Verkehrswende-Radar: Autoverkehr stagniert, ÖPNV legt kräftig zu

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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Nach leichten Zuwächsen im ersten Halbjahr 2025 liegt der Autoverkehr in Deutschland mittlerweile nur noch knapp unter dem Stand von vor der Corona-Pandemie. Im öffentlichen Verkehr haben sowohl die Verkehrsleistung als auch das Fahrgastaufkommen im gleichen Zeitraum zum Teil deutlich zugenommen. Die pro Person gefahrenen Kilometer erreichen bei S-Bahnen und Regionalzügen (Nahverkehr Schiene) mittlerweile 119 Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau, im Fernverkehr Schiene knapp 113 Prozent. Die Fahrgastzahlen liegen zum ersten Mal sowohl im Nahverkehr auf Schiene und Straße als auch im Schienenfernverkehr wieder bei 100 Prozent oder mehr. Das zeigt die aktuelle Ausgabe des Verkehrswende-Radars, einer vierteljährlich erscheinenden Datenanalyse des Thinktanks Agora Verkehrswende.

„Der Blick auf Deutschlands Verkehrsdaten ist ernüchternd“, sagt Dr. Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende. „Spürbare Effekte auf das Mobilitätsverhalten hatte in den letzten Jahren allein das Deutschlandticket. Effekte auf das Pkw-Aufkommen durch die Nutzung von Home-Office sind kaum mehr erkennbar. Das ist zu wenig für eine Bundesregierung, die ihrer Verantwortung für Gesellschaft, Wirtschaft und Klima gerecht werden will. Mit dem Klimaschutzprogramm, das die Bundesregierung gerade erarbeitet, hat sie die Gelegenheit, ihre Strategie für einen klimaneutralen Verkehrssektor bis 2045 festzulegen.“

Trotz des Anstiegs des Pkw-Aufkommens zeigt die Analyse weiterhin Anzeichen für eine schwächere individuelle Pkw-Nutzung. Schließlich liegt das Pkw-Aufkommen auf Autobahnen mit 99,5 Prozent immer noch leicht unter dem Vergleichsquartal von 2019, auf Bundesstraßen bei 97,7 Prozent, obwohl seitdem der Fahrzeugbestand kontinuierlich angewachsen ist – um 2,5 Millionen (plus 4,9 Prozent) auf insgesamt 49,5 Millionen Pkw. Einen Grund dafür, dass pro Auto weniger gefahren wird, sieht Agora Verkehrswende in den seit der Corona-Pandemie erweiterten Möglichkeiten, zu Hause zu arbeiten.

Auffallend sind demnach die hohen Werte für die Personenkilometer im öffentlichen Verkehr, vor allem im Regional- und Fernverkehr auf der Schiene. Hoch sind die Werte nicht nur im Vergleich zu 2019, sondern auch im Vergleich zum Fahrgastaufkommen. Diejenigen, die den öffentlichen Verkehr nutzen, legen also im Durchschnitt längere Strecken zurück als früher. Verschiedene Studien legen nahe, dass diese Zuwächse zu einem erheblichen Teil auf das Deutschlandticket zurückzuführen sind.

Neue Zahlen zur Verfügbarkeit von E-Autos und zum Fahrradverkehr

Zum ersten Mal weist der Verkehrswende-Radar Kennzahlen zum Radverkehr aus. Auf Alltagsrouten schwankte das Radverkehrsaufkommen an Werktagen seit 2020 um das Vor-Corona-Niveau und lag Mitte 2025 bei 103 Prozent. Auf Freizeitrouten lag der Radverkehr an Wochenenden seit Anfang 2020 die meiste Zeit über dem Vor-Corona-Niveau, zum Teil mit starken witterungsbedingten Schwankungen. Insbesondere in Zeiten des Lockdowns war Radfahren eine wichtige Möglichkeit, sich an der frischen Luft zu bewegen. Im zweiten Quartal 2025 sank der Radverkehr auf Freizeitrouten aber unter den Vergleichswert von 2019.

