VW Tiguan: Als Doppelherz. Ohne Allrad, aber mit 50 elektrischen Kilometern

VW Tiguan: Als Doppelherz. Ohne Allrad, aber mit 50 elektrischen Kilometern
Copyright ©

Volkswagen AG

Wolfgang Plank
Wolfgang Plank
  —  Lesedauer 4 min

Er ist das erfolgreichste SUV Europas, und mit mehr als 900.000 Exemplaren 2019 hat er sogar den Golf überflügelt. Diese Spitzenposition im VW-Konzern soll der Tiguan behalten – nur besser aussehen soll er dabei. Die neue Front mit wuchtigerer Haube, breiterem Grill und LED-Licht rückt den 4,50 Meter langen Tiguan optisch noch näher an den Touareg heran.

Gleichwohl sieht Wolfsburgs Jüngster nicht so aus, als wolle er unbedingt vom rechten Weg abkommen. Auch in aufgefrischter zweiter Generation ist er weniger eine Einladung an Förster und Fischer als an Kunden, die das Gehobene schätzen, wenn sie zu Kita, Büro und Supermarkt rollen – üblicherweise ist ja nur in Ausnahmefällen mal ein Parkplatz mit Kies feinster Körnung dabei. Trotzdem bleibt der Tiguan auch ein Arbeiter. Da befindet er sich in guter Tradition zum großen Bruder.

Volkswagen AG

Vor allem aber steht der geliftete Tiguan auch unter Strom. Zu diversen Dieseln (122 bis 200 PS) und Benzinern (130 und 150 PS) gesellt sich nun ein Doppelherz, bei dem der Motor mit Kolben 150 PS beisteuert, der mit Wicklung 115. Macht 245 im Zusammenspiel und per „GTE-Taste“ ordentlich Druck nach vorne. Vorteil: Man ist die Sorge des Strom-Ausfalls los. Manko: doppelte Technik und keine Reserveradwanne mehr.

Gedacht allerdings ist der Tiguan eHybrid für sanftes Dahingleiten: Flaute im Brennraum und Vortrieb einzig aus dem 13 kWh fassenden Akku bei höchstens Tempo 130. Das optionale Navi berechnet anhand der Topographie die effizienteste Route – und hilft auch während der Fahrt. Wäre ja unsinnig, vor Ortsschild oder Abzweig noch zu beschleunigen. Wolfsburgs Jüngster weiß es besser – und verzögert rechtzeitig. Maximal sind 50 saubere Kilometer (WLTP) drin, die im zügigen Alltag allerdings eher knappen 40 entsprechen.

Volkswagen AG

Die klügste Fahrt ist stets eine Frage des Managements. Der „E-Mode“ lässt sich – bevorzugt in der Innenstadt – auf Knopfdruck aktivieren. Bei längeren Reisen kann man ausreichend Strom reservieren, um später lokal emissionsfrei unterwegs zu sein. An den weltweit immer häufiger werdenden City-Maut-Schildern darf man dann getrost vorbeisäuseln. Allerdings ist auch bei sparsamster Fahrt irgendwann der Akku leer. Kommt Nachschub aus der Steckdose, dauert das fünf Stunden, eine Wallbox presst die Füllung in dreieinhalb in die Zellen. Per App geht das auch mit günstigem Nachtstrom, doch nur bei Saft aus erneuerbarer Energie hat die Umwelt wirklich was davon.

Volkswagen AG

So oder so markiert der eHybrid in Sachen Leistung Platz zwei der Baureihe. Einzig der ebenfalls neue Tiguan R haut als Top-Modell 320 PS in einen intelligenten Triebstrang, bei dem die Kraft nicht nur zwischen den Achsen verteilt wird, sondern per Torque-Splitter auch zwischen den Hinterrädern. Dazu gibt’s eine 18-Zoll-Bremse, einstellbare Dämpfer, Sportsitze, Schaltwippen und eine Taste für den „Race“-Modus. Wer das auch akustisch kundtun will – zum serienmäßigen Auspuff hält VW eine Titan-Alternative des Röhr-Röhren-Spezialisten Akrapovič bereit.

