Autohersteller BMW ist auf der Zielgeraden für den Anlauf des ersten Elektroautos der Neuen Klasse. Ende Oktober startet die Serienproduktion des neuen iX3 im ebenfalls neuen BMW Group Werk Debrecen in Ungarn. Damit geht der jüngste und gleichzeitig innovativste Produktionsstandort des weltweiten Produktionsnetzwerks offiziell in Betrieb.
„Mit dem Start der Serienproduktion des BMW iX3 beginnt eine neue Ära der Automobilproduktion. Unser neues Werk in Debrecen haben wir vollständig nach unserem iFactory Zielbild geplant und aufgebaut. Von Beginn an digital bietet das Werk eine neue Dimension von effizienter Produktion und verzichtet dabei auf fossile Brennstoffe“, so Milan Nedeljković, Produktionsvorstand der BMW AG, in einer aktuellen Mitteilung des Herstellers.
Die BMW iFactory steht demnach für ein strategisches Zielbild der Produktion mit schlanken und effizienten Strukturen, einem verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen, dem wirtschaftlichen Einsatz moderner, digitaler Innovationen sowie dem Fokus auf die Mitarbeitenden. Für viele innovative Systeme und Verfahren im Werk Debrecen habe die BMW Group Patente neu angemeldet.
„Wir haben uns der Herausforderung gestellt, in einem komplett neuen Werk gleich zum Anlauf auch ein komplett neues Fahrzeug zu bauen – und das so lean und effizient wie möglich. Wir haben Prozesse vereinfacht, Komplexität reduziert, jeden einzelnen Arbeitsschritt digital abgesichert und das Know‑how in unserem weltweiten Netzwerk konsequent genutzt. Dieses Werk ist das Ergebnis: effizient in der Produktion, innovativ in den Prozessen und flexibel bei der Integration weiterer Modelle“, sagt Hans-Peter Kemser, Leiter des BMW Group Werks Debrecen.

Wie bei jedem Anlauf eines neuen Modells werden die Kapazitäten nach dem Produktionsstart sukzessive hochgefahren, so auch beim neuen iX3. Als Speerspitze der Neuen Klasse bietet der Elektro-SUV die aktuellen Design- und Technologie-Innovationen, die in Zukunft das gesamte Modellprogramm der Marke prägen werden. Bis Ende 2027 sollen die Technologien der Neuen Klasse in 40 neue Modelle und Modellupdates integriert werden.
Von der Virtuellen Fabrik in die Realität
In den Technologien des Werks seien die Grundsätze der BMW iFactory vollumfänglich umgesetzt. So wurde das Werk Debrecen von Anfang an digital geplant und aufgebaut. Bereits im März 2023 feierte es in der Virtuellen Fabrik der BMW Group seinen virtuellen Produktionsanlauf. Sämtliche Abläufe konnten so bereits vorab virtuell getestet werden, die Produktionslinien in den Gebäuden wurden anschließend exakt wie im digitalen Zwilling installiert.
Der optimale Wertstrom und effiziente Anlagen im Presswerk ermöglichen eine nachweislich hohe Produktivität, wie BMW betont. Dabei folgt der Konzern seiner bewährten Strategie, im weltweiten Netzwerk gleiche Werkzeuge und Pressen einzusetzen. So können innerhalb des Netzwerks Kapazitäten optimal genutzt werden, indem Presswerkzeuge an verschiedenen Standorten eingesetzt und Mitarbeiter innerhalb des Netzwerks geschult werden.
Der Karosseriebau profitiere in besonderem Maße von der digitalen Planung und Absicherung vorab. Um einen idealen Wertstrom zu definieren und jeden der knapp 1000 Roboter an seinem optimalen Standort zu verorten, wurden die Prozesse in allen Details vorab digital simuliert.

