Toyota stellt sich neu auf. Das ist im Grunde nichts Neues. Viele Automobilmarken versuchen, sich regelmäßig an das veränderte Kundenverhalten anzupassen. Ein gutes aktuelles Beispiel dafür ist Porsche mit seinem Hin und Her bei den Verbrennungsmotoren. Doch der japanische Autobauer ordnet sein Reich grundlegend neu. Fünf statt bisher vier Marken lautet die Prämisse. Century, Lexus, Toyota, GR und Daihatsu erhalten präzise Rollen samt klarer Botschaften. So will der weltgrößte Autobauer noch mehr Kunden ansprechen, ohne eine Kannibalisierung zu riskieren.
Bislang stand Lexus an der Spitze des Toyota-Universums, während „Century“ lediglich ein einzelnes Modell bezeichnete. Jetzt aber rückt Century als eigenständige Luxusmarke über den Premium-Ableger Lexus hinaus auf. Toyotas oberster Produktplaner Simon Humphries erklärt: „Century setzt auf Exklusivität und macht damit unser Marken-Portfolio klarer.“ Die Prämisse lautet: „One for one“. Das bedeutet, dass jedes Auto, insbesondere der Innenraum, maßgeschneidert wird.
Wie das genau aussieht, zeigen zwei Century-Modelle: ein SUV und eine Limousine. Schon auf den ersten Blick wird klar, dass Rolls-Royce bei diesem Duo Pate gestanden hat. Hinzu kommt eine Studie eines Crossover-Coupés mit opulenten Platzverhältnissen. Die Idee, im Luxussegment anzugreifen, ergibt aus Toyota-Sicht durchaus Sinn. So schärft Toyota das Markenprofil und profitiert von größeren Margen. Die Frage ist nur, ob dieses Kalkül so ohne Weiteres aufgeht. Die Kundschaft ist in der Regel konservativ und bleibt den etablierten Marken treu. Die Japaner wollen mit feiner Handwerkskunst punkten. „Century ist wie ein Phoenix aus der Asche entstiegen“, gibt sich Designer Ian Cartabiano optimistisch.

Für Lexus bedeutet diese Neupositionierung mehr Freiheit. Das kann der japanischen Premiummarke, die oft etwas barock daherkam, nur guttun. Denn damit soll jetzt Schluss sein. Auf zu neuen Ufern. Oder im Jargon der japanischen Manager: „Entdecken! Century bewahrt Tradition und Handwerkskunst, während Lexus ungebunden ist, neue Wege geht und Dinge ausprobiert, die es so noch nicht gab“, erklärt Lexus-Präsident Takashi Watanabe die neue Aufgabenteilung.
Das Lexus LS Sport Concept will auch auf der Autobahn gegen BMW, Porsche oder Mercedes bestehen – mit einer eigenen Drohne, die das Fahrzeug begleitet und auf dem Heck wieder landet. In Tokio steht die neueste Version des Konzeptfahrzeugs, bei dem die aktive Aerodynamik und das Interieur einen Schritt näher an die Serie rücken. Das Lexus LS Coupé Concept soll dagegen Sportlichkeit und geräumige Alltagstauglichkeit vereinen.

Apropos Raum: Beim sechsrädrigen Van Lexus LS Concept bekommt das Buchstabenkürzel LS Substanz. Denn es steht für „Luxury Space“. Also: Erste-Klasse-Gefühl auf der Straße. „Raum ist Freiheit, und die ist einfach unbezahlbar“, schwärmt Simon Humphries. Das gilt auch für die autonom agierende, dreirädrige Einsitzer-Studie Lexus LS Micro Concept, deren holzgetäfelter Innenraum die Wohlfühlatmosphäre des großen Bruders in die Mikromobilität transportiert.

