310.000 Jobs möglich – wenn Europas Batteriepolitik greift

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Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
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Europa steht im Batteriemarkt vor einer entscheidenden Weichenstellung. Die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien soll bis 2035 deutlich steigen – und damit wächst die Aussicht auf eine industrielle Basis, die für zahlreiche Bereiche von Bedeutung wäre. Dazu gehören die Autoindustrie, der Energiesektor und sicherheitsrelevante Felder wie die Verteidigung. Zugleich mehren sich Hinweise darauf, dass diese Chance gefährdet sein könnte. Importierte Produkte aus China, die dank niedrigerer Kosten und umfangreicher Förderung günstig angeboten werden, setzen europäische Anbieter unter Druck und werfen die Frage auf, ob sich eine heimische Wertschöpfungskette dauerhaft etablieren lässt.

Ein Blick von Roland Berger auf die erwarteten Marktentwicklungen verdeutlicht das Potenzial. Prognosen gehen davon aus, dass die Nachfrage in Europa bis 2035 ungefähr 1,5 TWh erreichen könnte, was einem Marktvolumen von 130 bis 150 Milliarden Euro entspräche. Verschiedene Produktionsstätten sind bereits in Betrieb und kommen gemeinsam auf rund 200 GWh installierte Kapazität. In diesem Umfeld sind etwa 80.000 Arbeitsplätze entstanden, die direkt oder indirekt mit der Batteriewirtschaft verknüpft sind. Jedoch bleibt offen, ob diese Basis ausreicht, um langfristig im Wettbewerb zu bestehen.

Weshalb Kosten und Strukturprobleme Europa bremsen

Mehrere Faktoren erschweren die Entwicklung. Kostennachteile gegenüber chinesischen Herstellern zählen zu den größten Hürden. Fachleute schätzen, dass lokal produzierte Zellen im Schnitt rund neun bis elf Euro pro Kilowattstunde teurer sein könnten als importierte Alternativen. Diese Differenz resultiert zu einem wesentlichen Teil aus höheren Investitions- und Betriebsausgaben in Europa. Sowohl neue Marktteilnehmer als auch etablierte asiatische Unternehmen mit europäischen Werken sind davon betroffen. Hinzu kommen Aufwendungen für Bau und Ausstattung, die hierzulande deutlich höher ausfallen und die Kosten für ein Werk mit 20 GWh Jahreskapazität um bis zu 1,1 Milliarden Euro erhöhen können.

Auch die laufenden Ausgaben beeinflussen die Wettbewerbsfähigkeit. Arbeit und Energie sind in Europa teurer als in China, was die Produktion zusätzlich belastet. Für Unternehmen ohne umfassende Erfahrung im industriellen Hochlauf sind darüber hinaus hohe Anlaufkosten ein Thema. Schätzungen zufolge können sie bei einer Fabrik dieser Größe bis zu 1,5 Milliarden Euro über dem liegen, was erfahrene asiatische Hersteller benötigen. Gleichzeitig drückt eine erhebliche Überkapazität in China die Preise. Die dortigen Anbieter produzieren aktuell in einem Umfeld, in dem die Verkaufspreise bis an die Grenze der variablen Kosten heranreichen. Das verschärft die Situation für Produzenten, die ihre Werke in Europa betreiben.

Neben ökonomischen Herausforderungen wirken politische Rahmenbedingungen als Unsicherheitsfaktor. Viele Unternehmen beklagen, dass zentrale Regeln immer wieder hinterfragt werden und langfristige Orientierung fehlt. Uneinheitliche staatliche Signale zur Rolle des Elektroautos und unterschiedliche politische Prioritäten in den Mitgliedstaaten verstärken diese Unsicherheit. Zudem verharren wichtige Instrumente wie der Net Zero Industry Act und der Critical Raw Materials Act in einem Zustand, der zwar Ziele formuliert, aber kaum verbindliche Anforderungen schafft. Ohne klare Vorgaben zu regionalen Anteilen in der Wertschöpfung oder konkrete Fördermechanismen fällt es schwer, Investitionen zu planen und Fabriken effizient zu realisieren.

Warum Genehmigungsprozesse zum zentralen Risiko werden

Komplexe Genehmigungsverfahren stellen ein weiteres Hindernis dar. Der Bau einer Zellfabrik erfordert die Abstimmung mit zahlreichen Behörden, was den Prozess verlangsamt und verteuert. Brandschutz und bauliche Anforderungen sind oftmals detailliert vorgeschrieben und eröffnen wenig Spielraum für angepasste Lösungen. Ein zentraler Ansprechpartner, der sämtliche Genehmigungsschritte koordiniert, wie er im NZIA vorgesehen ist, existiert in der Praxis häufig nicht. Dadurch entsteht ein zusätzlicher Aufwand, der Projekte zeitlich nach hinten verschieben kann.

Trotz dieser Schwierigkeiten bleibt die Bedeutung einer regionalen Lieferkette hoch. Eine starke Batterieindustrie könnte Europas wirtschaftliche Resilienz stärken und die Abhängigkeit von einzelnen Weltregionen reduzieren. Nach aktuellen Analysen wären im Erfolgsfall bis 2035 bis zu 310.000 Arbeitsplätze möglich, und der wirtschaftliche Beitrag könnte auf etwa 75 Milliarden Euro steigen. Gegenwärtig liegt der Wert bei neun Milliarden Euro, getragen von einem breit aufgestellten Netzwerk aus etablierten Unternehmen, jüngeren Marktteilnehmern und Forschungseinrichtungen. Sie decken die gesamte Kette ab – von der Rohstoffgewinnung über die Materialfertigung bis zu Projekten für Recycling und Wiederverwendung. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob Europa diesen Grundstein weiter ausbaut oder ob zentrale Teile der Wertschöpfung dauerhaft in anderen Regionen verankert bleiben.

Quelle: Roland Berger – Two outlooks for the future of battery manufacturing in Europe

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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