Dr. Philine Gaffron, Projektleiterin bei Agora Verkehrswende: „Ein nachhaltiger Trend zu mehr Radverkehr lässt sich aus diesen Zahlen nicht ablesen. Von dem im Nationalen Radverkehrsplan angestrebten Ziel, die mit dem Fahrrad gefahrenen Wege im Zeitraum von 2017 bis 2030 um 50 Prozent zu erhöhen, ist Deutschland weit entfernt.“

Auch zur Verfügbarkeit von Elektroautos bietet der Verkehrswende-Radar neue Kennzahlen. Dafür wurden die Listenpreise auf Basis von Marktdaten des ADAC ausgewertet. So lässt sich zeigen, dass die Preisspannen für E-Autos in allen Segmenten größer werden und dass die Zahl der Modelle in fast allen Preisklassen wächst. Insbesondere in den kleineren Fahrzeugsementen und unteren Preisklassen gibt es aus Sicht von Agora Verkehrswende aber weiterhin viel Potenzial für ein größeres Angebot.

Der Anteil batterieelektrischer Fahrzeuge am Bestand aller in Deutschland zugelassenen Pkw steigt seit Mitte 2022 schneller als jener von Plug-in-Hybriden. Der ohnehin geringe Anteil von Gas-Pkw sinkt in den letzten Jahren stetig, Wasserstoff-Pkw spielen bei der Antriebswende weiterhin keine nennenswerte Rolle.

Vom ersten zum zweiten Quartal des Jahres betrug die Zuwachsrate für Pkw mit alternativen Antrieben (relativ zum Bestand mit der jeweiligen Antriebsart in Deutschland) bei Elektroautos plus 5,7 Prozent (auf absolut 1,835 Millionen Fahrzeuge), bei Plug-in-Hybriden plus 4,5 Prozent (auf absolut 1,041 Millionen Fahrzeuge), bei Gas-Pkw minus 1,4 Prozent (auf absolut 0,362 Millionen Fahrzeuge) und bei Wasserstoff-Pkw minus 1,9 Prozent (auf absolut 1645 Fahrzeuge). Unter den Pkw mit alternativen Antriebsarten steigt der Anteil der reinen Elektroautos am schnellsten; dieser liegt mit 3,7 Prozent des Pkw-Gesamtbestandes jedoch weiterhin auf niedrigem Niveau.

Insgesamt ist es wichtig im Auge zu behalten, so Agora Verkehrswende, dass der Anteil der Elektroautos am Fahrzeugbestand im Rahmen einer erfolgreichen Antriebswende im Personenverkehr deutlich schneller wachsen muss als bisher. Gleichzeitig wird der Pkw-Bestand im Rahmen der Mobilitätswende insgesamt zurückgehen. Gemäß des Szenariopfads aus der Studie Klimaneutrales Deutschland der Agora Thinktanks wird er 2030 noch etwa 48 Millionen Fahrzeuge umfassen (davon 13 Millionen oder 27 Prozent Elektroautos) und 2035 noch etwa 44 Millionen (davon 23 Millionen oder 52 Prozent Elektroautos).

Über den Verkehrswende-Radar

Der Verkehrswende-Radar ist ein Informationsangebot von Agora Verkehrswende und liefert Kennzahlen zu den Aspekten Verkehrsaufkommen, Nachfrage im öffentlichen Verkehr, Entwicklung von Fahrzeugbestand und Ladeinfrastruktur, Verfügbarkeit von batterieelektrischen Pkw. Die Analyse basiert hauptsächlich auf öffentlich zugänglichen Daten, zum Beispiel von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), vom Statistischen Bundesamt, vom Kraftfahrtbundesamt und vom ADAC.

Quelle: Agora Verkehrswende – Pressemitteilung vom 14.10.2025

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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