Merz für Kehrtwende beim Verbrenner-Aus – Kritik von SPD und Grünen

Cover Image for Merz für Kehrtwende beim Verbrenner-Aus – Kritik von SPD und Grünen
Copyright ©

photocosmos1 / Shutterstock / 2179482495

Tobias Stahl
Tobias Stahl
  —  Lesedauer 4 min

Lange Zeit hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) es vermieden, eine klare Position zum Verbrenner-Aus der EU zu beziehen. Am Freitag kündigte Merz allerdings an, sich in Brüssel für eine Rücknahme des Verbots stark zu machen: „Ich werbe gegenüber der EU-Kommission dafür, dass wir dieses Verbrenner-Verbot aufheben“, erklärte der Kanzler laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) bei einer Veranstaltung in Berlin. Merz räumte bei der Gelegenheit auch ein, dass in der schwarz-roten Koalition bislang nicht jeder der gleichen Meinung ist. „Aber hier gibt es eine ganz klare Vorstellung von mir“, so Merz.

Bereits 2022 hatte die Europäische Union beschlossen, dass in der EU ab 2035 keine neuen Autos mit Benzin- oder Dieselmotor mehr zugelassen werden sollen. Zwar ist bisher kein direktes Verbot vorgesehen, allerdings hat die EU sich auf die Vorgabe geeinigt, dass ab 2035 nur noch Pkw neu zugelassen werden dürfen, die keine Kohlendioxid-Emissionen am Auspuff verursachen. Nach gegenwärtigem Stand der Technik wäre das nur mit batterieelektrischen Fahrzeugen möglich, eine Hintertür für E-Fuels hatte die EU allerdings offengelassen. Das geplante Verbrenner-Aus war seither jedoch immer wieder politisch und medial diskutiert worden. Dass das Verbrenner-Aus in seiner jetzigen Form kaum zu halten sein wird, zeichnet sich dabei schon seit geraumer Zeit ab.

Verschiedene Optionen: Wie der Ersatz für das Verbrenner-Aus aussehen könnte,  ist noch unklar

Laut SZ hatte es Merz noch bei der Eröffnung der diesjährigen Mobilitätsmesse IAA in München vermieden, sich klar für oder gegen das Verbrenner-Aus zu positionieren. Autohersteller hatten sich eine Bekenntnis erhofft, dass auch nach 2035 noch benzin- und dieselbetriebene Pkw in Europa neu zugelassen werden dürfen.

Merz betonte in der Eröffnungsrede die Bedeutung der Automobilbranche für Deutschland – und die steht seit einiger Zeit unter enormem Druck: E-Autos verkaufen sich zuletzt langsamer, als es Analysten und die Branche selbst erwartet hatten. Gleichzeitig üben chinesische E-Autohersteller zunehmenden Preisdruck auf die etablierte Konkurrenz in Europa aus. Die US-Importzölle unter Präsident Trump setzen der Branche ebenfalls zu. Zahlreiche Hersteller und Zulieferer haben deshalb Sparprogramme auf den Weg gebracht und Stellenstreichungen angekündigt.

Unklar ist bislang, wie genau die Rücknahme des Verbrenner-Aus gestaltet werden sollte. Denkbar wären mehrere Ansätze, etwa die Zulassung von Hybridfahrzeugen oder Elektroautos mit Range-Extendern, also benzinbetriebenen Reichweitenverlängerern, weiterhin zu erlauben. Auch die Berechnung der erzielten CO2-Einsparungen seitens der Hersteller könnte flexibler gestaltet werden – beispielsweise, indem die Autobauer auch die Nutzung klimafreundlicher Materialien wie grünem Stahl anrechnen lassen können. Eine Verschiebung des Stichtags für ein Verbrenner-Aus wäre ebenfalls denkbar. Auch bei Branchenvertretern gibt es diesbezüglich keine einheitliche Meinung.

„Verunsichert die Wirtschaft“: SPD und Grüne kritisieren Merz scharf

SPD und Grüne übten scharfe Kritik an Merz‘ Ankündigung. „Wer den Ausstieg aus dem fossilen Verbrenner infrage stellt, gefährdet die langfristige Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und verunsichert die Wirtschaft“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Roloff, dem Tagesspiegel. „Was wir nicht gebrauchen können, ist Planungsunsicherheit“, so Roloff weiter. „Unsere Autoindustrie braucht Rückenwind für die klimaneutrale Zukunft, keinen Anker in der Vergangenheit.“ Die Zukunft des Autos sei in nahezu allen Anwendungsbereichen elektrisch. Darauf müsse man sich konsequent ausrichten, mit Maßnahmen wie gezielten Kaufanreizen, Steuervorteilen sowie dem Ausbau der Ladeinfrastruktur.

