Streetscooter-Gründer Schuh will den E-Transporterhersteller retten

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e.Volution GmbH

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 4 min

Es ist ein Auf und Ab, was sich rund um Streetscooter abspielt. Im September hieß es noch: Die Zukunft der Streetscooter-Produktion im Neapco-Werk in Düren steht auf dem Spiel, nachdem die luxemburgische Firma B-On, die auch einen deutschen Sitz in Aachen hat, einen Insolvenzantrag gestellt hatte. Nun scheinen die E-Transporter gerettet. Von niemand anderem als einem der Gründer: Prof. Dr. Günther Schuh.

Aus einer soeben veröffentlichten Pressemitteilung geht hervor, dass die Evolution GmbH von Prof. Günther Schuh mit Sitz in Aachen unmittelbar nach Eröffnung der Insolvenz über die Nob Manufacturing GmbH den Betrieb und das Anlagevermögen der Gesellschaft zum 01.01.2024 übernommen hat, so der Insolvenzverwalter Dr. Dirk Wegener. Hierzu sei Evolution eine strategische Partnerschaft mit Neapco eingegangen, die die elektrischen Zustellfahrzeuge, die früher StreetScooter genannt wurden, als Auftragsfertiger in Düren montiert.

Zunächst habe Neapco die Betriebsmittel für die Fahrzeugmontage in Düren von der DHL Group erworben. Hierbei war es ein Auftrag der DHL Group über den Kauf von 700 Elektrofahrzeuge, der die Weiterführung des Betriebs und den Erhalt der Arbeitsplätze bei Nob, Neapco und bei weiteren Zulieferern möglich gemacht hat. Ferner habe die DHL Group in kürzester Zeit die Voraussetzungen für die Beauftragung und für den Verkauf wesentlicher Betriebsmittel an Evolution geschaffen.

Evolution GmbH, von links nach rechts: Thomas Hissel (Stadt Düren), Dietmar Nietan (Mitglied des Bundestages),
Prof. Günther Schuh (CEO e.Volution GmbH), Dr. Dirk Wegener (dhpg), Dr. Jürgen Liermann (CEO
Neapco Europe GmbH), Marcel Philipp (e.Volution), Martin Peters (IG Metall), Jürgen Müller
(Betriebsratsvorsitzender Neapco Europe GmbH)

Insolvenzverwalter Wegener fasst den Ablauf wie folgt zusammen: „Der Fall war recht kompliziert, weil viele Partner wie die DHL und zahlreiche Schlüssellieferanten mitwirken mussten, die nicht unmittelbar an der Insolvenz der Nob beteiligt waren, ohne deren Mitwirkung aber eine Rettung nicht möglich geworden wäre. Es gab viel zu moderieren und zu motivieren in diesem Verfahren“.

Wie aus dem gemeinsamen Austausch mit Prof. Günther Schuh hier bei EAN bekannt, verfolgt dieser mit Evolution das Ziel, eine überlegene Nachhaltigkeit durch eine besonders hohe Langlebigkeit der Basisfahrzeuge in der Automobilbranche einzuführen. Das Unternehmen hat mit der RWTH Aachen einen Upgrade Re-Assembly Prozess entwickelt, der durch ein besonders langlebiges Chassis und eine Digitale Fahrzeugakte eine regelmäßige kostengünstige Aufwertung bestehender Fahrzeuge ermöglichen soll.

Wie aus der Pressemitteilung hervorgeht, sei dieses Konzept bei kleinen, stark strapazierten Nutzfahrzeugen besonders wirkungsvoll. „Die Beanspruchung der StreetScooter im täglichen Betrieb ist höher als bei jedem anderen leichten Nutzfahrzeug. Hier kann unser Konzept seine Wirkung vorbildlich entfalten und den ökologischen Footprint über den Lebenszyklus wesentlich verbessern und gleichzeitig die Betriebskosten senken“, erläutert Schuh. “Ich bin der DHL Group und insbesondere ihrem CEO Dr. Tobias Meyer für seine Unterstützung bei dieser Transaktion sehr dankbar, durch die wir die Chance bekommen, die gemeinsame Innovation von Deutscher Post und RWTH Aachen von vor 10 Jahren nun auf ein nächstes Level weiterzuentwickeln.“

Wie Schuh selbst sagt, sei es durch die strategische Übernahme einer laufenden Produktion möglich, dass das Re-Assembly Konzept von Evolution nun deutlich schneller in die Praxis umgesetzt werden kann. Oder wie Schuh auf LinkedIn selbst schreibt: „Auf geht’s, Zurück in die Zukunft!“

Zum Hintergrund: Zunächst als StreetScooter in Betrieb, ein deutsches Universitätsprojekt, das später von Deutsche Post DHL (DPDHL) aufgekauft und weiterentwickelt wurde, begann das Unternehmen Mitte 2017 mit der Serienproduktion seiner vollelektrischen Lieferwagen für die Postzustellung in Deutschland.

