Hat VW seine Tochter Cariad bei Rivian-Deal übergangen?

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Rivian

Daniel Krenzer
Daniel Krenzer
  —  Lesedauer 3 min

Dass der deutsche Automobilhersteller Volkswagen milliardenschwer beim US-amerikanischen Elektroauto-Start-Up Rivian einsteigt und es dabei ganz zentral um Software-Themen geht, sorgt offenbar bei der VW-eigenen Software-Tochter für lange Gesichter. Bei Cariad habe die Nachricht „für Bestürzung gesorgt, da die Top-Führungskräfte durch den plötzlichen Strategiewechsel kaltgestellt wurden“, schreibt die Financial Times (FT).

Bei Cariad lief in den vergangenen Jahren vieles nicht so, wie es sich Volkswagen erhofft hatte. Die Folge waren höhere Kosten und verspätete Marktstarts von mehreren Elektroautos innerhalb der VW-Gruppe. „Peter Bosch, der letztes Jahr eingestellt wurde, um Cariad wieder auf Kurs zu bringen, war nicht an den Gesprächen beteiligt, die zu dem Deal führten„, schreibt die FT nun mit Blick auf den Rivian-Deal, den sich VW wohl fünf Milliarden US-Dollar (4,5 Milliarden Euro) kosten lässt.

Das Cariad-Team habe vom Deal aus den Medien erfahren und sei nicht eingebunden oder zumindest vorab informiert gewesen, heißt es weiterhin im Artikel. Ein ehemaliger Rivian-Manager, der erst kürzlich zu VW gewechselt war, musste seine Arbeit an Software-Themen demnach einstellen. Womöglich wird er mit seinem Team nun dem neuen Joint Venture mit seinem ehemaligen Arbeitgeber zugeführt. Bei den etwa 6000 Mitarbeitern von Cariad herrsche derzeit wegen der Vorgänge große Verärgerung und Frustration. Viele Mitarbeiter sprechen von Chaos und gehen davon aus, dass der Deal mit Rivian das Ende der Softwaresparte Cariad nach sich ziehen wird.

Die Software-Wende oder ein Milliardengrab?

Volkswagen gab indes bislang nur an, dass der Deal perfekt zur eigenen Software-Strategie passen würde und es das Ziel sei, damit die Kosten pro Auto spürbar zu reduzieren. Die FT merkt allerdings an, dass der Erfolg von Cariad vor allem an bürokratischen Hürden gescheitert sei. Und es sei nicht auszuschließen, dass auch das neue Joint Venture mit Rivian an diesen Hindernissen hängen bleiben könnte. Diese Sorge teilt aber Rivian-Geschäftsführer RJ Scaringe nicht, der dem Artikel zufolge sagte: „Sie würden keine fünf Milliarden Dollar für Rivian ausgeben, wenn sie nicht wollten, dass alles so weiterläuft wie bisher.“

Volkswagen steckt derzeit in einer Krise, bei der erstmals in der Unternehmensgeschichte auch Werksschließungen eine realistische Option zu sein scheinen. Die Gewerkschaften sind bereits auf größere Auseinandersetzungen mit VW vorbereitet, und auch der Umgang mit Cariad trägt derzeit offenbar wenig zum Seelenfrieden bei. „Fünf Milliarden Euro für ein US-amerikanisches Start-up und hier in Deutschland . Sie wollen uns unserer Perspektiven berauben“, sagte Betriebsratschefin Daniela Cavallo dem Bericht zufolge bei der Betriebsversammlung. Sie befürchte, dass VW sich damit ein weiteres Milliardengrab schaufele.

Quelle: Financial Times – Volkswagen’s $5bn Rivian tie-up prompts dismay at software division

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Daniel Krenzer

Daniel Krenzer

Daniel Krenzer ist als studierter Verkehrsgeograf und gelernter Redakteur seit mehr als zehn Jahren auch als journalistischer Autotester mit Fokus auf alternative Antriebe aktiv und hat sich zudem 2022 zum IHK-zertifizierten Berater für E-Mobilität und alternative Antriebe ausbilden lassen.

