Polestar-Chef irritiert über „Technologieoffenheit“

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Daniel Krenzer
Daniel Krenzer
  —  Lesedauer 2 min

Lange war Thomas Ingenlath für Volkswagen in Führungspositionen tätig, inzwischen ist der Deutsche Geschäftsführer des schwedisch-chinesischen Elektroauto-Herstellers Polestar. Den Diskussionen in der Automobilindustrie in seinem Heimatland attestiert Ingenlath nun im Interview mit der Süddeutschen Zeitung (SZ) eine gewisse Schizophrenie. „Zum einen sich zu sorgen. Zum anderen aber auch, immer wieder Zweifel zu streuen, ob Elektromobilität der richtige Weg ist. Aber in Deutschland lässt die Verbrenner-Lobby immer noch nicht locker“, wundert er sich.

In der Krise sieht er aber auch eine Chance, denn manchmal müsse es „richtig dicke kommen“, um sich einmal mit aller Kraft umzuorientieren. Für die unter anderem von der FDP angestoßene „Technologieoffenheit“ in Deutschland in Sachen Mobilität hat er aber keinerlei Verständnis. „Mein Gott, wir müssten schon längst jenseits dieser Diskussion sein. Natürlich ist Elektromobilität die Zukunft“, echauffiert er sich regelrecht. Immer noch über das Aus von Verbrennern zu diskutieren mache Deutschland zu einem „speziellen Markt“. Allerdings gibt es diese Diskussionen auch in vielen süd- und osteuropäischen Ländern.

Kritik an Zweiflern

Dass immer wieder auch von führenden Vertretern der deutschen Automobilindustrie Zweifel am eingeschlagenen Weg geäußert werden, empfindet Ingenlath als verheerend. „Wie will ich die davon überzeugen, wenn ich selber sage: Ja, aber vielleicht. Da vermisse ich einfach wirkliches Leadership“, sagt er mit Blick auf die Kunden, die sich heute überlegen, ein Elektroauto anschaffen zu wollen.

Bei der IAA in München war Polestar nicht mit einem eigenen Stand vertreten. Laut dem Geschäftsführer hat man das aktuell nicht nötig, die Marke sei in Deutschland bereits etabliert. Auch wenn Polestar wie Volvo zum chinesischen Konzern Geely gehört, hat Ingenlath auch Lob für die chinesischen Marktbegleiter übrig. „Gerade BYD, was für eine Story! Die haben einfach technologiemäßig ihre Hausaufgaben gemacht und sind da sehr gut aufgestellt“, stellt er anerkennend fest.

„Wir sind europäisch“

Allerdings würden die chinesischen Marken noch etwas Zeit benötigen, sich auf dem europäischen Markt zu behaupten. Polestar habe über die Volvo-Verbindung da erhebliche Vorteile. Außerdem sehe sich Polestar durchaus nicht als chinesische Marke. „Wir sind in Göteborg zu Hause, wir sind europäisch. Unsere Ingenieure sitzen in Großbritannien. Dass der Eigentümer chinesisch ist, klar. Aber das Produkt ist von A bis Z europäisch“, betont er. So werde das auch in China gesehen.

Quelle: Süddeutsche Zeitung – „Polestar: In Deutschland lässt die Verbrenner-Lobby immer noch nicht locker“

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Daniel Krenzer

Daniel Krenzer

Daniel Krenzer ist als studierter Verkehrsgeograf und gelernter Redakteur seit mehr als zehn Jahren auch als journalistischer Autotester mit Fokus auf alternative Antriebe aktiv und hat sich zudem 2022 zum IHK-zertifizierten Berater für E-Mobilität und alternative Antriebe ausbilden lassen.

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Silverbeard:

Leider hat die etablierte Technologie immer den Vorteil, dass die weiteren Entwicklungskosten gering sind und die Kunden das Produkt kennen.
Es ist also keineswegs so, dass sich immer das bessere Produkt durchsetzt. Und schon gar nicht in der notwendigen Geschwindigkeit.

Dazu kommt ja noch, dass der Vorteil der E-Mobilität sich nicht direkt (oder kaum) für den einzelnen Kunden ergibt, sondern für die Bevölkerung insgesamt. Die wenigsten sind bei Produkten um die 40.000€ und mehr altruistisch, da muß die Regierung schon massiv nachsteuern.

