Bei einer Fahrveranstaltung rund um München Anfang September präsentierte XPeng sein Flaggschiff G9 – ein SUV, das mit frischem Facelift, neuer Batterietechnik und klarer Positionierung die obere Mittelklasse ins Visier nimmt. Mit 4,89 Metern Länge, fast drei Metern Radstand und einem Einstiegspreis von 59.600 Euro bewegt sich der G9 direkt im Revier von BMW iX und Audi Q8 e-tron, bleibt dabei aber spürbar günstiger.
Drei Varianten stehen bereit: die Standard Range mit 258 kW (351 PS), die Long-Range-Version mit gleicher Leistung und bis zu 585 Kilometern Reichweite sowie die AWD Performance mit 423 kW (575 PS), die ab 72.600 Euro angeboten wird.
Markantes Design und die Black Edition des G9 als klares Statement
Schon optisch legt der G9 Wert auf eine klare Abgrenzung. Die neu gestaltete Front kombiniert geometrische Muster mit einem unauffällig integrierten Radarsystem, die Türgriffe liegen bündig in der Karosserie und die serienmäßigen 20-Zoll-Räder verstärken den kraftvollen Auftritt. Optional setzt die Black Edition (Aufpreis 1500 Euro, nur in Verbindung mit der AWD Performance) noch einen drauf: Lackiert in Midnight Black, mit schwarzen 21-Zoll-Felgen, abgedunkelten Emblemen und Zierleisten sowie orangefarbenen Bremssätteln wirkt der G9 hier besonders markant.
„All diese Designelemente machen das Auto mutig und betonen den sportlichen Charakter“, erklärte Giovanni Grimaldi, EU-Produktmarketing-Manager von XPeng. Davon konnte ich mich optisch selbst überzeugen, denn mein Testwagen rollte in genau dieser Black Edition vor – ein Auftritt, der sich bewusst an europäischen Premium-Vorbildern orientiert und den Anspruch des G9 als Flaggschiff der Marke unterstreicht.
Innenraum mit Premium-Anspruch und viel Raum für die Familie
Der Innenraum untermauert diesen Anspruch noch deutlicher, als es die äußere Erscheinung vermuten lässt. Schon beim Einsteigen fällt die Materialwahl ins Auge: Nahezu alle Flächen sind mit Soft-Touch-Oberflächen versehen, Leder und Ziernähte ziehen sich über Armaturenbrett, Türverkleidungen und Mittelkonsole.
Optional stehen Nappaledersitze zur Verfügung, die mit 26 Millimetern Memory-Schaumstoff gepolstert sind und ein ergonomisches Design bieten. Diese Sitze lassen sich vielfach elektrisch verstellen, inklusive ausziehbarer Oberschenkelauflage, und bieten Heizung, Belüftung sowie eine Shiatsu-Massagefunktion – auf Wunsch sogar auch für die äußeren Rücksitze. Grimaldi brachte es bei der Präsentation auf den Punkt: „Jede Fahrt soll luxuriös und entspannend sein.“
Praktische Details ergänzen diesen Komfortanspruch. Die Mittelkonsole beherbergt ein Kühlfach, das Getränke auf langen Strecken frisch hält, während zwei belüftete Qi-Ladeflächen Smartphones induktiv laden, ohne sie zu überhitzen. Soft-Close-Türen gehören ebenso zur Ausstattung wie eine Vier-Zonen-Klimaautomatik mit Wärmepumpe und ein Dynaudio-Soundsystem mit bis zu 21 Lautsprechern, darunter einem im Fahrersitz integrierten Lautsprecher für Dolby-Atmos-Klang.
Auch die Platzverhältnisse überzeugen. Hinten profitieren Passagiere von einer elektrisch verstellbaren Lehne, großzügiger Beinfreiheit und der Möglichkeit, die Sitze zu beheizen oder zu belüften. Der Kofferraum fasst 660 Liter und lässt sich durch Umklappen der Rückbank auf 1576 Liter erweitern. Unter der Haube ergänzt ein 71-Liter-Frunk den Stauraum, was gerade für Ladekabel praktisch ist.
Kritik bleibt dennoch. Ein Head-up-Display sucht man im G9 vergeblich – in dieser Klasse ein Manko, das auch andere Kolleg:innen bemängelten. Ebenso bietet das große Panoramaglasdach zwar viel Licht und eine hochwertige Beschichtung gegen UV-Strahlung, allerdings kein integriertes Rollo oder eine elektrochrome Abdunkelung. Das schmälert den ansonsten sehr überzeugenden Eindruck eines Interieurs, das sich nicht nur optisch, sondern auch funktional mit etablierten Premium-SUV messen will.
Ladegeschwindigkeit auf dem Prüfstand – Theorie und Praxis
Technisch setzt der G9 Maßstäbe, weil XPeng hier auf eine Kombination setzt, die es so bislang in dieser Fahrzeugklasse nicht gab. Der 93,1-kWh-Akku basiert auf LFP-Chemie, also Lithium-Eisenphosphat, und kommt ohne Nickel, Mangan und Kobalt aus. Das macht ihn nicht nur günstiger in der Herstellung und robuster im Betrieb, sondern auch thermisch stabiler und potenziell nachhaltiger. Normalerweise gelten LFP-Akkus als eher träge beim Schnellladen, doch XPeng kombiniert sie mit einer 800-Volt-Architektur und 5C-Ladetechnik. Daraus ergibt sich eine nominelle Ladeleistung von bis zu 525 kW – ein Wert, der den G9 zumindest auf dem Papier in eine eigene Liga hebt.
