E-Auto vs. Verbrenner: Sechsmal weiter mit gleicher Energie

E-Auto vs. Verbrenner: Sechsmal weiter mit gleicher Energie
Copyright ©

Shutterstock / 1844224687

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 4 min

Der deutsche Physiker Johannes Kückens kritisiert im Interview mit dem Standard aus Österreich die politische Debatte rund um sogenannte „hocheffiziente Verbrenner“ scharf. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte dafür geworben, das Verbrenner-Aus zu verschieben und moderne Motoren auch nach 2035 neu zuzulassen. Für Kückens ist der Begriff jedoch irreführend: „Das ist kein physikalischer Begriff, sondern ein politischer Kampfbegriff.“ Verbrennungsmotoren seien physikalisch bedingt sogenannte Wärmekraftmaschinen, die an harte Grenzen stoßen: „Sie können niemals hocheffizient sein.“

Kückens erklärt diese Grenzen anschaulich anhand der Thermodynamik. Der zweite Hauptsatz besagt, dass Wärmeenergie nie vollständig in Bewegung umgewandelt werden kann. Ein Großteil müsse als Abwärme abgeführt werden. Dadurch bleibe der mögliche Wirkungsgrad von Diesel- und Benzinmotoren fundamental begrenzt. In der Theorie lägen Dieselaggregate bei rund 65 Prozent, in der Praxis erreichen moderne Motoren jedoch deutlich weniger. „Neue Benziner liegen bei etwa 40 Prozent, Diesel bei 45 Prozent – aber nur unter optimalen Laborbedingungen.“ Im Straßenverkehr seien realistisch eher 25 Prozent. Und besser wird es nicht mehr: „Die Möglichkeiten des Verbrenners sind längst ausgereizt“, sagt Kückens.

Die oft diskutierte Frage, ob Ingenieurskunst die Effizienz weiter steigern könnte, weist Kückens zurück. Zwar habe die historische Entwicklung von der frühen Dampfmaschine bis zu heutigen Verbrennern große Sprünge gemacht. Nun aber sei Schluss: „Wir stehen heute bei rund 45 Prozent Wirkungsgrad und stoßen auf physikalische Grenzen. Es wird niemals möglich sein, auf 80 oder 90 Prozent zu kommen.“ Der Vergleich falle klar aus: „Es gibt heute schon Motoren mit mehr als 90 Prozent Wirkungsgrad. Das sind Elektroautos.“

Besonders kritisch sieht der Physiker die politische Hoffnung, E-Fuels könnten den Verbrenner in die Zukunft retten. Kückens beschreibt die Herstellung als dreistufigen, extrem energieintensiven Prozess: Elektrolyse für Wasserstoff, CO₂-Abscheidung aus der Luft und anschließende Synthese zu Kohlenwasserstoffen. „Leider enthalten diese Kraftstoffe wegen der aufwendigen Herstellung nur noch halb so viel Energie, wie man anfangs an erneuerbarem Strom hineingesteckt hat.“ Noch schwerer wiege jedoch, dass sie in einem ineffizienten Motor verbrannt werden: „Am Ende landen nur etwas mehr als zehn Prozent der eingesetzten Energie auf der Straße.“ Sein Fazit: „Man kommt mit der gleichen Menge Strom mit dem E-Auto sechsmal so weit wie mit einem Verbrenner, der E-Fuels tankt.“

Eine breite Nutzung von E-Fuels hält Kückens für ökonomisch ausgeschlossen. Weder gebe es entsprechende Produktionsanlagen, noch seien die Treibstoffe bezahlbar. Die Zukunft sieht er klar beim Elektroantrieb – aus naturwissenschaftlicher Sicht und aus Effizienzgründen. „E-Autos haben im realen Straßenverkehr einen Wirkungsgrad von etwa 70 Prozent.“ Die Technik sei zudem einfacher, ressourcenschonender im Betrieb und lokal emissionsfrei. Während Verbrenner über ihre Lebensdauer große Mengen an Rohstoffen in Form von Öl verbrauchen, bleiben die in Batterien genutzten Metalle erhalten und können recycelt werden. In Europa entstehe dafür gerade eine Industrie. Entscheidend sei der Blick auf die Gesamtbilanz: „Der Rohstoffbedarf für ein Verbrennungsauto ist – rechnet man Herstellung und Nutzung zusammen – viel größer.“

