäten für künftige Updates gesetzt werden. Darüber hinaus setzt Zeekr auf Co-Creation-Workshops, bei denen Fahrer:innen ihre Erfahrungen direkt einbringen können. „Wir wollen, dass die Menschen unsere Autos mitgestalten – nicht als Marketinggag, sondern als festen Bestandteil der Entwicklung“, betont er.

Dass dieser Ansatz mehr als nur ein Versprechen ist, zeigt ein konkretes Beispiel: „Unser neues Navigationssystem im Zeekr 7X ist aus dem Feedback unserer Community entstanden. Innerhalb von nur fünf Monaten haben wir es von der Idee bis zur Marktreife gebracht.“ Für Schupet ist das ein Beleg dafür, wie sehr Zeekr die eigene Entwicklungslogik von klassischen Autobauern unterscheidet. „Ein traditioneller Entwicklungszyklus würde an dieser Stelle enden – bei uns beginnt dann die nächste Phase. Wir arbeiten mit unseren Kund:innen zusammen, um Produkte ständig zu verbessern.“

Damit positioniert sich Zeekr klar als Technologieanbieter, der das Auto nicht als abgeschlossenes Produkt, sondern als digitale Plattform versteht. „Unser Ziel ist es, dass sich jeder Zeekr über die Jahre weiterentwickelt und für die Nutzer:innen relevanter wird“, fasst Schupet zusammen.

Strategischer Markthochlauf in Europa – mit Schlüsselrolle für Deutschland

Beim Markthochlauf verfolgt Zeekr einen bewusst bedachten Ansatz. Nach dem Start in Schweden und den Niederlanden im Jahr 2023 folgte Norwegen, inzwischen sind auch Belgien und die Schweiz Teil des Vertriebsnetzes. Für Schupet ist dieser Weg kein Ausdruck von Zurückhaltung, sondern von strategischer Klarheit: „Wir wollen vorbereitet sein. Es geht nicht um Geschwindigkeit, sondern darum, Netzwerke, Servicekompetenz und Markenbekanntheit parallel aufzubauen.“ Der Fokus liege nicht auf kurzfristigen Stückzahlen, sondern auf nachhaltiger Präsenz. „Wenn wir in einem Markt starten, dann mit der klaren Botschaft: Wir sind gekommen, um zu bleiben.“

Deutschland nimmt in dieser Planung eine Schlüsselrolle ein. Auch wenn ein exakter Starttermin derzeit noch offen ist, macht Schupet deutlich: „Deutschland ist fest in unseren Expansionsplänen verankert, aber wir haben noch keinen Zeitplan. In naher Zukunft werden wir mehr dazu teilen.“ Für ihn ist der Markt nicht nur aufgrund seiner Größe wichtig, sondern auch wegen seiner Signalwirkung. „Wenn man in Deutschland erfolgreich ist, dann strahlt das auf ganz Europa aus.“ Zugleich sei man sich der Herausforderungen bewusst – von der etablierten Konkurrenz bis hin zu den hohen Kundenerwartungen. „Wir wollen erst ein stabiles Fundament legen, bevor wir hier sichtbar werden.“

Besonders auffällig ist die Flexibilität beim Vertriebsmodell. Während in Schweden und den Niederlanden auf Direktvertrieb mit eigenen Stores gesetzt wird, arbeitet Zeekr in Norwegen, Belgien und der Schweiz mit Handelspartnern zusammen. „Wir glauben nicht an One-Size-Fits-All“, betont Schupet. „Jeder Markt hat seine Eigenheiten. Deshalb denken wir Service und Vertrieb konsequent von der gewünschten Customer Experience her.“ Ob eigener Store, Pop-up oder Händlernetz – das Modell werde jeweils so gewählt, dass es den Bedürfnissen der Kund:innen entspricht. „Am Ende zählt, dass der Weg zum Auto einfach, transparent und vertrauenswürdig ist.“

Dass chinesische Marken in Europa noch mit Vorurteilen konfrontiert sind, ist Schupet bewusst. „Wir wissen, dass Vertrauen in eine neue Marke nicht von selbst entsteht“, sagt er. Zugleich verweist er auf eigene Studien mit über 5000 Teilnehmenden, die eine wachsende Offenheit erkennen lassen. Besonders in den Nordics und in der Schweiz sei die Bereitschaft groß, neue Marken auszuprobieren. „In der Schweiz haben mehr als die Hälfte der Befragten bestätigt, dass Premium-Elektroautos chinesischer Marken mit westlichen Wettbewerbern mithalten können“, berichtet Schupet. Das sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur breiteren Akzeptanz. „Vorurteile verschwinden nicht durch Worte, sondern durch Leistung und Erfahrung. Deshalb setzen wir auf Transparenz, Qualität und direkte Begegnung mit unseren Autos.“

Um zusätzlich Vertrauen aufzubauen, bietet Zeekr ein umfangreiches Garantiepaket. „Wir geben acht Jahre oder 200.000 Kilometer auf die Batterie und fünf Jahre oder 100.000 Kilometer auf das Auto“, erklärt Schupet. Wer möchte, könne den Schutz sogar auf zehn Jahre oder 200.000 Kilometer verlängern. Für ihn ist das mehr als eine Serviceleistung: „Dieses Versprechen unterstreicht, wie wichtig Europa für uns ist. Wir wollen zeigen, dass wir langfristig Verantwortung übernehmen.“

Schupet warnt vor schädlichen Zöllen

Beim Thema Handelspolitik wird Schupet deutlich. Für ihn sind die in Europa diskutierten und teilweise bereits beschlossenen Strafzölle auf chinesische Elektroautos ein Irrweg. „Zölle sind nicht konstruktiv“, sagt er ohne Umschweife. Sie würden weder die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie stärken noch Innovationen beschleunigen. „Am Ende schaden sie allen Beteiligten – den Beziehungen zwischen der EU und China, den europäischen Unternehmen entlang der Lieferkette und vor allem den Kund:innen, die höhere Preise zahlen müssen.“

Zeekr positioniert sich klar als Befürworter offenen Wettbewerbs. „Wir stehen für freien Handel und für fairen Wettbewerb – und wir halten uns an alle Regeln und Gesetze“, betont Schupet. Für ihn ist der europäische Markt kein Nebenschauplatz, sondern von zentraler Bedeutung. Gerade deshalb setze man auf langfristige Investitionen in Strukturen, Service und Produktqualität, anstatt auf kurzfristige Preiskämpfe zu reagieren. „Wir wollen nicht über den Preis definiert werden, sondern über Substanz“, fasst er zusammen.

Gleichzeitig prüft Zeekr die Option, mittelfristig Teile der Produktion nach Europa zu verlagern. Details nennt Schupet zwar nicht, doch die Richtung ist klar: „Lokalisierung ist für uns ein wichtiges Thema. Wir schauen uns sehr genau an, wo es sinnvoll sein kann, künftig näher am europäischen Markt zu produzieren.“ Auch hier gilt für ihn der Grundsatz, erst die Basis zu schaffen und dann zu handeln. „Es geht nicht um schnelle Schlagzeilen, sondern darum, Europa in unsere Wertschöpfung einzubinden.“

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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