Dass der deutsche Automobilhersteller Volkswagen milliardenschwer beim US-amerikanischen Elektroauto-Start-Up Rivian einsteigt und es dabei ganz zentral um Software-Themen geht, sorgt offenbar bei der VW-eigenen Software-Tochter für lange Gesichter. Bei Cariad habe die Nachricht “für Bestürzung gesorgt, da die Top-Führungskräfte durch den plötzlichen Strategiewechsel kaltgestellt wurden”, schreibt die Financial Times (FT).
Bei Cariad lief in den vergangenen Jahren vieles nicht so, wie es sich Volkswagen erhofft hatte. Die Folge waren höhere Kosten und verspätete Marktstarts von mehreren Elektroautos innerhalb der VW-Gruppe. “Peter Bosch, der letztes Jahr eingestellt wurde, um Cariad wieder auf Kurs zu bringen, war nicht an den Gesprächen beteiligt, die zu dem Deal führten“, schreibt die FT nun mit Blick auf den Rivian-Deal, den sich VW wohl fünf Milliarden US-Dollar (4,5 Milliarden Euro) kosten lässt.
Das Cariad-Team habe vom Deal aus den Medien erfahren und sei nicht eingebunden oder zumindest vorab informiert gewesen, heißt es weiterhin im Artikel. Ein ehemaliger Rivian-Manager, der erst kürzlich zu VW gewechselt war, musste seine Arbeit an Software-Themen demnach einstellen. Womöglich wird er mit seinem Team nun dem neuen Joint Venture mit seinem ehemaligen Arbeitgeber zugeführt. Bei den etwa 6000 Mitarbeitern von Cariad herrsche derzeit wegen der Vorgänge große Verärgerung und Frustration. Viele Mitarbeiter sprechen von Chaos und gehen davon aus, dass der Deal mit Rivian das Ende der Softwaresparte Cariad nach sich ziehen wird.
Die Software-Wende oder ein Milliardengrab?
Volkswagen gab indes bislang nur an, dass der Deal perfekt zur eigenen Software-Strategie passen würde und es das Ziel sei, damit die Kosten pro Auto spürbar zu reduzieren. Die FT merkt allerdings an, dass der Erfolg von Cariad vor allem an bürokratischen Hürden gescheitert sei. Und es sei nicht auszuschließen, dass auch das neue Joint Venture mit Rivian an diesen Hindernissen hängen bleiben könnte. Diese Sorge teilt aber Rivian-Geschäftsführer RJ Scaringe nicht, der dem Artikel zufolge sagte: „Sie würden keine fünf Milliarden Dollar für Rivian ausgeben, wenn sie nicht wollten, dass alles so weiterläuft wie bisher.“
Volkswagen steckt derzeit in einer Krise, bei der erstmals in der Unternehmensgeschichte auch Werksschließungen eine realistische Option zu sein scheinen. Die Gewerkschaften sind bereits auf größere Auseinandersetzungen mit VW vorbereitet, und auch der Umgang mit Cariad trägt derzeit offenbar wenig zum Seelenfrieden bei. “Fünf Milliarden Euro für ein US-amerikanisches Start-up und hier in Deutschland . Sie wollen uns unserer Perspektiven berauben“, sagte Betriebsratschefin Daniela Cavallo dem Bericht zufolge bei der Betriebsversammlung. Sie befürchte, dass VW sich damit ein weiteres Milliardengrab schaufele.
Quelle: Financial Times – Volkswagen’s $5bn Rivian tie-up prompts dismay at software division