Polestar steht in China vor einem tiefgreifenden Umbruch. Die Elektroautomarke mit schwedischen Wurzeln und chinesischem Eigentümer hat im ersten Halbjahr 2025 nur noch 69 Autos in China verkauft – im April und Mai blieb der Absatz komplett aus. Im März war es ein einziges Exemplar, im Juni immerhin sechs. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es noch 1864.
Während weltweit 30.300 Autos ausgeliefert wurden, geriet das China-Geschäft somit nahezu zum Erliegen. Die Lage hat sich so stark zugespitzt, dass inzwischen nur noch ein Showroom in Shanghai geöffnet ist. Online-Käufe sind nicht mehr möglich. Probefahrten müssen telefonisch vereinbart werden.
Ursprünglich wollte Polestar mit einer eigenen Vertriebsgesellschaft im chinesischen Markt durchstarten. Ein im Juni 2023 gegründetes Joint Venture mit Star Meizu sollte lokale Strukturen stärken. Im vergangenen April wurde die Zusammenarbeit wieder beendet. Die Verantwortung für den Vertrieb liegt seitdem wieder direkt bei Polestar.
Die Dimension der Krise spiegelt sich auch in der Konzernstruktur wider. Der bisherige China-Chef ist bereits ausgetauscht worden. Die Leitung liegt bei einer neuen Führungsperson, was den laufenden Umbau unterstreicht.
Trotz dieser Entwicklung ist laut unternehmensnahen Kreisen kein vollständiger Rückzug aus China geplant. Stattdessen soll das Geschäftsmodell angepasst werden. Der Wandel soll bis Ende des vierten Quartals abgeschlossen sein. Wie genau dieser neue Ansatz aussehen wird, bleibt unklar. Fest steht nur: Die bisherige Strategie ist gescheitert.
International befindet sich Polestar auf Wachstumskurs
International läuft es für Polestar besser. Zwischen Januar und Juni stieg der weltweite Absatz im Vergleich zum Vorjahr um 51 Prozent. Im zweiten Quartal wurden allein 18.000 Autos verkauft – ein Plus von 38 Prozent. Doch diese Zahlen können die Lage nur bedingt entschärfen. Die finanzielle Belastung ist hoch. Seit 2020 hat sich ein Verlust von mehr als 5,1 Milliarden US-Dollar angesammelt. Umgerechnet entspricht das über 4,4 Milliarden Euro. Im Jahr 2024 betrug das Minus allein 2 Milliarden Dollar – rund 1,74 Milliarden Euro.
Die Bilanz zeigt eine Schieflage: Ende 2024 verfügte Polestar über Vermögenswerte in Höhe von etwa 3,5 Milliarden Euro. Gleichzeitig lagen die Verbindlichkeiten bei rund 6,4 Milliarden Euro. Das Eigenkapital war mit rund 2,9 Milliarden Euro im Minus. Angesichts dieser Zahlen sind Zweifel an der wirtschaftlichen Stabilität nachvollziehbar.
Im Juni kam es deshalb zu einer Notmaßnahme. Die PSD Investment Limited, ein wichtiger Investor der Geely-Gruppe, stellte Polestar kurzfristig 174 Millionen Euro zur Verfügung. Dadurch erhöhte sich der Anteil von Geely-Gründer Li Shufu an Polestar auf 66 Prozent. Volvo, das ebenfalls beteiligt ist, hat seinen Anteil von 18 auf 16 Prozent verringert. Die finanzielle Rettung ging also mit einer Machtverschiebung einher.
Ob die Kapitalspritze reicht, ist fraglich. Analysten zweifeln daran, dass die Mittel genügen, um die Marke bis zum Ende des Jahres in die Gewinnzone zu bringen. Denn der Wettbewerb im Elektroautomarkt ist hart, die Margen sind dünn. Polestar muss sich nicht nur gegen Tesla, sondern auch gegen aufstrebende chinesische Hersteller behaupten.
Quelle: YicaiGlobal – Geely-Backed Polestar to Go On Selling in China Despite Cratering Sales, Insider Says / CarNewsChina – Polestar reportedly set to fully exit China this year with only 69 units sold in 2025 H1