Autofrachter Morning Midas ist gesunken

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Eines der ersten Bilder der Einsatzkräfte, nachdem sie erstmals das brennende Schiff erreicht hatten. Nun ist es gesunken / U.S. Coast Guard District 17

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 6 min

Knapp zwei Wochen lang brannte das Frachtschiff Morning Midas, erst Mitte der vergangenen Wochenende meldete Eigentümer Zodiac Maritime Systems, dass das am 3. Juni ausgebrochene Feuer auf dem seitdem führerlos im Nordpazifik treibenden Frachter offenbar erloschen sei. Mehrere Schlepper machten sich daraufhin am Wochenende an die Arbeit, die Morning Midas zu stabilisieren und in einen Hafen zu schleppen. Vergebens – am Montag sank der Autofrachter, und mit ihm die komplett zerstörte Ladung, mehr als 3000 Autos chinesischer Hersteller, darunter etwa 680 Hybridautos und knapp 70 vollelektrische E-Autos, die – man kennt das von ähnlichen Ereignissen wie etwa der Fremantle Highway – vorschnell als Auslöser des Feuers gebrandmarkt wurden.

Mit der Moring Midas sank nun in internationalen Gewässern knapp 800 Kilometer vor der Kette der Aleuteninseln in Alaska die Möglichkeit, die tatsächliche Brandursache herausfinden zu können. Das wäre ohnehin schwierig bis unmöglich geworden, nach zwei Wochen Feuer auf dem Schiff dürfte ein Großteil der Ladung zu undefinierbaren Metallklumpen verschmolzen sein – die sich nun in gut 5000 Metern Tiefe auf dem Meeresgrund befinden.

„Es gibt keine sichtbare Verschmutzung“, sagte ein Sprecher der US-Küstenwache CNN zufolge. Im Moment gebe es aber mehrere Schiffe vor Ort, um auf jede Verschmutzung schnell reagieren zu können, schließlich befanden sich neben den Pkw auch 350.000 Liter Benzin und 1530 Tonnen sehr schwefelarmes Heizöl (VLSFO) an Bord. Die 22 Besatzungsmitglieder der Morning Midas verließen das Schiff unmittelbar nach dem Ausbruch des Feuers und wurden von einem nahe gelegenen Handelsschiff gerettet. Es gab keine Verletzungen.

Fachleute fordern schon seit Jahren, die Transport- und Sicherheitsvorkehrungen für Transportschiffe dieser Größenordnung kritisch zu hinterfragen und ggf. anzupassen. Auf den Ladedecks werde jeder Zentimeter ausgenutzt, was die Brandbekämpfung erschwere. Die geopolitische Lage bringe zudem neue Risiken und Herausforderungen für die Schifffahrtsbranche mit sich, wie aus dem kurz vor dem Brandausbruch auf der Morning Midas erschienenen Allianz Commercial Safety and Shipping Review (verlinkt als PDF) hervorgeht. Die Branche sieht sich demnach mit einem zunehmend volatilen und komplexen Umfeld konfrontiert, das durch Angriffe auf Schiffe, Sanktionen sowie Sabotagevorwürfe für Schäden an wichtigen Unterseekabeln geprägt ist. Darüber hinaus drohen die Auswirkungen des zunehmenden Protektionismus und der steigenden Zölle, etablierte Lieferketten zu stören und Handelsbeziehungen zu erschüttern. Angesichts der Tatsache, dass 90 Prozent des internationalen Handels über die Meere abgewickelt werden, seien diese Entwicklungen besorgniserregend, heißt es in dem Bericht der Allianz.

Zudem bestehe weiterhin das Potenzial für hohe Schäden aufgrund traditioneller Risiken wie Bränden oder Kollisionen, die nach wie vor die Hauptursachen für Totalverluste großer Schiffe (über 100 GT) seien. Es gebe jedoch auch gute Nachrichten: Die Schifffahrtsbranche hat demnach in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte im Bereich der Sicherheit erzielt. In den 1990er Jahren verlor die weltweite Flotte jährlich mehr als 200 Schiffe. Diese Zahl habe sich in den vergangenen zehn Jahren halbiert und sei nun auf einen Rekordtiefstand von 27 Schiffen zum Ende des Jahres 2024 gesunken (von 35 im Jahr 2023).