Die enge Zusammenarbeit der Teams aus Entwicklung und Produktion von Anfang an führte zu einer hohen Effizienz in der Produktion und einem bestmöglichen Kundennutzen. So konnte die Anzahl von Fügeverfahren deutlich verringert und damit die Komplexität vereinfacht werden. Bereits in der Entwicklung mitgedachte Konstruktionsmerkmale finden sich auch in Details der Neuen Klasse wieder, wie beispielsweise die nicht sichtbare Türdichtung. Das Fenster ist optisch direkt mit der Tür verbunden und sorgt so für einen besonderen Look. Die Maximierung des für die Batterie verfügbaren Platzes – und damit der Größe und Leistung der Batterie – in der Karosseriestruktur kommt ebenfalls den Kunden direkt zugute.
Die Lackiererei im BMW Group Werk Debrecen ist der zentrale Faktor für eine deutliche Senkung des CO2-Fußabdrucks des iX3. In der Produktion des neuen Elektro-SUV werden in Summe rund 80 kg CO2 (Scope 1/2 Emissionen) emittiert, darin eingerechnet die CO2-Emissionen aus dem Werk Debrecen sowie der Hausteilefertigung an anderen BMW Group Standorten wie beispielsweise von Komponenten in Landshut. Dies entspricht einer Senkung von ca. zwei Dritteln im Vergleich zur Produktion von bisherigen BMW Derivaten. Betrachtet man allein die Werte für das Werk Debrecen, reduzieren sich die CO2-Emissionen des Werks Debrecen für die Fertigung eines Fahrzeugs inklusive Hochvoltbatterie um ca. 90 Prozent auf rund 34 kg CO2, bei Vollauslastung und im Vergleich zu anderen BMW Group Standorten.

Üblicherweise werden Lackierereien mit Gas betrieben, um die benötigten hohen Temperaturen von bis zu 180 Grad Celsius zu erreichen. Als erstes Automobilwerk der BMW Group werde das Werk Debrecen im Normalbetrieb ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen versorgt, also ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe wie Öl oder Gas. Durch den hohen Energiebedarf hat die Lackiererei auch den größten Anteil daran, dass das Werk Debrecen deutlich weniger CO2 emittiert. Allein in der Lackiererei sorgt der Einsatz von Strom aus erneuerbaren Quellen dafür, die Emissionen jährlich um bis zu 12.000 Tonnen CO2 zu senken. Rund ein Viertel des jährlichen Bedarfs an Strom wird aus der 50 Hektar großen Photovoltaik-Anlage auf dem Werksgelände bezogen. Überschüssige Solarenergie, die beispielsweise an arbeitsfreien Tagen entsteht, wird in einem thermischen Speicher mit 130 MWh gepuffert.
Zusätzlich kommt in der Lackiererei ein System zur Energierückgewinnung zum Einsatz. Das sogenannte „Heat Grid“ wurde in der Planung der neuen Lackiererei erfolgreich umgesetzt und erzielt eine zusätzliche Energieeinsparung von bis zu zehn Prozent. Das innovative Konzept kombiniert mehrere Maßnahmen zur effizienten Energierückgewinnung aus der Druckluftversorgung, den Trocknungsöfen sowie den Kälteanlagen. Die Abwärme wird dann genutzt, um den Wasserkreislauf vorzuheizen. Dazu kommt ein thermischer Speicher mit einem Volumen von 1800 m³ Wasser und einer Kapazität von 130 MWh. Er dient dazu, überschüssige Energie der Photovoltaikanlage aus Schwachlastzeiten zur Abdeckung von Leistungsspitzen in Form von Wärme zu speichern.