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Stefan:

Nicht Google übernehmen sondern Google Cars nutzen.

Kilian:

Die Anzahl an Software Entwickeln ist nicht so wichtig. Da zählt eindeutig Qualität statt Quantität. Viele Köche verderben den Brei.

Philipp:

Ich glaube kaum, dass Google irgendein Interesse am Verkauf hätte. Hat Google überhaupt schon nennenswert Software ausgegliedert und verkauft?

Wolfbrecht Gösebert:

„Leider haben die Marken die aktuelle Technik vor Gründung der CARIAD bereits nach außen vergeben.“

Ja, die jeweiligen Zulieferer hatten – wie bei der Verbrennertechnik praktisch üblich – zwar ein Pflichtenheft, aber die ‚Hoheit‘ über die Steuergeräte/-Software. Das rächt sich nun bei der heute geforderten „Totalvernetzung“ aller Systeme und ganz besonders dann, wenn stetig neue Anforderungen=Software-Updates für das gesamte Fahrzeug nachgeschoben werden.

Während mein kleines EV von 2010/2013 noch mit insgesamt 8 Steuergeräten auskam, können es anderswo auch schon mal 40 oder gar mehr (?) sein, die ggf. alle aufeinander abgestimmte Updates brauchen. So kommt es schon im Vorwege zu einem enormen Abstimmungs-Aufwand und dann ggf. zu stundenlangen Udates … evtl. sogar „Over-The-Autohouse“ :(

Whistle Blower:

Leider haben die Marken die aktuelle Technik vor Gründung der CARIAD bereits nach außen vergeben.
Dass man natürlich nicht die beim Endkunden bekannte Marke beschädigen will sorgt zusätzlich dafür, dass die Probleme öffentlich gerne der CARIAD angelastet werden.

heinr:

Die Typen die heute üblicherweise in den Führungsetagen sitzen sind meiner Meinung nach ohne jede Weitsicht und völlig Verantwortungslos. Diese Zahlenmenschen kriegen jeden Konzern zerstört.

Wolfbrecht Gösebert:

Aus dem Artikel:
„Dass der deutsche Automobilhersteller Volkswagen milliardenschwer beim US-amerikanischen Elektroauto-Start-Up Rivian einsteigt und es dabei ganz zentral um Software-Themen geht, sorgt offenbar bei der VW-eigenen Software-Tochter für lange Gesichter.“

»Lange Gesichter« und KONSEQUENZEN daraus hätte es bei Cariad schon (sehr) lange geben müssen – oder sollte dort NIEMAND gemerkt haben, dass der Laden mit seinen Zeitzielen vorne und hinten, oben und unten im Rückstand ist?

Cariad ist für den Konzern so richtig zum “Nadelöhr” für dringend benötigte, neue Plattform-/Fahrzeug-Technik geworden. So hat sich der Markteintritt für E-Autos von Porsche und Audi dadurch schon mehr krass verspätet – wohl schon 3 Jahre oder mehr …

Gregor:

bei 6000 Personen bei Cariad gehe ich davon aus, dass hier das komplette System gemeint ist.
Server Infrastruktur für die Datenverbindung zu den Kfz.
Datenpflege der Kfz.
Updates der Steuergeräte im Auto (was für eine Maschinenbau Firma quasi unmöglich sein muss)
Und etwas Infotainment.
Dazu noch Gesetzliche Anforderungen wie der eCall bei Unfällen.

ThoSt:

6000 Leute bei Cariad. Was machen die alle? Beantworten die die REST API calls der Autos händisch? Das würde die Latenz erklären…

Niklas Maurus:

Für 13 Milliarden hätte man Rivian komplett übernehmen können und den Plan der US Eroberung mit Scout (Milliardengrab) beerdigen können. Rivian hat fertige Produkte in der Pipeline und auch viel Technik. Beim Softwaresystem hätte man einfach nur Google Car übernehmen sollen und nicht am eigenen System basteln.

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