Mercedes-CEO Källenius: Deutschland braucht vollen Einsatz

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Mercedes-Benz

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 4 min

Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung spricht Mercedes-Chef Ola Källenius über die geopolitischen Herausforderungen der Branche, seine Erwartungen an die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz, die Strategie beim Ausbau der Elektromobilität sowie die Zukunft der Produktion in Deutschland. Besonders im Fokus steht dabei die Handelspolitik zwischen Europa, den USA und China. Källenius begrüßt ausdrücklich den frühen Besuch von Bundeskanzler Merz bei US-Präsident Donald Trump. Das sei „ein sehr gutes Zeichen“, weil Amerika nicht nur ökonomisch, sondern auch strategisch ein zentraler Partner für Deutschland sei.

Im Zusammenhang mit möglichen US-Zöllen auf europäische Autos betont der Mercedes-Chef die Bedeutung einer ausgewogenen Betrachtung beider Handelsrichtungen. Mercedes zählt zu den größten industriellen Exporteuren aus den USA und produziert dort für den Weltmarkt. Deshalb habe man den Vorschlag unterbreitet, Import- und Exportvolumina miteinander zu verrechnen, um so die wirtschaftlichen Folgen von Zöllen zu begrenzen. „Ein Beispiel ist die Idee, dass Warenströme in beide Richtungen berücksichtigt werden sollten“, so Källenius. Ob solche Vorschläge bei Donald Trump Gehör finden, bleibt offen – aber: „Ich habe den Eindruck, dass alle politischen Entscheidungsträger […] sehr aufmerksam zuhören – allen voran den Vertretern der großen und wichtigen Industrien.“

Dass Mercedes inzwischen bestimmte Modelle wie den GLC für den US-Markt lokal in Alabama produziert, sei kein Zeichen für einen Rückzug aus Deutschland. Im Gegenteil: „Sindelfingen gehört mit Stuttgart-Untertürkheim zu den Hauptstandorten von Mercedes-Benz. Hier schlägt unser Herz“, betont Källenius. Für 2024 seien Investitionen von rund 14 Milliarden Euro geplant – ein Großteil davon in Europa und insbesondere in Deutschland. Gleichzeitig wolle das Unternehmen aber auch im wachstumsstarken US-Markt expandieren und seine globale Präsenz weiter ausbauen. Die Autoindustrie sei ein eng vernetztes System, weshalb Wachstum in den USA auch Arbeitsplätze in Deutschland sichere.

Im Gespräch geht es auch um die Perspektiven für das neue Elektro-Modell CLA. Zwar könnte der CLA in den USA unter den aktuellen Zollbedingungen wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten, doch ein Produktionsverlagerung sei derzeit nicht vorgesehen. Der Produktionsstart in Rastatt sei gerade erfolgt, und „momentan keine Pläne“, den CLA in den USA zu bauen. Man folge einer „Local-for-Local“-Strategie, bei der die USA vor allem für SUV-Modelle zuständig seien. Eskalationen im transatlantischen Handelskonflikt sieht Källenius kritisch. Die Stärke Deutschlands liege im Export, weshalb Handelsbarrieren aus seiner Sicht mehr Schaden als Nutzen bringen würden: „Wenn ich verantwortlich für die Verhandlungen wäre, würde ich über andere Dinge nachdenken.“

Angesichts wachsender Komplexität der Märkte sieht sich der Konzern dennoch stabil aufgestellt. Källenius verweist auf eine starke Bilanz mit über 30 Milliarden Euro Netto-Liquidität und keinerlei industriellen Schulden. „So wie der Schwabe, der sein Haus abbezahlt und dann auch noch was auf dem Sparkonto hat.“ Diese finanzielle Resilienz sei in geopolitisch unsicheren Zeiten ein strategischer Vorteil. Zusätzlich greife das laufende Effizienzprogramm „Next Level Performance“, mit dem die Wettbewerbsfähigkeit weiter gestärkt werden soll. An vereinbarten Sparzielen mit dem Betriebsrat werde festgehalten. Werksschließungen seien kein Thema. Die Werke seien so organisiert, dass sie je nach Auftragslage „atmen“ könnten – in schwächeren Zeiten auch mit Leiharbeitskräften, die flexibel einsetzbar sind.

„Unser Produktfeuerwerk muss zünden“

Die zentrale Herausforderung bleibt der Markterfolg neuer Modelle. Källenius ist überzeugt, dass Mercedes mit einem „Produktfeuerwerk“ ab 2027 wieder wachsen wird. Besonders der CLA entwickle sich schon jetzt erfreulich, was den Auftragseingang betreffe. Dennoch sei klar: „Unser Produktfeuerwerk muss zünden.“ Das Ziel sei, deutlich mehr Elektroautos zu verkaufen als heute. Der GLC werde in seiner nächsten Generation erstmals vollelektrisch angeboten – als das bislang meistverkaufte Modell von Mercedes ein strategisch wichtiger Schritt. Der Rückstand auf BMW bei E-Auto-Zahlen werde häufig überbewertet, meint Källenius. Während Mercedes den Fokus bislang auf die Oberklasse gelegt habe, wachse der Markt vor allem in der Mittelklasse – dort wolle man jetzt aufholen.

Als Präsident des europäischen Automobilverbands ACEA macht sich Källenius für eine „intelligente Flexibilisierung“ des Verbrenner-Aus-Plans ab 2035 stark. Das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 stehe außer Frage, aber der Weg dorthin dürfe nicht zu eindimensional gestaltet sein. Er verweist auf China, wo der Übergang zum Elektroauto mit marktwirtschaftlichen Anreizen statt Verboten besser gelinge. „Der Systemwechsel im Autoverkehr ist multidimensional“, sagt Källenius. Neben CO₂-Vermeidung brauche es wirtschaftliche Stärke und robuste Lieferketten – eine Botschaft, die auch im Draghi-Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit der EU betont werde.

Beim Thema Flottenemissionen verteidigt sich Källenius gegen Kritik: Mercedes habe keinen Aufschub bekommen, sondern es gebe einen Drei-Jahres-Durchschnitt. Das System sei gerecht, da CO₂-Einsparungen handelbar seien. Allerdings müsse berücksichtigt werden, dass Mercedes durch seine erfolgreiche Van-Sparte mit strukturell höheren Emissionen startet – was den Vergleich mit Wettbewerbern wie BMW erschwere: „Da werden Äpfel mit Birnen verglichen.“

Zum Schluss äußert sich Källenius auch zur Wirtschaftspolitik in Deutschland. Er begrüßt das klare Bekenntnis zum Wachstum im Koalitionsvertrag der neuen Regierung. Schon vor deren Amtsantritt habe SPD-Vizekanzler Lars Klingbeil bei einem Besuch in Sindelfingen unterstrichen, dass die Autoindustrie eine Schlüsselbranche sei. Mercedes wolle weiterhin ein „starker Motor für den deutschen Wirtschaftsstandort“ sein. Dass Kanzler Merz zuletzt längere Arbeitszeiten ins Spiel gebracht habe, hält Källenius für richtig. Deutschland müsse wieder „auf allerhöchstem Niveau mitspielen“ – und dafür brauche es vollen Einsatz: „Wenn du zur Fußball-WM fährst und dort den Pokal holen willst, dann musst du dafür die notwendigen Trainingseinheiten absolvieren.“

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung – „Eskalation ist keine Lösung für den Handelskonflikt“

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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