Silverbeard:

Manchmal ist die Vorgabe der Technologie durchaus hilfreich. Die Transformation im Verkehr ist derartig umfangreich und aufwendig, das nicht 2-3 verschiedene Wege parallel finanziert werden können.
BEVs sind ein sehr guter und effizienter Weg, da brauchen wir nicht noch parallel Brennstoffzellen und E-Fuels. Schließlich benötigen diese Technologien ebenfalls gigantische Produktionsstätten überall auf der Welt.

Schon jetzt muß unsere Autoindustrie gestützt werden, weil sie zu spät in den Quark gekommen ist. Wenn die sich jetzt noch auf eine Verlierertechnik spezialisieren, kann Deutschland das mit den Autos auch gleich seinlassen.

Wolfbrecht Gösebert:

@ Mark Müller:

„Physik und Fakten siegen in der […] Technik“

Nö. Genau daran glaube ich nicht!

Wer z.B. die Technikgeschichte wirklich verfolgt, stößt immer wieder auf Beispiele, wo suboptimale Systeme den Markt übernommen haben, so z.B. bei der Tonbandkassette (Philips vs. Grundig) oder beim Videoband, wo auch das techn. schlechtere System „VHS“ ggü. Sony den Markt beherrschte … es war im Einzelnen immer wieder wirtschaftlich/finanzielle Marktmacht, die zur Beherrschung von einzelnen Segmenten führte.

Umweltinteressen kommen da eher ganz zuletzt, weshalb im Hinblick auf die bereits jetzt entstandenen und weiter absehbaren Folgen klare politische Richtlinien erforderlich sind.

Gerd:

Ich stimme Dir grundsätzlich gerne zu, aber wohin „das WIE bestimmt die Wirtschaft“ führt, haben wir beim Abgasskandal oder auch in Fukushima gesehen. Und Technik/Wissenschaft sind halt auch im hohen Grade abhängig oder komplett von der Wirtschaft bezahlt. Ohne politische Weichenstellung zugunsten der Menschen und der Umwelt hat es die letzten 30 Jahre nicht funktioniert. Oder bestenfalls als Abfallprodukt im Sinne von „Geht es der Firma gut, geht es dem Mitarbeiter (finanziell) gut.

Ich persönlich hoffe, dass die Wähler auch die Zusammenhänge verstehen und nicht letztlich diejenigen hochgespült werden, die mit einfachen aber falschen Versprechungen auf Stimmenfang gehen.
Und in diesem Zusammenhang bin ich btw auch sehr froh, dass es eine EU gibt. Dort haben die Lobbyisten deutlich dickere Bretter zu bohren als die letzten 20 Jahre in D.

btt: Natürlich sollen Zipse&Co in FCEV oder eFuels investieren dürfen. Die Politik sollte dann aber auch klarstellen, dass es dafür keine Förderung gibt und das sie das für den falschen Weg hält. H2-Gesellschaft für Prozessindustrie, Gebäude, Schiffahrt etc gern. Aber für die individuelle Mobilität die nächsten 20 Jahre garantiert nicht. Klare Kante!

Läubli:

Das ist die Realität in der Formensprache und eben halt das Opfer der Skaleneffekte.

So sehen ja auch im VW Konzern etwa ein Q4 e-tron fast gleich aus wie ein Skoda Enyaq oder etwa ein ID.4… die Formensprache, vor allem mit Coupe-Heck kann nicht verleugnet werden. Sogar ein e-tron GT kann die Verwandtschaft mit Porsche Taycan nicht leugnen.

Aber… das ist ja nicht neu, ich denke, das stört die Kundengruppen auch nicht. Also weshalb sollte Polestar ein völlig neues Design abseits von Volvo gestalten? Alles was dazu in pro aufgelistet werden könnte, würde automatisch auch für den VW Konzern gelten – oder etwa nicht? Weshalb nicht?

Marc:

Es ist immer einfach, auf andere mit dem Finger zu zeigen und auf populistisch zu machen. Tatsächlich lenkt Freund Ingenlath mit diesem Thema nur davon ab, dass seine China-Autos Polestar und Volvo echte Schwierigkeiten haben, sich voneinander abzugrenzen. Und man hat insgesamt viel zu wenig daraus gemacht, dass man auf dem europäischen Markt bereits etabliert ist.

Im August hat Polestar nicht einmal 1% Marktanteil unter den Elektrischen. Bei Volvo sieht es kaum besser aus, etwa 1,5%. Dort sind übrigens auch im August noch etwa 2/3 der neu zugelassenen Autos Verbrenner gewesen. So viel zur Verbrennerlobby, die sitzt offenbar im eigenen Board und in der eigenen Kundschaft. Ich denke, da soll der Ex-Designer mal ein neues Marketingkonzept designen und die Karosserie könnten sich ruhig im Design auch unterscheiden. Jeder Polestar riecht nach Volvo.

