Kann die Landwirtschaft ohne klassischen Diesel überhaupt funktionieren? Diese Frage stellt sich spätestens seit dem angekündigten schrittweise Wegfall der Agrarsubventionen auf den fossilen Treibstoff. Doch was sind realistische Alternativen? “Mit ein wenig Elektrifizierung und mit Biokraftstoffen wäre es in Schritten durchaus zu schaffen”, sagt Pr. Dr. Peter Pickel im Interview mit Edison Media über eine mögliche vollständige Dekarbonisierung der Branche. Er ist beim European Technology Center von Landmaschinenhersteller John Deere in Kaiserslautern verantwortlich für Zukunftstechnologien.
Die Europäische Union gibt vor, dass die Landwirtschaft in Europa ab 2050 emissionsfrei sein soll, was die genutzten Fahrzeuge betrifft. Die Bundesregierung hat diesem Vorhaben nun den Weg geebnet, wenn auch angesichts akuter Sparzwänge überstürzt – und bekanntermaßen sehr zum Missfallen der Landwirte, die gegen diese finanziellen Einbußen seitdem in großer Zahl auf die Straßen gehen. Doch auch wenn die Überlegung einer Dekarbonisierung der Landwirtschaft politisch nachvollziehbar klingt, stellt sich die Frage: Geht das denn? Der Experte von John Deere sagt dazu zusammengefasst: Ja – aber es ist sehr schwierig.
Fahrzeuge sind nur kleiner Teil des CO2-Kuchens
Doch bevor er im Gespräch auf die technischen Möglichkeiten eingeht, relativiert Pickel zunächst: Die Landwirtschaft in Deutschland emittiere etwa 68 Millionen Tonnen CO2 im Jahr – sechs Millionen Tonnen davon entstünden durch Einsatz von fossilen Kraftstoffen, was gut neun Prozent der landwirtschaftlichen Klimaemissionen in Deutschland entspreche. “Der Anteil der Traktoren und Landmaschinen an der Erderwärmung ist also sehr gering, um das hier mal deutlich zu machen”, stellt Pickel fest. Dennoch arbeite die Branche daran, diesen Wert zu senken.
Wo immer es möglich ist, sei auch in der Landwirtschaft die Elektromobilität das erste Mittel der Wahl – bloß sei es kaum möglich. Vollelektrische landwirtschaftliche Fahrzeuge “wird es aus technischen Gründen nur im unteren Leistungsbereich geben, also bis zu einer Leistung von etwa 100 Pferdestärken. Darüber macht eine Elektrifizierung keinen Sinn” – vor allem wegen der dann nötigen extrem großen und schweren Akkus. Daher sei eine umfangreiche Dekarbonisierung der Landwirtschaft nur durch die Nutzung von Biokraftstoffen möglich. Auch Wasserstoff scheide neben dem großen Platzbedarf und Gewicht der Technik aus Sicherheitsgründen angesichts der hohen Belastung der Fahrzeuge eher aus.
Biokraftstoffe würden für Landwirte ausreichen
Doch für Biokraftstoffe wären große Flächen notwendig, wo diese angebaut werden – zu große, um weite Teile des Verkehrs damit versorgen zu können. “Für die Landwirtschaft würde es aber sicher ausreichen. Wir können etwa sechs bis sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen in Deutschland einsetzen, um die Landwirtschaft mit Biokraftstoffen zu versorgen“, sagt Pickel. In grob einem solchen Umfang ergebe das Sinn und sei nachhaltig. “Der Verbrauch der Landwirtschaft beträgt etwa vier Prozent des Transportsektors. Dieser Bedarf ließe sich sicher decken. Für größere Mengen aber reichen unsere Flächen nicht”, führt der Experte aus.
Auch John Deere will bald einen elektrischen Traktor vorstellen, doch der werde – wie von anderen Herstellern auch – eher klein ausfallen. Die Hoffnung auf eine Lösung für deutlich größere E-Traktoren ist aber noch nicht erloschen, wie Pickel sagt: “Wir träumen natürlich weiter von einem Wunder-Akku und haben auch bereits skizziert, wie ein vollelektrischer Traktor im Jahr 2040 oder 2045 aussehen könnte.”
Quelle: Edison – “Über 100 PS macht eine Elektrifizierung keinen Sinn“