Ob die Zukunft von Lexus als Raumdeuter aufgeht, wird sich zeigen. Entscheidend ist, dass die Toyota-Tochter technologisch vorn dabei ist. Die konservative Herangehensweise der Toyota-Manager bei Infotainment, Konnektivität und Fahrassistenzsystemen hat der Premiummarke bislang nicht gutgetan. Damit die neue Lexus-Positionierung auch zu einer Erfolgsgeschichte wird, muss mehr Mut in die Autos kommen. Das wissen auch Toyotas Konzernstrategen. Das Konzept steht: Lexus soll radikaler bei der Erfindung neuer Fahrzeugtypologien sowie bei der Erprobung von Materialien, Bedienung, Infotainment und Antrieben vorgehen. Das ist eine 180-Grad-Wende gegenüber der bisherigen Positionierung.
Diese Neuausrichtung von Lexus und Century gibt der Kernmarke Toyota die Chance, sich stärker auf das Volumensegment zu konzentrieren. „To You“ – „für euch“ – lautet die Botschaft. Ein japanischer Volkswagen. Das ist im Grunde nichts Neues, denn das wollte die Kernmarke des japanischen Autobauers schon immer sein, mit Erfolg: Rund zehn Millionen Menschen entscheiden sich jährlich für einen Toyota. Das veranlasste den Vorstandsvorsitzenden Akio Toyoda zu der Bemerkung, man dürfe nicht vergessen, dass es sich dabei nicht um zehn Millionen gesichtsloser Kunden handelt, sondern um zehn Millionen Individuen, von denen jeder einzigartig ist. Die Aufgabe von Toyota sei es, jedem die Mobilität seiner Wünsche zu bieten.
Die Markenstrategen haben ihren Chef beim Wort genommen und den Toyota IMV Origin entwickelt: ein einfaches und robustes Nutzfahrzeug, das zu 70 Prozent vor Ort montiert wird und so dem Nutzer die Möglichkeit gibt, das Vehikel nach seinen Wünschen anzupassen. Deshalb der Spitzname „Ikea-Wagen“. Der Pritschenwagen dürfte vor allem in Afrika seine Abnehmer finden.

Das bedeutet außerdem, dass der japanische Autobauer weiter auf Antriebsvielfalt setzt und dem monokulturellen Streben hin zur reinen Elektromobilität eine Absage erteilt. Angesichts der aktuellen Marktlage ist das vielleicht eine gute Entscheidung, vielleicht aber auch nicht. Immerhin will Toyota die Feststoffbatterie bis 2027/28 zur Serienreife bringen. Auch Brennstoffzellen spielen nach wie vor eine Rolle, vor allem im Nutzfahrzeugbereich. Kurz gesagt: Batterie dort, wo sie für den Kunden die beste Lösung ist, und Wasserstoff dort, wo Dauerlast, kurze Tankzeiten sowie Gesamtkosten den Ausschlag geben.
Der Corolla könnte zum Elektroauto werden
Die Studie des nächsten Toyota Corolla zeigt, dass die Kernmarke kantiger, markanter und sportlicher werden möchte. Das Brot-und-Butter-Modell vereint eine coupéhafte Silhouette mit einer Prise Lamborghini – das ergibt eine kantige Formensprache. Mal sehen, wie viel vom Konzept – ausgelegt für Antriebe von hybrid bis rein elektrisch – am Ende in die Serie kommt. Apropos kantig: Der Toyota Land Cruiser FJ dürfte ein Erfolg werden.

Der Begriff „für euch“ bedeutet aber auch Inklusion und Mobilität für Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Auch sie sollen in Toyotas Zukunft ihren individuellen Neigungen nachgehen können, sei es Sport – oder ganz simpel mit einem Stuhl, der sich mit Insektenbeinen über Treppen und unwegsames Gelände bewegt. „Überall, für jeden“, lautet das Motto, dazu in einem gesonderten Artikel ausführlicheres.
Den Strategen in Japan ist auch die Renaissance der Nutzfahrzeuge nicht entgangen. Gemeint sind etwa die Kayoibako-Transporter in verschiedenen Versionen, die dem Kia PV5, dem VW e-Transporter und dem Ford E-Transit Custom Konkurrenz machen. Ein weiteres Beispiel ist der krabbelnde Paketbote Chibibo. Auch hier will Toyota kräftig mitmischen.
GR bleibt seiner Rennsport-DNA treu – die japanische Antwort auf die Freude am Fahren. Bemerkenswert: GR ist in Tokio gar nicht mit einem eigenen Stand vertreten, sondern kündigt am Fuji Speedway per Plakatwand das nächste „GT-Modell“ an. Das unterstreicht: GR sucht die Aufmerksamkeit dort, wo Enthusiasten sind, und führt Ikonen der Fahrdynamik als Ereignisse ein – nicht als Showstücke. Das ist Tempo-Purismus pur.
Daihatsu schließlich schärft seine Rolle als Alltagserfinder – „omoroi“ (pfiffig, witzig, nützlich). Der Midget X ist ein vierrädriger Kabinenroller mit „Rucksack“ – eine moderne Interpretation des Ur-Midget von 1957. Damals war es ein dreirädriges Mini-Nutzfahrzeug (Kei-Klasse) für Ladenbesitzer und Kurierdienste, das bis 1971/72 gebaut wurde und als Ursprung von Daihatsus „klein, aber nützlich“-DNA gilt. Das passt exakt zum neuen Markenversprechen „Daihatsumei for me“. Noch mehr Spaß verspricht die Studie „K-Open Running Prototype“. Sie ist die Fortführung des zweisitzigen Mini-Roadsters, dessen Produktion 2026 endet. Ob Daihatsu in Deutschland ein Comeback feiert, ist noch offen.








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