Doch auch beim eHybrid sind Lenkung und Fahrwerk gut gelungen. Mit nicht nur hohen, sondern ausreichend straffen Beinen bewahrt der Stecker-Tiguan selbst in schnellen Kurven Haltung und meistert obendrein Stock und Stein. Zu viel Ungemach allerdings darf unter die bis zu 20 Zoll großen Räder nicht kommen, weil leider kein Allradantrieb im Angebot ist. Wer’s individueller liebt – für gute 1000 Euro Aufpreis lässt sich die Abstimmung von knackig bis Sänfte und wieder zurück regeln.

Volkswagen AG

Platz herrscht vorne wie hinten mehr als genug. Während jedoch oben das digitale Cockpit und lasergeprägter Chic dominieren, hat’s unten ein bisschen viel Plastik. Die Klima-Bedienung erfolgt über Touch-Slider, und natürlich ist man bestens vernetzt. Die Rückbank wird dagegen noch ganz analog nach vorne geschoben, was den Stauraum von 520 auf 615 Liter erweitert. Bei flachgelegter Lehne finden sogar 1,65 Kubikmeter Platz. Und: Achtern dürfen 1,8 Tonnen an den Haken.

Das Angebot an elektronischer Unterstützung ist reichhaltig. Schon in der Basisversion hat’s Helfer für Spur und Bremse, der „Travel Assist“ chauffiert temporär bis Tempo 210, Radarwellen erkennen auch Fußgänger – und im Fall eines Unfalls springt zu deren besserem Schutz die Fronthaube fünf Zentimeter auf. Zum Preis des Tiguan eHybrid hält sich VW noch bedeckt. Mindestens 42.000 Euro wird man aber wohl anlegen müssen. Mit ein bisschen Drum und Dran kriegt man da auch schnell eine Fünf nach vorne. So lieb muss einem das Klima erst einmal sein, dass es einem auch so teuer ist.

Volkswagen AG
worthy pixel img
Wolfgang Plank

Wolfgang Plank

Wolfgang Plank ist freier Journalist und hat ein Faible für Autos, Politik und Motorsport. Tauscht deshalb den Platz am Schreibtisch gerne mal mit dem Schalensitz im Rallyeauto.

Artikel teilen:

Wird geladen...

Ähnliche Artikel

Xpeng G6 Performance: Das kann das neue Lade-Monster

Xpeng G6 Performance: Das kann das neue Lade-Monster

Daniel Krenzer  —  

Wer bei einer Ladepause mit dem Xpeng G6 keine Ladestation mit vollem Akku blockieren möchte, muss sich mitunter sehr beeilen.

Diese 7 leichten E-Autos schaffen mehr als 300 Kilometer am Stück

Diese 7 leichten E-Autos schaffen mehr als 300 Kilometer am Stück

Daniel Krenzer  —  

Leichte E-Autos und eine ordentliche Reichweite schließen sich nicht aus, wie unsere aktuelle Topliste zeigt.

Plenitude: Laden ohne Tarif-Tricks und voller Transparenz

Plenitude: Laden ohne Tarif-Tricks und voller Transparenz

Sebastian Henßler  —  

Plenitude denkt Ladeinfrastruktur als Teil eines Energiesystems. Der Fokus liegt auf Schnellladen, Transparenz und weniger Komplexität für Nutzer.

Mercedes verschärft Sparkurs trotz interner Unruhe

Mercedes verschärft Sparkurs trotz interner Unruhe

Sebastian Henßler  —  

Während Mercedes die Einsparziele beschleunigt, zeigen interne Umfragen Defizite bei Zufriedenheit und Motivation. Der Umbau erhöht den Druck weiter.

Mercedes-Benz besetzt Schlüsselpositionen neu

Mercedes-Benz besetzt Schlüsselpositionen neu

Maria Glaser  —  

Mit den Entscheidungen will der Vorstand das Führungsteam in zentralen Schlüsselbereichen gezielt neu ausrichten.

Audi: Mitarbeiter zweifeln an Tempo der Neuordnung

Audi: Mitarbeiter zweifeln an Tempo der Neuordnung

Sebastian Henßler  —  

Audi unter Druck: Während Gewinne stagnieren und Investitionen steigen, zweifeln viele Beschäftigte am Fortschritt der internen Neuorganisation der Entwicklung.