Mark Müller:

Physik und Fakten siegen in der Wissenschaft und Technik, nicht in der Politik. Darum soll sich die Politik aus technischen Lösungen raushalten und nur die Ziele vorgeben, in diesem Fall ein CO2-freier Verkehr. Das nennt sich Technologieoffenheit.

Djebasch:

Leider erkennt man am Thema Technologieoffenheit sehr deutlich das Deutschland ein Problem mit Klimaleugnern hat…
Während in den USA diese zwar auch existieren haben die Demokraten ganz einfach weiter gemacht und schreiben gerade eine teure Erfolgsgeschichte…die aber in der Zukunft ganz klar Geld dem Staat einbringt.
Aufgrund des Einflusses Deutschlands auf andere Länder blockieren wir gerade auch vieles das in der EU bereits geplant ist für weitere Schritte, voran CDU und FDP…
Unsere Industrie läuft eher in ein Riesen Loch aus dem Sie nicht mehr heraus kommt, aber eigentlich kommt es mir eher so vor als das man einen Grund sucht irgendwie aus Deutschland zu verschwinden weil wir eh zu teuer sind…

Mark Müller:

Leider haben Viele nicht verstanden, was Technologieoffenheit heisst.

Technologieoffenheit betrifft die Politik und sie besagt, dass der Staat nur das WAS vorgibt, das WIE hingegen von Wissenschaft, Technik und Wirtschsft bestimmt wird.

Im Falle der Dekarbonisierung des Verkehrs soll der Staat sagen, bis wann er noch wie viel CO2 akzeptiert und wann damit definitiv Schluss ist. Er kann das z.B. mit einer hohen und laufend steigenden Besteuerung der CO2-Produktion tun.
Wissenschaft, Technik und Wirtschaft sind frei, wie sie diese Ziele erreichen wollen. Da mischt sich der Staat nicht ein.

Es ist eine recht infantile Haltung, zu verlangen, dass der Staat immer allen das vorschreibt, was man selbst als die beste Lösung anschaut. Das führt zur Planwirtschaft und kommt fast immer nicht gut. Mit der massiven Förderung von ISDN hat D da ein gutes Beispiel; oder hat jemand von ihnen in den letzten 5 Jahren noch ISDN benutzt.

KaiGo:

Die Technologieoffenheit wird am Ende viel Geld vernichtet haben, weil am Ende am siegen Physik und die Fakten. Es kostet einfach Geld sich unnötige Optionen offen zu halten und mehrgleisig zu fahren. Natürlich wird die Transformation auch nicht in allen Ländern gleichzeitig ablaufen. Aber wie viel Audis, BMW und Mercedes lassen sich in Afrika oder so verkaufen?
Bis 2045 muss Deutschland klimaneutral sein. Besser wäre vorher, aber naja. Heißt ab da dürfen wir eigentlich keine fossilen Energieträger wie Öl/ Benzin oder Gas verbrennen oder man muss das entstandene CO2 irgendwo einlagern. Ein Auto fährt locker mal 15 Jahre durch die Gegend. Also müsste man eigentlich 2030 aufhören Verbrenner zu verkaufen. E-Fuels vergessen wir mal lieber. Wenn Wissing und Lindner ihren Porsche schieben müssen, werden auch die es merken. Die globale Produktion in 2035 würde für 10% des heutigen deutschen Bedarfs reichen. Energieeffizienz sowieso unterirdisch und die lässt sich auch nicht endlos steigern. Also sinnvoll da einsetzen wo es nicht anders geht, wie im Flugverkehr oder der Schifffahrt.
Beim Heizen vollbringt die Politik auch so ein Glanzstück. Die Umstellung auf Wärmepumpen ist unumgänglich, aber da wird so ein Theater und Streit vom Zaun gebrochen, dass alle Normalbürger verunsichert sind. Nicht jeder hat nunmal Bock sich in das Thema richtig einzulesen. Physikalisch eigentlich überhaupt nicht zu hinterfragen. Wärmepumpe: 1kWh Strom macht 3-4kWh Wärme. Grüner Wasserstoff: 1kWh Strom macht wenn’s richtig gut läuft 0,7kWh Wärme. Grünes Erdgas (durch Methanisierung von grünem Wasserstoff) noch deutlich schlechter. Ich weiß echt nicht, was da überhaupt drum rum diskutiert wird.

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