Streetscooter-Übernahme endet in juristischem Streit

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DHL Group

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 4 min

Der gescheiterte Verkauf des Elektroautoherstellers Streetscooter könnte rechtliche Konsequenzen für das Management der DHL-Gruppe haben. Der Wiener Unternehmer Gernot Friedhuber plant gemeinsam mit seinem Anwalt eine Strafanzeige gegen den Vorstandsvorsitzenden Tobias Meyer und zwei weitere Führungskräfte des Konzerns. Dabei geht es um die Umstände rund um den Verkauf von Streetscooter und die spätere Insolvenz des Unternehmens, wie das Handelbslatt berichtet.

Im Jahr 2022 hatte Friedhuber zusammen mit einem britischen Hedgefonds und dem ehemaligen BMW-Vorstand Stefan Krause den Elektroautohersteller übernommen. Der Kauf lief über die luxemburgische Odin Holding, der Preis lag bei 120 Millionen Euro. Nur ein Jahr später meldete das Unternehmen, inzwischen in B-ON umbenannt, Insolvenz an. Friedhuber, der zuvor in anderen Branchen aktiv war, hatte sich mehr von der Übernahme versprochen.

Lieferstopp sorgt für Stillstand in der Produktion

Der Investor erhebt nun schwere Vorwürfe gegen den ehemaligen Eigentümer, die DHL Group. Aus seiner Sicht wurden nach dem Verkauf zentrale Lieferzusagen nicht eingehalten. Die Batterien, die zur Weiterproduktion dringend benötigt wurden, kamen nicht mehr an. Diese Bauteile wurden weiterhin von einer Post-Tochter in Aachen hergestellt, die laut Friedhuber vertraglich zur Lieferung verpflichtet war. Doch die Lieferung sei erst nach dem Insolvenzantrag wieder aufgenommen worden.

Der Produktionsstopp traf das Unternehmen hart. Laut Friedhuber war es wegen fehlender Batterien nicht möglich, neue E-Transporter zu bauen. Die Zertifizierung alternativer Akkus hätte zu lange gedauert. Als der Betrieb nach dem Insolvenzantrag kurzfristig wieder anlief, gingen die Erlöse nicht an die Investoren, sondern flossen laut Gesetz in die Insolvenzmasse. Auf Nachfrage wollte sich DHL nicht zu Details äußern. Zwar wird der Lieferstopp nicht direkt bestritten, doch der Konzern weist alle Schuld am Niedergang von B-ON zurück. Man habe alle Verträge eingehalten und die Produktion im Rahmen der Möglichkeiten unterstützt.

Ein weiterer Punkt sorgt für Unmut: Ein zuvor vereinbarter Großauftrag mit der Deutschen Post, dem Vorgänger der DHL Group, wurde laut Friedhuber nicht wie erwartet abgewickelt. Zwar baute B-ON über hundert Elektroautos für den Konzern, doch dieser nahm die Fahrzeuge nicht ab. Die Folge war eine finanzielle Schieflage, die letztlich zur Insolvenz geführt habe. Warum die Abnahme verweigert wurde, bleibt offen. DHL erklärte lediglich, man habe sämtliche Verpflichtungen pünktlich erfüllt.

Rückkehr zum Gründer wirft neue Fragen auf

Friedhuber vermutet hinter dem Verhalten der Post eine gezielte Strategie. Die Investoren hätten dem Unternehmen offenbar nicht mehr ins Konzept gepasst. Aus seiner Sicht wollte DHL die Kontrolle über Streetscooter zurück in bekannte Hände geben. Denn nach der Insolvenz übernahm der ursprüngliche Gründer Günther Schuh den Betrieb erneut – zum symbolischen Preis von einem Euro.

Diese Rückübertragung sorgte für Verwunderung. Ein asiatischer Investor hatte ebenfalls Interesse angemeldet, kam jedoch nicht zum Zug. Angeblich akzeptierte DHL den potenziellen Käufer nicht als Hauptkunden, weshalb dieser sein Angebot zurückgezogen habe. Schuh konnte somit erneut einsteigen. Friedhuber ärgert besonders, dass nach dem Erwerb weitere 15 Millionen Euro in das Unternehmen investiert wurden. Dieses Geld sei durch die Insolvenz verloren gegangen und komme nun indirekt dem Gründer zugute.

Doch auch Schuhs neues Unternehmen E.Volution geriet später in Schwierigkeiten. Im November 2024 meldete auch dieser Betrieb Insolvenz an – ein weiteres Kapitel im schwierigen Versuch, Elektro-Transporter in Deutschland profitabel zu produzieren. DHL hingegen sieht die Ursachen der Pleite bei den neuen Eigentümern. Das Unternehmen kritisiert, dass es B-ON nicht gelungen sei, zusätzliche Geldgeber zu gewinnen. Man habe das Projekt zwar unterstützt, aber die Verantwortung für das wirtschaftliche Scheitern liege nicht beim früheren Eigentümer.

Die juristische Aufarbeitung steht noch bevor. Der beauftragte Anwalt Georg Krakow, einst hoher Beamter im österreichischen Justizministerium, prüfe derzeit die Unterlagen. Laut ihm legen Zeugenaussagen nahe, dass es Hinweise auf strafbares Verhalten gebe. Die Anzeige soll in Wien eingereicht werden – ein genauer Zeitpunkt steht noch nicht fest.

Ein möglicher Schadensersatzprozess gegen DHL wäre die Folge, falls die Gerichte Friedhubers Sicht bestätigen. Ob es dazu kommt, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass der Fall Streetscooter noch lange nicht abgeschlossen ist.

Quelle: Handelsblatt – Streetscooter-Käufer kündigt Strafanzeige gegen DHL-Chef an

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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