Volkswagen zieht die Konsequenzen aus jahrelangen Rückschlägen bei seiner Software-Tochter Cariad. Statt weiter auf eigene Entwicklung zu setzen, öffnet sich der Konzern strategischen Partnerschaften. Konzernchef Oliver Blume sprach in München von einem „klaren Kurswechsel“, der die Rolle von Cariad neu definiert, wie heise.de berichtet. Künftig soll die Einheit externe Technologien bündeln – vor allem von Rivian in den USA und Xpeng in China – und sie in die Modelle der verschiedenen Marken integrieren.
Die Entscheidung markiert das Ende einer Phase, in der Volkswagen glaubte, die digitale Infrastruktur seiner Autos komplett selbst aufbauen zu können. Unter Blumes Vorgänger Herbert Diess hatte die ehrgeizige Softwarestrategie zu massiven Verzögerungen geführt. Modelle wie der Porsche Macan Electric oder der Audi Q6 e-tron kamen Jahre später als geplant auf den Markt. Beide starten nun mit einer Plattform, die bereits in Zusammenarbeit mit externen Partnern entwickelt wurde.
Blume spricht von einem Wandel „vom Machen zum Kaufen“. Volkswagen verabschiedet sich damit von der Idee, eine eigene, konzernweite Software-Architektur aufzubauen. Stattdessen rückt Cariad in die Rolle eines Systemintegrators, der die unterschiedlichen Technologien zusammenführt. Laut internen Angaben konzentriert sich die Einheit künftig auf die Pflege bestehender Plattformen sowie auf zentrale Themen wie automatisiertes Fahren, Infotainment, Cloud-Dienste und die Vernetzung zwischen Auto und Infrastruktur.
Der Umbau von Cariad war kostspielig. Rund 400 Millionen Euro belasteten das Ergebnis, ein Großteil davon entfiel auf Audi und Cariad selbst. Dennoch sieht Peter Bosch, der Chef der Softwaretochter, die Umstrukturierung als Erfolg. Innerhalb von zwei Jahren habe man den Übergang zu einem neuen Modell geschafft, das auf Zusammenarbeit statt auf Abschottung setze.
Cariad ordnet Ausrichtung neu – Fokus auf Synergien und Integration
Doch der neue Kurs hat Nebenwirkungen. Das Team, das ursprünglich an einer eigenen Software-Architektur arbeitete, wurde weitgehend aufgelöst. Viele Mitarbeitende wechselten den Arbeitgeber, darunter auch der einst von Rivian abgeworbene Softwareingenieur Sanjay Lal. Offiziell heißt es aus Wolfsburg, man habe die Zusammenarbeit zwischen Cariad und den Marken neu geordnet. Die Tochter bleibe ein zentraler Baustein für die konzernweite Skalierung, ihr Fokus liege nun auf Synergien und Integration.
Für Blume ist die Neuausrichtung ein notwendiger Schritt, um wieder Anschluss an die Konkurrenz zu finden. „Wir wollen nicht alles selbst können, sondern das Beste aus verschiedenen Welten kombinieren“, heißt es aus Konzernkreisen. Analysten sehen in der Neupositionierung durchaus Logik: Cariad bleibt als „Gatekeeper“ bestehen, während spezialisierte Partner Tempo und Qualität bringen sollen. Doch es gibt auch Skepsis. Die zugesagte Investition von über fünf Milliarden US-Dollar – umgerechnet rund 4,25 Milliarden Euro – in Rivian birgt Abhängigkeitsrisiken. Noch ist unklar, wie die Arbeitsteilung konkret aussehen wird und wann Rivian Kapazitäten für VW-Modelle frei hat.
Mit dem Abschied von der Eigenentwicklung verabschiedet sich Volkswagen auch ein Stück weit von seinem alten Selbstverständnis. Statt Kontrolle über alle Prozesse zu behalten, geht es um Geschwindigkeit, Anschluss und Skaleneffekte.
Quelle: Heise.de – Cariad: VW-Tochter stellt eigene Software-Entwicklung weitgehend ein