Volkswagen krempelt Cariad radikal zum Integrator um

Cover Image for Volkswagen krempelt Cariad radikal zum Integrator um
Copyright ©

Volkswagen

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 3 min

Volkswagen zieht die Konsequenzen aus jahrelangen Rückschlägen bei seiner Software-Tochter Cariad. Statt weiter auf eigene Entwicklung zu setzen, öffnet sich der Konzern strategischen Partnerschaften. Konzernchef Oliver Blume sprach in München von einem „klaren Kurswechsel“, der die Rolle von Cariad neu definiert, wie Heise.de berichtet. Künftig soll die Einheit externe Technologien bündeln – vor allem von Rivian in den USA und Xpeng in China – und sie in die Modelle der verschiedenen Marken integrieren.

Die Entscheidung markiert das Ende einer Phase, in der Volkswagen glaubte, die digitale Infrastruktur seiner Autos komplett selbst aufbauen zu können. Unter Blumes Vorgänger Herbert Diess hatte die ehrgeizige Softwarestrategie zu massiven Verzögerungen geführt. Modelle wie der Porsche Macan Electric oder der Audi Q6 e-tron kamen Jahre später als geplant auf den Markt. Beide starten nun mit einer Plattform, die bereits in Zusammenarbeit mit externen Partnern entwickelt wurde.

Blume spricht von einem Wandel „vom Machen zum Kaufen“. Volkswagen verabschiedet sich damit von der Idee, eine eigene, konzernweite Software-Architektur aufzubauen. Stattdessen rückt Cariad in die Rolle eines Systemintegrators, der die unterschiedlichen Technologien zusammenführt. Laut internen Angaben konzentriert sich die Einheit künftig auf die Pflege bestehender Plattformen sowie auf zentrale Themen wie automatisiertes Fahren, Infotainment, Cloud-Dienste und die Vernetzung zwischen Auto und Infrastruktur.

Der Umbau von Cariad war kostspielig. Rund 400 Millionen Euro belasteten das Ergebnis, ein Großteil davon entfiel auf Audi und Cariad selbst. Dennoch sieht Peter Bosch, der Chef der Softwaretochter, die Umstrukturierung als Erfolg. Innerhalb von zwei Jahren habe man den Übergang zu einem neuen Modell geschafft, das auf Zusammenarbeit statt auf Abschottung setze.

Cariad ordnet Ausrichtung neu – Fokus auf Synergien und Integration

Doch der neue Kurs hat Nebenwirkungen. Das Team, das ursprünglich an einer eigenen Software-Architektur arbeitete, wurde weitgehend aufgelöst. Viele Mitarbeitende wechselten den Arbeitgeber, darunter auch der einst von Rivian abgeworbene Softwareingenieur Sanjay Lal. Offiziell heißt es aus Wolfsburg, man habe die Zusammenarbeit zwischen Cariad und den Marken neu geordnet. Die Tochter bleibe ein zentraler Baustein für die konzernweite Skalierung, ihr Fokus liege nun auf Synergien und Integration.

Für Blume ist die Neuausrichtung ein notwendiger Schritt, um wieder Anschluss an die Konkurrenz zu finden. „Wir wollen nicht alles selbst können, sondern das Beste aus verschiedenen Welten kombinieren“, heißt es aus Konzernkreisen. Analysten sehen in der Neupositionierung durchaus Logik: Cariad bleibt als „Gatekeeper“ bestehen, während spezialisierte Partner Tempo und Qualität bringen sollen. Doch es gibt auch Skepsis. Die zugesagte Investition von über fünf Milliarden US-Dollar – umgerechnet rund 4,25 Milliarden Euro – in Rivian birgt Abhängigkeitsrisiken. Noch ist unklar, wie die Arbeitsteilung konkret aussehen wird und wann Rivian Kapazitäten für VW-Modelle frei hat.

Mit dem Abschied von der Eigenentwicklung verabschiedet sich Volkswagen auch ein Stück weit von seinem alten Selbstverständnis. Statt Kontrolle über alle Prozesse zu behalten, geht es um Geschwindigkeit, Anschluss und Skaleneffekte.

Quelle: Heise.de – Cariad: VW-Tochter stellt eigene Software-Entwicklung weitgehend ein

worthy pixel img
Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

Artikel teilen:

Kommentare (Wird geladen...)

Ähnliche Artikel

Cover Image for Warum die Deutschlandnetz-Preise „marktüblich“ sind

Warum die Deutschlandnetz-Preise „marktüblich“ sind

Sebastian Henßler  —  

Bei Preisen wird auf Marktlogik und AFIR verwiesen. Roaming bleibt ein Problem, doch neue Meldepflichten sollen Transparenz schaffen und Ad-hoc-Laden stärken.

Cover Image for E-Transporter Kia PV5 ist „International Van of the Year“

E-Transporter Kia PV5 ist „International Van of the Year“

Michael Neißendorfer  —  

Der seit 1992 vergebene Award gilt als die weltweit renommierteste Auszeichnung im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge, den nun erstmals Kia gewinnt.

Cover Image for 308 verschiedene Preise: ACE kritisiert Ladepreis-Chaos

308 verschiedene Preise: ACE kritisiert Ladepreis-Chaos

Daniel Krenzer  —  

Das Laden von E-Autos ist zu teuer, sagt der Auto Club – und macht dies an einer fragwürdigen Testfahrt durch Deutschland und tendenziösen Berechnungen fest.

Cover Image for Wie kann das E-Auto-Laden im Mehrparteienhaus besser gelingen?

Wie kann das E-Auto-Laden im Mehrparteienhaus besser gelingen?

Michael Neißendorfer  —  

Wie Wohnungswirtschaft und Bewohnende zum Ausbau der Ladeinfrastruktur stehen, untersucht eine aktuelle Studie unter Leitung des Fraunhofer ISI.

Cover Image for Neue Wasserstoff-Allianz will Tankstellen-Ausbau vorantreiben

Neue Wasserstoff-Allianz will Tankstellen-Ausbau vorantreiben

Michael Neißendorfer  —  

Sechs führende europäische Betreiber von Wasserstofftankstellen haben sich zur H2 Infrastructure Alliance zusammengeschlossen, um den Ausbau der Wasserstoffmobilität zu beschleunigen, nachdem zuletzt viele Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland abgebaut wurden und von einst 100 aktuell nur noch etwa 80 übrig geblieben sind. Die Allianz betont auch die entscheidende Bedeutung der Verfügbarkeit von Fahrzeugmodellen. Ziel der Lobbyvereinigung es, […]

Cover Image for Renault bringt Elektro-Lkw für die Langstrecke

Renault bringt Elektro-Lkw für die Langstrecke

Michael Neißendorfer  —  

Renault Trucks erweitert seine E-Tech T Serie an Elektro-Lkw: neu sind der E-Tech T 585 und der E-Tech T 780, der mit einer Ladung bis zu 600 km weit kommt.