Mehr Effizienz durch vollständige Digitalisierung der Produktionsprozesse
Die vollständige Digitalisierung der Produktionsprozesse sorgt auch in der Montage für eine Effizienzsteigerung. Die von der BMW Group selbstentwickelte IT-Plattform AIQX (Artificial Intelligence Quality Next) ist ein zentraler Bestandteil der BMW iFactory. AIQX automatisiert Qualitätsprozesse mit Hilfe von Kamerasystemen und Sensoren im Bandablauf. KI wertet die Daten aus und gibt in Echtzeit Rückmeldung an die Mitarbeiter am Band. Künftig werden auch die Fahrzeuge in der Produktionslinie aktive, vernetzte Teilnehmer des industriellen IoT (Internet of Things) Ökosystems. Sie vollziehen Selbstanalysen, interagieren in Echtzeit mit Mitarbeitenden im Werk und teilen sowie dokumentieren relevante Meldungen automatisch. Hierfür werden unter anderem die im Auto verbauten Kameras und IT-Systeme genutzt. Bereits jetzt sind Anlagen und Werkzeuge, Bauteile sowie jeder BMW in der Montage digital an das BMW Produktionssystem angebunden.
Die „Fingerstruktur“ des Gebäudes, eine optimierte Version des BMW Group Werks in Leipzig, ermöglicht es, 80 Prozent der Teile direkt an den richtigen Montageort am Band zu liefern. Weitere Vorteile für die rein-elektrische Inhouse-Logistik bieten autonome Routenzüge, die die Batterien aus der Hochvoltbatteriefertigung direkt zum Einbauort liefern, oder Smart Transport Robots, die kleinere Bauteile autonom ans Band bringen. Durch die Vernetzung sämtlicher internen und externen Datenbanken erreiche die gesamte Logistik eine noch nie dagewesene digitale Tiefe, zahlreiche ineinandergreifende manuelle Analyseprozesse werden so automatisiert. Informationen stehen damit jederzeit auf „Knopfdruck“ strukturiert und ausgewertet zur Verfügung.

Für die neue, inhouse entwickelte Hochvoltbatterie hat die BMW Group intelligente Produktionsprozesse geschaffen. Das Werk Debrecen fertigt die Hochvoltbatterien der Gen6 als erstes von weltweit fünf Werken in Serie. Zuvor wurden die Produktionsprozesse in den Pilotwerken entwickelt und getestet. Eine wichtige Rolle beim Hochlauf spielen auch hier künstliche Intelligenz, Data Analytics und der kontinuierliche Austausch im Produktionsnetzwerk. Digitale Zwillinge der Produktion und umfassende KI‑Datenbanken dienen der Optimierung der Prozesse und der Schulung von Mitarbeitenden. Den konsequenten Null-Fehler-Ansatz ermöglichen lückenlose Inline-Qualitätsprüfungen sowie eine 100 Prozent End-of-Line-Kontrolle. Nach dem Grundsatz „Local for Local“ ist die Hochvoltbatterie-Montage direkt auf dem Werksgelände angesiedelt. Die Produktion profitiert so von Infrastrukturvorteilen und kurzen Wegen.
Werk Debrecen profitiert von Expertise aller weltweiten Produktionsstandorte
Als erster Produktionsstandort im Netzwerk des Unternehmens hat das BMW Group Werk Debrecen kein eigenes Leitwerk, an dem es sich orientiert, sondern vereint stattdessen als Netzwerk-Werk das jeweils Beste aus verschiedenen Standorten weltweit. Ein wesentlicher Vorteil besteht darin, dass die derzeit über 2000 Mitarbeitenden des Werks im Netzwerk ausgebildet werden können. Dadurch wird das Know-how von Mitarbeitenden an verschiedenen Standorten, wie beispielsweise in China, Südafrika, Mexiko, USA und Deutschland an sie weitergegeben.
Gleichzeitig profitieren die Mitarbeitenden aus dem globalen Netzwerk, indem sie in Debrecen ihr Wissen über Technologien teilen können und anschließend das Wissen zur Produktion der Neuen Klasse-Modelle an ihre Standorte zurückbringen. Dies schafft eine Win-Win-Situation für alle Werke.
Quelle: BMW – Pressemitteilung vom 17.09.2025