„Der Weltmarkt wartet nicht auf uns“, sagte Grünen-Politiker Cem Özdemir dem Tagesspiegel. „Wenn wir international wettbewerbsfähig sein wollen, müssen wir ehrgeizig bleiben und dürfen nicht nachlassen.“ Eine Politik, die die Zukunft der deutschen Industrie im Blick hat, müsse den Blick nach vorne richten und pragmatisch handeln, statt eine „kurzsichtige Rolle rückwärts zu machen“, so Özdemir weiter. „Das heißt: Flexibilität beim ,Wann’ ermöglichen, aber beim ,Wohin’ klar Kurs halten.“

Merz hält es hingegen für „grundsätzlich falsch, wenn der Staat einseitig Technologien vorgibt, die für einen bestimmten Zeitpunkt erreicht werden müssen oder verboten werden müssen“. Der Bundeskanzler will das Thema in dieser Woche beim EU-Gipfel in Kopenhagen zur Sprache bringen.

Quellen: Süddeutsche Zeitung – Merz befürwortet ein Aus fürs Verbrenner-Aus / Tagesspiegel – SPD und Grüne kritisieren Merz – „verunsichert die Wirtschaft“

worthy pixel img
Tobias Stahl

Tobias Stahl

Tobias Stahl kann sich für alle Formen der Fortbewegung begeistern, aber nachhaltige Mobilität begeistert ihn besonders. Da ist es kein Wunder, dass er schon seit 2019 über E-Autos, erneuerbare Energien und die Verkehrswende berichtet.

Artikel teilen:

Kommentare (Wird geladen...)

Ähnliche Artikel

Cover Image for Warum die Deutschlandnetz-Preise „marktüblich“ sind

Warum die Deutschlandnetz-Preise „marktüblich“ sind

Sebastian Henßler  —  

Bei Preisen wird auf Marktlogik und AFIR verwiesen. Roaming bleibt ein Problem, doch neue Meldepflichten sollen Transparenz schaffen und Ad-hoc-Laden stärken.

Cover Image for E-Transporter Kia PV5 ist „International Van of the Year“

E-Transporter Kia PV5 ist „International Van of the Year“

Michael Neißendorfer  —  

Der seit 1992 vergebene Award gilt als die weltweit renommierteste Auszeichnung im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge, den nun erstmals Kia gewinnt.

Cover Image for 308 verschiedene Preise: ACE kritisiert Ladepreis-Chaos

308 verschiedene Preise: ACE kritisiert Ladepreis-Chaos

Daniel Krenzer  —  

Das Laden von E-Autos ist zu teuer, sagt der Auto Club – und macht dies an einer fragwürdigen Testfahrt durch Deutschland und tendenziösen Berechnungen fest.

Cover Image for Wie kann das E-Auto-Laden im Mehrparteienhaus besser gelingen?

Wie kann das E-Auto-Laden im Mehrparteienhaus besser gelingen?

Michael Neißendorfer  —  

Wie Wohnungswirtschaft und Bewohnende zum Ausbau der Ladeinfrastruktur stehen, untersucht eine aktuelle Studie unter Leitung des Fraunhofer ISI.

Cover Image for Neue Wasserstoff-Allianz will Tankstellen-Ausbau vorantreiben

Neue Wasserstoff-Allianz will Tankstellen-Ausbau vorantreiben

Michael Neißendorfer  —  

Sechs führende europäische Betreiber von Wasserstofftankstellen haben sich zur H2 Infrastructure Alliance zusammengeschlossen, um den Ausbau der Wasserstoffmobilität zu beschleunigen, nachdem zuletzt viele Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland abgebaut wurden und von einst 100 aktuell nur noch etwa 80 übrig geblieben sind. Die Allianz betont auch die entscheidende Bedeutung der Verfügbarkeit von Fahrzeugmodellen. Ziel der Lobbyvereinigung es, […]

Cover Image for Renault bringt Elektro-Lkw für die Langstrecke

Renault bringt Elektro-Lkw für die Langstrecke

Michael Neißendorfer  —  

Renault Trucks erweitert seine E-Tech T Serie an Elektro-Lkw: neu sind der E-Tech T 585 und der E-Tech T 780, der mit einer Ladung bis zu 600 km weit kommt.