Batterien von Elektroautos und deren Ladestationen werden ein wichtiger Baustein der Energiewende: Sie können künftig die Aufgabe übernehmen, das Energiesystem kurz- und mittelfristig zu stabilisieren, indem sie Strom ins Netz zurückspeisen, wenn die Fahrzeuge nicht gebraucht werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE erforschen gemeinsam mit Konsortialpartnern im Projekt „BiFlex-Industrie – Bidirektionale Flexibilität durch Flottenkraftwerke in und um Unternehmen“, wie das bidirektionale Laden (auch bekannt als Vehicle-to-Grid, V2G) mit Fahrzeugflotten von Unternehmen technisch und wirtschaftlich umgesetzt werden kann.
Fahrzeugbatterien sind neben stationären Speichern prädestiniert für den kurz- bis mittelfristigen Ausgleich von Last und Erzeugung im Energiesystem. Elektroautos verfügen über Batterien mit hohen elektrischen Leistungen, großen Speicherkapazitäten und haben in der Regel lange Standzeiten von im Schnitt mehr als 23 Stunden am Tag. Das bietet viele Einsatzmöglichkeiten. In Firmenflotten etwa können sie vor Ort erzeugten Photovoltaik-Strom puffern und aktiv Lastspitzen reduzieren. Durch die Möglichkeit der Rückspeisung kann die Flexibilität auch dem übergeordneten Stromnetz zur Verfügung gestellt werden – als sogenanntes Flottenkraftwerk. Auch die Fahrzeuge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können in dieses Konzept integriert werden.
Im Projekt BiFlex-Industrie arbeitet ein Konsortium aus Forschung, Industrie und Anwendern an der Lösung der noch bestehenden Herausforderungen. Ziel des Projekts ist, die Potentiale von rückspeisefähigen Fahrzeugflotten ganzheitlich zu erschließen. Konkrete Vorteile für Unternehmen und energiewirtschaftliche Geschäftsmodelle sollen herausgearbeitet und demonstriert werden, so dass sie großflächig in bestehende Systeme integriert und zur Keimzelle für Flottenkraftwerke werden können – zur Betriebsoptimierung des Unternehmens und des übergeordneten Stromsystems.
Im Fokus des Projekts stehen zunächst Unternehmensstandorte mit Firmen- und Mitarbeiterfahrzeugen. Geplant sind Demonstratoren mit 50 rückspeisefähigen Fahrzeugen an sieben Unternehmensstandorten, an denen verschiedene relevante Anwendungsfälle für das bidirektionale Laden umgesetzt werden. Die Partner werden dafür zunächst rückspeisefähige Ladestationen inklusive angepasster Hardware und offener Kommunikationsschnittstellen zu übergeordneten Leitsystemen und Elektroautos entwickeln und in Betrieb nehmen. Sie entwickeln Konzepte und Verfahren zur Ermittlung und Prognose von Flexibilitätspotenzialen durch Rückspeisung im Betrieb. Parallel arbeiten die Projektpartner an der Standardisierung und an der Formulierung von Erfolgsfaktoren für eine Übertragbarkeit der Projektergebnisse.
„Die Mobilitätsinfrastruktur ist keine Belastung, sondern eine wichtige Säule der Energiewende“
Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg leitet das Projekt und erforscht insbesondere die standardisierte Systemintegration der Ladeinfrastruktur. „Mit neuen Ansätzen und durch unsere Forschungsarbeit wird die Mobilitätsinfrastruktur nicht zu einer Belastung, sondern zu einer wichtigen Säule der Energiewende, die Effizienz, Flexibilität und Stabilität in das Energiesystem bringt“, erklärt Dr. Robert Kohrs, Abteilungsleiter Intelligente Netze am Fraunhofer ISE.
Die Praxistauglichkeit der im Projekt zu erarbeitenden Ergebnisse werde durch die enge Zusammenarbeit von Herstellern, Anwendern, der Energiewirtschaft sowie durch die Begleitung der angewandten Forschung sichergestellt, so Kohrs weiter. Beteiligt am Projekt sind das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE (Konsortialführung), Ambibox, Chargebyte, die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE, ENIT Energy IT Systems, das
Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB-AST, die Hochschule Karlsruhe, Lade, Mahle ChargeBig, die Marquardt-Gruppe, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), SAP, die Smartlab Innovationsgesellschaft, Thüga und die Universität Duisburg-Essen.
Am Lehrstuhl für ABWL & Internationales Automobilmanagement IAM der Universität Duisburg-Essen untersucht Prof. Dr. Heike Proff gemeinsam mit ihrem Team den wahrgenommenen Nutzen und die Akzeptanzbereitschaft für das bidirektionale Laden am Arbeitsplatz – mit dem Ziel der Markteinführung und der Entwicklung möglichst profitabler Geschäftsmodelle. „Ein Erfolg von BiFlex könnte auch für das bidirektionale Laden zuhause wegweisend sein. Die Speicherung der Energie aus der heimischen Photovoltaikanlage in der Batterie des eigenen Elektroautos könnte die Elektromobilität attraktiver machen und damit der Energie- und Mobilitätswende neuen Schwung geben“, sagt Proff.
Der Konsortialführer Fraunhofer ISE ist mit vier Teams an allen Arbeitspaketen beteiligt und werde auch den eigenen Fuhrpark um den Aspekt der Rückspeisefähigkeit erweitern. Eine zentrale Rolle werde dabei das Digital Grid Lab des Instituts spielen, in dem die Digitalisierung der Netzbetriebsführung in einer Hardware-in-the-Loop Umgebung entwickelt und getestet werden kann. Weitere Schwerpunkte am Fraunhofer ISE sind die Untersuchung der Flexibilitätspotentiale durch marktbasierte Anreize wie dynamische Ladetarife und die Integration von Elektroautos in Flottenkraftwerke durch intelligente Betriebsführungsalgorithmen, die bei Netzausfall eine Versorgung des Unternehmensstandorts sicherstellen. Das Projekt wird mit 14,9 Millionen Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert.
Quelle: Fraunhofer ISE / Universität Duisburg-Essen – Pressemitteilungen vom 22.02.2024