In der Praxis fiel das Bild allerdings differenzierter aus. An einem 400-kW-HPC konnten wir bei 48 Prozent SoC konstant rund 170 kW bis auf 80 Prozent abrufen. An der benachbarten Säule erreichte ein weiteres Auto kurzzeitig immerhin 300 kW Peak, die Leistung pendelte sich anschließend stabil oberhalb von 200 kW ein. Solche Unterschiede verdeutlichen, dass neben der Fahrzeugtechnik auch der Ladepark und die Batteriekonditionierung eine Rolle spielen.
Gleichzeitig gibt es Beispiele, die die Werksangaben untermauern: In anderen Versuchen hielt der G9 bei Ionity-Ladestationen über weite Teile der Ladekurve konstant mehr als 300 kW und kam fast an die 400 kW heran. Auch bei höheren Ladeständen blieb die Leistung ungewöhnlich stabil – selbst bei 75 Prozent SoC flossen noch über 270 kW, wie ein Kollege berichtet. Das spricht dafür, dass XPeng die Grenzen der LFP-Technologie tatsächlich ein Stück weit verschoben hat.
Für eine abschließende Bewertung wird ein längerer Test nötig sein, idealerweise unter kontrollierten Bedingungen und an unterschiedlichen Ladeparks. Klar ist aber schon jetzt: Selbst wenn der G9 die nominellen 525 kW nicht konstant erreicht – was derzeit durch die Ladeinfrastruktur begrenzt ist, zählt er zu den am schnellsten ladenden E-SUVs am Markt.
Fahrkomfort und Dynamik im Alltagstest
Auf der Straße zeigt der XPeng G9, dass er nicht nur auf Datenblättern überzeugt, sondern auch im Alltag eine klare Charakteristik entwickelt. Die von uns gefahrene AWD Performance-Variante liefert mit 423 kW (575 PS) und 695 Nm Drehmoment spürbar Leistung auf Abruf. Der Sprint von 0 auf 100 km/h gelingt in 4,2 Sekunden-Zahlen, die in der Praxis mit einer souveränen, aber nicht übermäßig aggressiven Kraftentfaltung bestätigt werden. Was man festhalten kann, der Stromer hat zu jeder Zeit, egal in welchen Situationen wir aufs Strompedal getreten sind, ausreichend Power, um nach vorn zu schießen.
Das adaptive Luftfahrwerk spielt beim Fahrgefühl eine zentrale Rolle. Es lässt sich um insgesamt zehn Zentimeter in der Höhe variieren – von minus 50 bis plus 50 Millimeter. Im Komfortmodus gleitet der G9 fast schwerelos über Unebenheiten, während er im Sportmodus spürbar straffer wird und sich um 15 Millimeter absenkt. Bei Autobahntempo legt sich das Fahrzeug automatisch tiefer, um die Aerodynamik zu verbessern. Trotz dieser Technik bleibt die Abstimmung insgesamt komfortorientiert. Besonders in schnellen Kurven wird deutlich, dass das SUV eher auf Reisekomfort als auf sportliche Härte ausgelegt ist.
Auf der Autobahn zeigt der G9 ein souveränes Bild, auch wenn kleinere Schwächen auffallen. Die Höchstgeschwindigkeit ist auf knapp über 200 km/h begrenzt. Mit ein wenig Gefälle und genügend Rückenwind waren hier aber, wie bereits beim G6 von Xpeng, bis zu 214 km/h drin. Bis etwa 130 km/h bleibt es im Innenraum angenehm leise, darüber werden Windgeräusche deutlicher hörbar. Zudem flattert die Fronthaube bei höheren Geschwindigkeiten leicht. Dennoch bleibt der Eindruck positiv: selbst bei 200 km/h ist der G9 stabil und entspannt fahrbar.
Beim Verbrauch bewegt sich der G9 in einem Bereich, der für ein fast 2,4 Tonnen schweres SUV durchaus vorzeigbar ist. Auf unseren Etappen lagen die Werte zwischen 18,9 und 23,4 kWh pro 100 Kilometer – abhängig von Strecke und Fahrweise. Im Alltag lassen sich mit moderater Fahrweise auch niedrigere Werte erreichen, während auf der Autobahn bei konstant hohen Geschwindigkeiten der obere Bereich realistisch ist.
Premium-Ambitionen mit Preisvorteil – und ein klarer Fahrplan
Mit dem G9 bringt XPeng ein Elektro-SUV nach Europa, das sich klar im Premiumsegment positioniert, aber preislich noch unterhalb der etablierten deutschen Konkurrenz liegt. Das Gesamtpaket aus Platzangebot, Ausstattung, Ladeperformance und Reichweite zeigt, dass die Marke den europäischen Markt ernst nimmt und technologisch eigene Akzente setzt.
Für Käufer, die ein luxuriöses, alltagstaugliches Elektroauto suchen und dabei auch neue Anbieter in Betracht ziehen, dürfte der G9 eine ernsthafte Alternative darstellen. Mit Auslieferung erster Fahrzeuge ist nach der IAA Mobility Mitte September 2025 zu rechnen.
Disclaimer: Xpeng hat zum Kennenlernen des Xpeng G9 nach München eingeladen. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf unsere hier geschriebene ehrliche Meinung.