„Die Bedeutung politischer Risiken und Konflikte als potenzielle Ursache für Verluste im Seeverkehr nimmt angesichts der verschärften geopolitischen Spannungen zu. Die Gesamtverluste aufgrund traditioneller Ursachen sind zwar im Laufe der Zeit zurückgegangen, aber wir befinden uns in einer Situation, in der dieser positive Trend durch Kriege und andere politische Risiken zunichte gemacht wird“, sagt Kapitän Rahul Khanna, Global Head of Marine Risk Consulting bei Allianz Commercial.

Unsicherheiten und Herausforderungen: Handelskonflikte und die wachsende Schattenflotte

China war das Hauptziel der protektionistischen Maßnahmen der US-Regierung – mit Zöllen von bis zu 145 Prozent – bevor beide Länder sich darauf einigten, diese für 90 Tage abzusenken. Diese Entwicklungen haben den globalen Seehandel erheblich beeinflusst: Etwa 18 Prozent des Handels unterlagen Mitte April 2025 Zöllen, verglichen mit vier Prozent Anfang März. Hinzu kamen dramatische Rückgänge bei den Lieferungen, die unmittelbar nach den „Liberation Day“-Ankündigungen gemeldet wurden.

Während die Zukunft der US-Handelspolitik ungewiss bleibt, stellt ein anderes Phänomen eine weiterhin bestehende und wachsende Herausforderung für die Schifffahrts- und Versicherungsbranche dar: Schattenflotten. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat die Größe der Schattenflotte erheblich zugenommen. Schätzungen zufolge gehören etwa 17 Prozent der weltweiten Tanker zur Schattenflotte, darunter gebe es allein fast 600 Tanker, die russisches Öl handeln. Schiffe der Schattenflotte waren bisher weltweit an Dutzenden von Zwischenfällen beteiligt, darunter Bränden, Kollisionen und Ölverschmutzungen.

„Obwohl die jüngsten Sanktionen den Handel für diese Schiffe erschweren, stellt die Schattenflotte weiterhin ein ernstes Risiko für die maritime Sicherheit und die Umwelt dar. Die Gründe sind das Alter vieler Schiffe, ihr schlechter Wartungszustand und unzureichende Versicherungen. Sollte ein Tanker der Schattenflotte an einer Ölpest beteiligt sein, könnten die Reinigungskosten bis zu 1,6 Milliarden US-Dollar betragen. Kosten, die höchstwahrscheinlich von den Steuerzahlern getragen werden müssen, falls das betroffene Land nicht Mitglied im Internationalen Entschädigungsfonds für Ölverschmutzung ist“, sagt Justus Heinrich, Global Product Leader Marine Hull bei Allianz Commercial.

Brände und falsch deklarierte Ladung bleiben ein Hauptproblem für große Schiffe

Brände auf großen Schiffen sind nach wie vor ein großes Anliegen für Hull- und Cargo-Versicherer: Es gab 2024 sieben Totalverluste über alle Schiffstypen hinweg, genauso viele wie im Vorjahr. Die Gesamtzahl der Vorfälle stieg im Jahresvergleich auf 250, ebenfalls über alle Schiffstypen hinweg – ein Allzeithoch der vergangenen zehn Jahre. Etwa 30 Prozent dieser Brände, 69 an der zahl, ereigneten sich auf Container-, Fracht- oder RoRo-Schiffen (Roll-On/Roll-Off) genannten Autotransportern. In den vergangenen zehn Jahren verursachten Brände insgesamt mehr als 100 Totalverluste von Schiffen.

