Warum Lithium-Ionen-Akkus an Kapazität verlieren

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TU München

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Im Handy, Laptop oder auch im Elektroauto: überall verwenden wir Lithium-Ionen-Akkus. Doch nach einiger Zeit verlieren sie an Kapazität. Daher untersuchte ein deutsch-amerikanisches Forschungsteam den Aufbau und die Funktionsweise dieser Akkus mit Neutronenbeugung. Dabei fanden sie heraus, dass Zersetzungsprodukte der Elektrolytflüssigkeit das bewegliche Lithium im Akku abfangen und dass Lithium in der Zelle überraschend ungleich verteilt ist.

Die hervorragenden Eigenschaften des Lithium-Ionen-Akkus haben das tägliche Leben wie sonst wenige andere Erfindungen geprägt. Jedoch treten mit der Zeit Effekte auf, welche die Speicherfähigkeit der Akkus nach und nach verringern. An der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) der Technischen Universität München ging Dr. Anatoliy Senyshyn, Instrumentwissenschaftler am Pulverdiffraktometer SPODI, den Ursachen auf den Grund, indem er Neutronenstreuung als Werkzeug nutzte, um zylindrische Lithium-Ionen-Akkus zu analysieren.

Zusammen mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sucht er Antworten auf grundsätzliche Fragen zum Aufbau und Verhalten von Lithium-Ionen-Akkus: Warum reduziert sich die verfügbare Kapazität mit der Zeit? Wie ist das Lithium im Akku verteilt?

Weshalb untersucht man einen Akku mit Neutronen?

Die Abläufe im Inneren einer Lithium-Ionen-Zelle, wie beispielsweise ein sich zersetzender Elektrolyt oder die Verteilung des Lithiums, die während des Auf- und Entladens ablaufen, lassen sich außerhalb der Zelle aufgrund der hohen Reaktivität der Zellbestandteile gegenüber Sauerstoff und Luftfeuchtigkeit nur schwer beobachten.

Neutronen sind besonders empfindlich gegenüber leichten Elementen, wie beispielsweise Wasserstoff und Lithium. Sie können das Lithium daher auch im Inneren einer Zelle sichtbar machen, was Untersuchungen unter realen Betriebsbedingungen ermöglicht. Neutronen bieten zudem den Vorteil, dass sie zerstörungsfrei messen. So können die Forscherinnen und Forscher Vorgänge in der Batterie von außen beobachten, ohne in das empfindliche System einzugreifen.

Warum sinkt die Kapazität?

Bei Lithium-Ionen-Zellen entsteht ein Stromfluss dadurch, dass ein Lithiumatom ein Elektron abgibt und dieses Elektron durch das angeschlossene Gerät fließt. Innerhalb der Zelle wandert gleichzeitig ein Lithium-Ion von einer Elektrode zur anderen. Es stehen also immer nur so viele Elektronen wie Lithium-Ionen zur Verfügung. Verliert der Akku an Kapazität, so ist dies damit gleichzusetzen, dass Lithium „verloren“ geht. Doch wohin verschwindet es?

Die Neutronenstreuexperimente an den Instrumenten STRESS-SPEC und SPODI zeigten einen linearen Zusammenhang zwischen dem Verlust von beweglichen Lithium-Ionen und der Zersetzung des Elektrolyten, die beispielsweise beim Laden als ungewollte Nebenreaktion stattfindet.

Die dabei entstehenden Zersetzungsprodukte des Elektrolyten lagern Lithiumatome ein, welche dann nicht mehr als bewegliches Lithium zur Verfügung stehen, um zwischen den beiden Elektroden ausgetauscht zu werden. So verliert der Akku an Kapazität: er altert.

Wie ist das Lithium verteilt?

Bei theoretischen Modellen, Berechnungen oder Messungen wurde bisher meist von einer gleichmäßigen Verteilung des Lithiums ausgegangen. Die Untersuchungen ergaben jedoch, dass das Lithium von Anfang an sehr ungleich verteilt ist und die Inhomogenität mit der Zeit sogar noch steigt.

Die Modellierung von Lithium-Ionen-Zellen kann also deutlich verbessert werden, wenn Entwickler diese ungleiche Lithium-Verteilung berücksichtigten. Basierend auf der Verteilung des Lithiums können zudem Aussagen über die Speicherfähigkeit der Lithium-Ionen-Zelle getroffen werden. Diese Ergebnisse sind eine wichtige Basis, um zukünftige Akkus effizienter, langlebiger und leistungsstärker zu machen.

Lithium-Ionen-Akku-Kapazität-Verlust
Farblich gekennzeichnete Konzentration von Lithium (links) und Elektrolyt (rechts) in einer frischen und einer gealterten (600 Lade- bzw. Entladezyklen) Lithium-Ionen Zelle. Bild: A. Senyshyn / TU München

Die Arbeit wurde gefördert durch das Heinz Maier-Leibnitz Zentrum, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Bayern-Kalifornien Technologie Zentrum (BaCaTeC), sowie dem U.S. Department of Energy, im Rahmen der Forschung für neue Batteriematerialien.

An der Publikation waren neben den Wissenschaftlern des Heinz Maier-Leibnitz Zentrums und des Physik-Departments der Technischen Universität München auch Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie, des Ames Laboratory der Iowa State University (USA), und des Lawrence Berkeley National Laboratory (USA) beteiligt.

Die Messungen wurden durchgeführt an der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) der Technischen Universität München, dem Institut Laue-Langevin (ILL) in Grenoble (Frankreich) und am Deutschen Elektronen Synchrotrons (DESY) in Hamburg.

Quelle: TU München – Pressemitteilung vom 10.02.2021

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Kurt Werner:

Eine interessante Untersuchung. Sie zeigt vor allem welches Entwicklungspotential noch in dieser Technologie steckt.

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