Im Januar 2022 hat B-On eine Vereinbarung mit DPDHL geschlossen, um die Produktion zu übernehmen, das Produkt auf neue Märkte weltweit auszuweiten, eine ergänzende Reihe von Dienstleistungen einzuführen, die Fuhrparkbesitzern bei der Umstellung auf Elektrofahrzeuge helfen sollen, und ein innovatives Geschäftsmodell mit geringem Kapitaleinsatz zu entwickeln, das die Qualität hoch und die Kosten niedrig hält und einen Zeitvorteil bei der Markteinführung bieten sollte. Der Plan glückte nicht – erhält nun aber eine neue Chance.

Quelle: Evolution GmbH – Pressemitteilung vom 06.01.2024

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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Tom 1:

Warum immer gleich alles schlecht reden, bei mir im Ort ist ein Auto – Streetscooter Werkstatt Stützpunkt von Anfang an und betreut die Fahrzeuge der Post, klar sollten die Fahrzeuge modernisiert werden im Laufe der Zukunft um die Kinderkrankheiten auszumerzen.

Nostradamus:

Ein von Anfang an schlecht konzipiertes Fahrzeug weiterzutreiben hat keinen Sinn!

heinr:

Der Typ gehört, meiner Meinung nach, zu der Riege die Talent haben das Geld anderer zu vernichten.

Marc:

Die Fahrzeuge werden es schwer haben. Alle anderen sind jetzt auch auf dem Markt und bringen Fahrzeuge, die aussehen und funktionieren wie die bewährten Verbrenner, mit denen bisher ausgeliefert wurde. Die aber elektrisch vollständig überzeugen und sich besser fahren. Wenn bei Flaschenpost oder amazon der Fahrer vom Vito auf den eVito umsteigt, ist alles nicht schlechter, sondern besser.

Und natürlich macht Mercedes Flottenkonditionen und bietet Leihfahrzeuge an, wenn mal was ist. Mercedes nur als Beispiel, aber als gutes Beispiel, die haben ja zum Beispiel auch noch ihre Taxiwerkstätten in den großen Städten mit erweiterten Öffnungszeiten. Ford scheint ja auch sehr gut aufgestellt, VW arbeitet mit ihnen zusammen, Stellantis hat gescheite Angebote und selbst Rivian drängt mit völlig überzeugenden Lieferfahrzeugen über amazom nach Europa.

Der StreetScooter ist 2011 entwickelt worden. Für die Zeit war der Entwurf wahrscheinlich sinnvoll. Ein simpel konstruiertes spartanisches Fahrzeug, wo der Akku im Wesentlichen den Preis bestimmt. Man wollte den Streetscooter ab 20.000 € verkaufen. Als er dann fünf Jahre später auf den Markt kam, war auch reichlich Zeit vergangen. Und der Preis begann bei knapp über 40.000 €, hatte sich also verdoppelt. Zusätzlich stellte sich im Betrieb heraus, dass Streetscooter unter Produktion 70 Millionen € Verlust im Jahr macht. Bei im Schnitt knapp über 3.500 Fahrzeuge pro Jahr, die auf die Straße kamen, sind das fast 20.000 € Verlust pro Auto. Im Kern kostete ein Streetscooter also 60-65 t€.

Das ist das Resultat dramatischer Fehler. Das hätte man seitens der Post wissen können, man hatte ja bei großen OEM angefragt, ob die so ein Auto für sie bauen könnten. Die haben alle abgewinkt, worüber man sich damals lustig gemacht hat. Es war aber absolut richtig. Man hatte ihnen das Lastenheft vorgelegt und einen Preis von 30.000 €. Aber man hatte gar nicht ernsthaft verhandelt, so verblendet war man von den Preisphantasien des Professors.

Dabei hätte man einen OEM als Partner dringend gebraucht. Viel später hatte man sich ja Fords Hilfe geholt. Zu spät. Das Thema Bedienbarkeit, Heizung und Klima, hatte man völlig unterschätzt. Auch war das Akkukonzept zu teuer und leider nicht modular und damit später ergänzbar gemacht. Denn es gibt Einsatzbereiche, wo man zumindest im Winter gerne mehr als 20 oder 40 kWh gehabt hätte. Ebenso hätte man dann mit sinkenden Akkupreisen aufrüsten können.

Daher ist das auch keine gute Nachricht, dass der Professor wieder an Bord ist. Das wird jetzt nichts mehr werden. Es hätte was werden können, wenn man das Konzept zum Beispiel zusammen mit Ford 2012 aufgesetzt hätte und die Autos in der Türkei ab 2017 gebaut worden wären. Dann hätte man sicherlich DHL unter den garantierten Abnahmemengen von 10k/Jahr Preise ab 35.000 € garantieren können. Dann stände das Konzept ganz anders da und wäre auch eine Konkurrenz für die etablierten OEM.

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