Er ist das erfolgreichste SUV Europas, und mit mehr als 900.000 Exemplaren 2019 hat er sogar den Golf überflügelt. Diese Spitzenposition im VW-Konzern soll der Tiguan behalten – nur besser aussehen soll er dabei. Die neue Front mit wuchtigerer Haube, breiterem Grill und LED-Licht rückt den 4,50 Meter langen Tiguan optisch noch näher an den Touareg heran.
Gleichwohl sieht Wolfsburgs Jüngster nicht so aus, als wolle er unbedingt vom rechten Weg abkommen. Auch in aufgefrischter zweiter Generation ist er weniger eine Einladung an Förster und Fischer als an Kunden, die das Gehobene schätzen, wenn sie zu Kita, Büro und Supermarkt rollen – üblicherweise ist ja nur in Ausnahmefällen mal ein Parkplatz mit Kies feinster Körnung dabei. Trotzdem bleibt der Tiguan auch ein Arbeiter. Da befindet er sich in guter Tradition zum großen Bruder.
Vor allem aber steht der geliftete Tiguan auch unter Strom. Zu diversen Dieseln (122 bis 200 PS) und Benzinern (130 und 150 PS) gesellt sich nun ein Doppelherz, bei dem der Motor mit Kolben 150 PS beisteuert, der mit Wicklung 115. Macht 245 im Zusammenspiel und per „GTE-Taste“ ordentlich Druck nach vorne. Vorteil: Man ist die Sorge des Strom-Ausfalls los. Manko: doppelte Technik und keine Reserveradwanne mehr.
Gedacht allerdings ist der Tiguan eHybrid für sanftes Dahingleiten: Flaute im Brennraum und Vortrieb einzig aus dem 13 kWh fassenden Akku bei höchstens Tempo 130. Das optionale Navi berechnet anhand der Topographie die effizienteste Route – und hilft auch während der Fahrt. Wäre ja unsinnig, vor Ortsschild oder Abzweig noch zu beschleunigen. Wolfsburgs Jüngster weiß es besser – und verzögert rechtzeitig. Maximal sind 50 saubere Kilometer (WLTP) drin, die im zügigen Alltag allerdings eher knappen 40 entsprechen.
Die klügste Fahrt ist stets eine Frage des Managements. Der „E-Mode“ lässt sich – bevorzugt in der Innenstadt – auf Knopfdruck aktivieren. Bei längeren Reisen kann man ausreichend Strom reservieren, um später lokal emissionsfrei unterwegs zu sein. An den weltweit immer häufiger werdenden City-Maut-Schildern darf man dann getrost vorbeisäuseln. Allerdings ist auch bei sparsamster Fahrt irgendwann der Akku leer. Kommt Nachschub aus der Steckdose, dauert das fünf Stunden, eine Wallbox presst die Füllung in dreieinhalb in die Zellen. Per App geht das auch mit günstigem Nachtstrom, doch nur bei Saft aus erneuerbarer Energie hat die Umwelt wirklich was davon.
So oder so markiert der eHybrid in Sachen Leistung Platz zwei der Baureihe. Einzig der ebenfalls neue Tiguan R haut als Top-Modell 320 PS in einen intelligenten Triebstrang, bei dem die Kraft nicht nur zwischen den Achsen verteilt wird, sondern per Torque-Splitter auch zwischen den Hinterrädern. Dazu gibt’s eine 18-Zoll-Bremse, einstellbare Dämpfer, Sportsitze, Schaltwippen und eine Taste für den „Race“-Modus. Wer das auch akustisch kundtun will – zum serienmäßigen Auspuff hält VW eine Titan-Alternative des Röhr-Röhren-Spezialisten Akrapovič bereit.
Doch auch beim eHybrid sind Lenkung und Fahrwerk gut gelungen. Mit nicht nur hohen, sondern ausreichend straffen Beinen bewahrt der Stecker-Tiguan selbst in schnellen Kurven Haltung und meistert obendrein Stock und Stein. Zu viel Ungemach allerdings darf unter die bis zu 20 Zoll großen Räder nicht kommen, weil leider kein Allradantrieb im Angebot ist. Wer’s individueller liebt – für gute 1000 Euro Aufpreis lässt sich die Abstimmung von knackig bis Sänfte und wieder zurück regeln.
Platz herrscht vorne wie hinten mehr als genug. Während jedoch oben das digitale Cockpit und lasergeprägter Chic dominieren, hat’s unten ein bisschen viel Plastik. Die Klima-Bedienung erfolgt über Touch-Slider, und natürlich ist man bestens vernetzt. Die Rückbank wird dagegen noch ganz analog nach vorne geschoben, was den Stauraum von 520 auf 615 Liter erweitert. Bei flachgelegter Lehne finden sogar 1,65 Kubikmeter Platz. Und: Achtern dürfen 1,8 Tonnen an den Haken.
Das Angebot an elektronischer Unterstützung ist reichhaltig. Schon in der Basisversion hat’s Helfer für Spur und Bremse, der „Travel Assist“ chauffiert temporär bis Tempo 210, Radarwellen erkennen auch Fußgänger – und im Fall eines Unfalls springt zu deren besserem Schutz die Fronthaube fünf Zentimeter auf. Zum Preis des Tiguan eHybrid hält sich VW noch bedeckt. Mindestens 42.000 Euro wird man aber wohl anlegen müssen. Mit ein bisschen Drum und Dran kriegt man da auch schnell eine Fünf nach vorne. So lieb muss einem das Klima erst einmal sein, dass es einem auch so teuer ist.