Bemühungen zur Risikominderung sind im Gange, mit regulatorischen Änderungen und technologischen Fortschritten, die darauf abzielen, falsch deklarierte Ladung besser zu erkennen, einen Hauptverursacher solcher Brände. Mit Blick auf die Elektrifizierung der globalen Wirtschaft und der zunehmenden Zahl von Lithium-Ionen-Batterien sowie Energiespeichern sei dies besonders wichtig. Grundsätzlich gelten Elektroautos allerdings als deutlich weniger anfällig für Brände, wie etwa der deutsche Gesamtverband der Versicherer (GDV) sowie mehrere Feuerwehrverbände betonen.

„Es besteht kaum Zweifel daran, dass die Schifffahrtsindustrie widerstandsfähiger gegenüber Risiken geworden ist. Zugleich können wir keinesfalls sagen, dass sie unter Kontrolle sind, auch wenn die ‚nur‘ 27 Totalverluste im Jahr 2024 den positiven Trend unterstreichen. Um diese Zahl ins Verhältnis zu setzen: Es gibt über 100.000 Schiffe (über 100 GT) in der globalen Flotte. Dennoch bestehen weiterhin Unsicherheiten und zahlreiche Risiken. Die Bedrohung im Roten Meer und Unterbrechungen der Lieferkette werden wahrscheinlich bestehen bleiben. Gleichzeitig erfordert der Übergang zur Klimaneutralität viel Arbeit. Die kommenden Jahre werden insofern entscheidend sein, denn sie bestimmen sowohl die Richtung der Schifffahrt als auch des globalen Handels“, erklärt Kapitän Rahul Khanna, Global Head of Marine Risk Consulting bei Allianz Commercial.

Quelle: CNN – Cargo ship carrying new vehicles to Mexico sinks in the North Pacific weeks after catching fire / Manager Magazin – Warum E-Autos keine Schiffeversenker sind / Manager Magazin – Feuer auf Autofrachter erloschen, Schiffswrack am Tau / Allianz – Pressemitteilung vom 27.05.2025

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Steven Michael:

Felicity Ace, da war VW auch nicht unglücklich. So treiben die E-kutschen die Prämien nach oben

Michael:

Angesichts der Absatzschwäche Chinesischer Autohersteller wäre ich als Versicherung seeehr Misstrauisch, wenn 3000 Fahrzeuge auf einmal an die Versicherung „verkauft“ werden.

Stefan:

Eigentlich ist es ja völlig unklar, ob die Schiffstechnik oder die Ladung für den Brand verantwortlich war. Aber trotzdem möchte man das Ganze verstehen, gerade im Hinblick auf die E-Mobilität. Mich würde interessieren, auf welche Weise die Autos im Ausgangshafen ins Schiff kommen. Vermutlich werden sie über Rampen hineingefahren, und hierbei könnte ich mir eine mögliche Ursache für gefährliche Beschädigungen am Unterboden vorstellen. Und zwar sowohl bei Verbrennern (Kraftstoffleitungen etc.) als auch bei EVs (Hochvoltakku). Schon bei normalen Autofähren kann man ja beobachten, wie stark die Unterbodenfreiheit am Scheitelpunkt der Auffahrrampen eingeschränkt ist. Und hierbei fahren die Chauffeure ja eher vorsichtig und ohne Zeitdruck. Eine spontane Entzündung von nagelneuen unbeschädigten Autos finde ich völlig unlogisch. Und es hat meines Wissens noch nie einen Brand auf einem Containerschiff gegeben, welches die HV-Akkus aus chinesischer Produktion nach Europa transportiert, obwohl das sicher zig tausende sind.

Michael Neißendorfer:

Den Angaben der Behörden bzw. des Schiffeigners nach sollte das so sein, alles andere wäre unlogisch. Schöne Grüße, Michael

Christoph:

Frage an die Redaktion: Gehe ich zurecht davon aus , dass die restlichen knapp 2250 Autos Verbrenner waren? Leider geht das weder aus ihrem Artikel noch aus den Quellen hervor.

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