„Die Bequemlichkeit ist natürlich ein Argument für den Verbrenner“

Auch zur schleppenden Transformation der deutschen Autoindustrie äußert sich Kückens. Aus physikalischer Sicht sei der Umstieg längst überfällig gewesen. Gründe für das Zögern sieht er weniger in der Technik, sondern im Verhalten der Nutzer. „Die Bequemlichkeit ist natürlich ein Argument für den Verbrenner.“ Elektroautos seien lange teurer gewesen und hätten eine kürzere Reichweite gehabt. Die Umstellung sei auch eine psychologische Frage.

Die politische Debatte über ein mögliches späteres Verbrenner-Aus bewertet Kückens deutlich: „Das wäre dramatisch.“ Jedes zusätzliche Jahr mit Verbrennern sei schlecht fürs Klima und erhöhe die Temperaturen weiter. Er warnt zudem vor negativen industriepolitischen Folgen. Eine Verschiebung könne den Rückstand Europas gegenüber China vergrößern. Und auch für Käufer sieht er keine Zukunft im späten Verbrennerkauf: „Ganz ehrlich, wer sich 2035 noch einen Verbrenner kaufen wird, der wird selbst schuld sein.“ Mit steigenden CO₂-Preisen werde dieser Antrieb deutlich teurer als ein Elektroauto.

Sein abschließendes Urteil fällt eindeutig aus: „Ist der Elektromotor im Vergleich mit dem Verbrenner beim Pkw die überlegene Technologie? Die Antwort ist in jeder Hinsicht Ja.“

Quelle: DerStandard – Physiker: „Die Möglichkeiten des Verbrennungsmotors sind längst ausgereizt“

worthy pixel img
Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

Artikel teilen:

Wird geladen...

Ähnliche Artikel

Wer den weltweiten Rohstoffmarkt für Batterien dominiert

Wer den weltweiten Rohstoffmarkt für Batterien dominiert

Michael Neißendorfer  —  

Chinesische Firmen dominieren fast alle kritischen Rohstoffsektoren für die Batterieproduktion. Ihr Einfluss schwindet zwar, allerdings sehr langsam.

E-Auto vs. Verbrenner: Sechsmal weiter mit gleicher Energie

E-Auto vs. Verbrenner: Sechsmal weiter mit gleicher Energie

Sebastian Henßler  —  

Ein Physiker erklärt, warum „hocheffiziente Verbrenner“ physikalisch unmöglich sind und an Effizienz nie an E-Autos heranreichen. Schon gar nicht mit E-Fuels.

BMW: Milan Nedeljković folgt 2026 auf Oliver Zipse

BMW: Milan Nedeljković folgt 2026 auf Oliver Zipse

Sebastian Henßler  —  

BMW kündigt mit Milan Nedeljković einen neuen Chef für Mai 2026 an und leitet damit den geplanten Wechsel nach der langen Amtszeit von Oliver Zipse ein.

Ford baut günstige E-Autos auf Renault-Plattform

Ford baut günstige E-Autos auf Renault-Plattform

Michael Neißendorfer  —  

Ford besinnt sich darauf, wonach der Markt giert: Günstige E-Autos für den Massenmarkt. Aus eigener Kraft schafft es der Hersteller allerdings nicht.

IEA: Autoindustrie muss tiefgreifenden Veränderungen standhalten

IEA: Autoindustrie muss tiefgreifenden Veränderungen standhalten

Tobias Stahl  —  

In einem Lagebericht analysiert die IEA den Strukturwandel in der Automobilindustrie – und empfiehlt Stellschrauben, an denen Hersteller und Länder drehen können.

Ionity: Zukunft des Schnellladens liegt in der Stadt

Ionity: Zukunft des Schnellladens liegt in der Stadt

Sebastian Henßler  —  

Ionity sieht ein Überangebot an Autobahnen, aber Lücken in Städten – und setzt daher auf urbane Standorte wie Supermärkte und Gastronomie-Ladeparks.