Im Rahmen eines ausführlichen Gesprächs mit Electrive hat Johannes Pallasch, Leiter der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, die zentrale Rolle des Deutschlandnetzes für den künftigen Schnellladeausbau in Deutschland erläutert. Das Interview zeigt, wie stark das Projekt als strategische Ergänzung zum marktgetriebenen Ausbau verstanden wird und welche Herausforderungen beim Aufbau flächendeckender Ladeinfrastruktur bestehen.
Pallasch beschreibt das Deutschlandnetz als bewusst gesetzten Gegenpol zur aktuellen Marktdynamik, bei der sich private Betreiber auf besonders lukrative Standorte konzentrieren. „Man kann beobachten, dass sich der Ausbau an sehr interessanten Standorten ballt“, sagt er. Das staatliche Projekt soll dagegen Regionen erschließen, die ohne Eingriff kaum Ladeangebote erhalten würden. „Das Deutschlandnetz geht dahin, wo wir vermuten, dass es nicht nur heute, sondern auch perspektivisch Lücken geben würde.“ Gemeint sind strukturschwache Flächen in Norddeutschland, Teile der Pfalz oder Mecklenburg-Vorpommern – inklusive touristischer Gebiete, die saisonal hohe Nachfrage haben, aber wirtschaftlich schwer planbar sind.
Identifiziert wurden diese Lücken über eine umfassende Analyse bestehender Schnellladehubs. Dabei sei entscheidend gewesen, bestehende Standorte privater Anbieter nicht zu gefährden. Statt klassischer Förderung, die Investoren weitgehend freie Standortwahl lässt, setzte der Bund daher auf eine Ausschreibung mit klar definierten Suchräumen und Größenklassen. Pallasch spricht von einem bewusst angelegten Wettbewerbsrahmen: „Die Summe sollte nicht nur an einen Player gehen. Wir wollten innerhalb des Deutschlandnetzes eine möglichst breite Wettbewerbslandschaft.“ Überlappende Regionallose sorgen dabei für Redundanz und sollen Druck auf die Preise ausüben.
Warum 1000 Standorte ein neues Ladebild formen sollen
Das gesamte Deutschlandnetz umfasst rund 1000 geplante Schnellladestandorte – etwa 900 in der Fläche sowie rund 200 entlang der Autobahnen. Während im Regionalnetz flexible Suchräume definiert wurden, basieren die Autobahnstandorte auf festen Vorgaben. Beide Projektteile firmieren gemeinsam unter dem Begriff Deutschlandnetz. Die Idee der Autobahnstandorte sei aus einer früheren „Ladelücke“ zwischen Berlin und Leipzig entstanden: „Wir mussten Ladestandorte wie an einer Perlenkette anbieten und kamen dann auf 200 Autobahnstandorte.“
Mit Blick auf den aktuellen Fortschritt zeigt sich Pallasch optimistisch. Der 100. Regionalstandort ist bereits in Betrieb, weitere 100 sollen noch in diesem Jahr folgen. 2025 rechnet er mit 400 bis 500 zusätzlichen Eröffnungen. „Nächstes Jahr werden jede Woche vier, fünf Standorte eröffnen.“ Die ursprüngliche Zielmarke für Ende 2026 werde allerdings nicht vollständig erreicht: Der Großteil stehe bis dahin, vereinzelte Standorte könnten sich jedoch „bis 2027, in wenigen Fällen bis 2028“ verzögern – vor allem wegen Herausforderungen bei Netzanschlüssen.
Positiv sieht Pallasch die Rückmeldungen aus ländlichen Regionen. Dort verlaufe der Ausbau überdurchschnittlich gut, weil Kommunen häufig froh seien, dass überhaupt Infrastruktur entsteht. In Großstädten und Stadtstaaten sei der Prozess dagegen deutlich zäher. „In Berlin, Hamburg und Bremen hatten wir bisher noch keine Inbetriebnahme.“ Flächenknappheit bleibe ein branchenweites Problem und werde auch künftig Zeit kosten.
Warum 95 Prozent Standorttreffer ein starkes Signal sind
Mit einer Umsetzungsquote von 95 Prozent – für nahezu alle Suchräume liegen konkrete Standortvorschläge vor – sieht Pallasch die Ausschreibung als deutlich effektiver an als frühere Förderprogramme. Durch die Ausschreibung würden die bereitgestellten Mittel konsequenter abgerufen, während bei klassischen Förderungen häufig ein relevanter Anteil ungenutzt bleibe. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Standorte sei bewusst langfristig angelegt. Manche Plätze würden zunächst schwach ausgelastet sein, später aber essenziell für den touristischen und regionalen Verkehr. „Wir überbrücken die wirtschaftlich schwere Phase, bis solche Standorte selbsttragend sind.“
Ein großer Teil des Interviews widmet sich der Kosten- und Preislogik. Das Deutschlandnetz sei keine klassische Förderung, betont Pallasch. Betreiber errichten die Ladeparks im Auftrag des Bundes, der im Gegenzug einen Großteil des Auslastungsrisikos trägt. Einnahmen werden zwischen Betreiber und Bund geteilt. Erst nach acht Jahren werde daher sichtbar, wie hoch der tatsächliche Zuschuss für ein Los ausfällt. „Unterm Strich wird es für den Steuerzahler wohl günstiger sein als eine klassische Förderung“, so Pallasch.
Streit um Preise, Roaming und die Rolle der EU
Die früher diskutierte Preisobergrenze von 44 Cent pro Kilowattstunde wurde während der EU-Notifizierung angepasst. Betreiber müssen marktübliche Preise verlangen, was laut Pallasch der aktuellen Bandbreite von etwa 49 bis 79 Cent entspricht. Überhöhte Roamingpreise seien kein Effekt des Deutschlandnetzes: „Der EMP kann daraus machen, was er will.“ Mit der AFIR komme 2025 zudem eine verpflichtende digitale Preis- und Standortmeldung, die das Ad-hoc-Laden attraktiver und die Markttransparenz deutlich höher machen werde.
Pallasch betont außerdem, dass die Ausschreibung Impulse für Qualitätsverbesserungen gesetzt habe. Eine davon sei die flächendeckende Überdachung von Ladehubs. „Bevor wir kamen, wurde oft gesagt, die Ladeparks brauchen kein Dach.“ Mittlerweile setzten auch Betreiber außerhalb des Deutschlandnetzes vermehrt auf wettergeschützte Anlagen. Besonders freue er sich über große, gut sichtbare Standorte entlang der Autobahn: „Die bescheren der Ladeinfrastruktur eine super Sichtbarkeit.“
Quelle: electrive – „Wir betreiben ein Stück weit auch Strukturpolitik“ – Johannes Pallasch über das Deutschlandnetz







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