Warum das Ende von Verbrennerautos in Sicht ist

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Michael Neißendorfer
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Nach mehr als 125 Jahren ist das Ende von Autos mit fossilen Brennstoffen in Sicht: Denn eine stetig wachsende Zahl an Ländern, auf die zusammen satte 45 Prozent des weltweiten Pkw-Absatzes entfallen, hat bereits konkrete Zieltermine festgelegt, an denen der Verkauf von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor eingestellt wird. Ihnen schließen sich einige der größten Städte der Welt an, darunter London, Paris und Tokio, sowie US-Bundesstaaten wie das bevölkerungsreiche Kalifornien und Massachusetts.

Allein im vergangenen Jahr haben Länder mit jährlich insgesamt fast 30 Millionen Pkw-Verkäufen beschlossen, ihre Autoflotten zu dekarbonisieren. Großbritannien etwa, mit gut 2,3 Millionen Neuzulassungen pro Jahr der zweitgrößte Automarkt in Europa, untersagt ab 2030 den Verkauf von Verbrenner-Neufahrzeugen. Japan, mit gut 4,3 Millionen Neuzulassungen pro Jahr, begrenzt den Verbrennerverkauf ab 2035, ebenso Kalifornien, wo pro Jahr gut 2 Millionen neue Autos auf die Straße kommen. Auch der weltweit größte Markt für Neufahrzeuge, China, wo mit jährlich mehr als 21 Millionen Fahrzeugen gut 40 Prozent aller weltweit verkauften Neuwagen zugelassen werden, schreibt ab 2035 vor, dass die Hälfte aller Neuwagen vollelektrisch oder per Plug-in-Hybrid unterwegs sein müssen. Die andere Hälfte muss ebenfalls hybridisiert sein.

In einigen Fällen sind diese Richtlinien zwar noch nicht endgültig rechtskräftig – aber in Verbindung mit immer strengeren Emissionsvorschriften, dem Druck von Vermögensverwaltern und institutionellen Anlegern zu mehr Nachhaltigkeit sowie dem sich stark ändernden Verbrauchergeschmack sind emissionsfreie und emissionsarme Antriebe stark im Kommen.

Eine „bedeutsame Verschiebung in der Branche“

Eine im Spätherbst veröffentlichte Analyse von BloombergNEF geht davon aus, dass Elektrofahrzeuge in Großbritannien auch ohne ein Verbot von Verbrennungsmotoren und ohne andere Anreize im Jahr 2030 42 Prozent des Neuwagenabsatzes und im Jahr 2035 56 Prozent ausmachen würden – allein unter Berücksichtigung der aktuell herrschenden Marktkräfte. Einen „Dominoeffekt“ und eine „bedeutsame Verschiebung in der Branche“ sagt Peter Wells voraus, Professor für Wirtschaft und Nachhaltigkeit und Direktor des Zentrums für Forschung in der Automobilindustrie an der Cardiff University in Wales.

LMC Automotive, ein renommierter und weltweit führender Informationsdienstleister für die Fahrzeugindustrie, hat zuletzt seine Prognose für das Ende von Benzin- und Dieselantrieben in Europa um fünf Jahre auf 2030 vorgezogen. LMC geht dem Analysten Al Bedwell zufolge davon aus, dass nach diesem Datum fast alle Autos, die noch einen Verbrennungsmotor an Bord haben, Vollhybride oder Plug-in-Hybride sein werden, mit einigen milden 48-Volt-Hybriden als Ausnahme. Bis 2035 werden demnach neben vollelektrischen Fahrzeugen nur mehr Plug-in-Hybride auf dem Markt sein. Möglicherweise sei dann bis 2040 die vollständige Elektrifizierung erreicht.

Horst Schneider von der Bank of America sagt Plug-in-Hybriden eine noch kürzere Lebensdauer voraus: „Ich gehe davon aus, dass die Gesetzgeber die allgemein vorteilhafte Behandlung von Plug-in-Hybriden strenger formulieren und möglicherweise eine Mindestreichweite von 100 km vorschreiben“, sagte er gegenüber Automotive News Europe. Dies werde die Teilzeitstromer „aus Kostengründen weniger attraktiv machen als vollelektrische Fahrzeuge.“ Ein langfristiges Überleben von Plug-in-Hybriden sieht Schneider nicht.

Autohersteller und Zulieferer reagieren

Autohersteller reagieren bereits mit der Einführung vieler neuer Elektroauto-Modelle sowie mit der Einstellung von Investitionen in neue Antriebe mit fossilen Brennstoffe. Einige, wie Bentley und Volvo, planen gar bereits eine rein elektrische Zukunft. Andere Hersteller verlagern die Produktion von Verbrennungsmotoren an Partner und Zulieferer oder in Fabriken außerhalb ihrer Heimatländer. Gleichzeitig sind fast alle Autohersteller besorgt darüber, ihre Margen in einer Welt nur mit Elektrofahrzeugen zu erhalten – und untersuchen deshalb neue Einnahmequellen, z.B. auf Basis von Daten und damit verbundenen Diensten.

Europas größte Zulieferer spüren den Wandel ebenfalls und versuchen, ihre Geschäftsmodelle von herkömmlichen Komponenten auf Software und Computer umzustellen. Kleinere Zulieferer, die sich auf Motor- oder Getriebekomponenten spezialisiert haben, machen sich auf das Schlimmste gefasst, da sie aufgrund der geringeren Komplexität des Antriebs eines batterieelektrischen Fahrzeugs einem schrumpfenden Gesamtmarkt gegenüberstehen. „Viele Zulieferer, die Komponenten für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor liefern, können einer erheblichen Bedrohung ausgesetzt sein, wenn sie sich nicht anpassen“, teilte das Beratungsunternehmen PwC in einem Bericht Ende 2019 mit. PwC zufolge können Zulieferer in einem Elektroauto gut 35 bis 40 Prozent der Komponenten liefern, verglichen mit 50 bis 55 Prozent bei einen Verbrennerauto.

Quelle: Automotive News Europe – EV-only future looks closer than ever in Europa

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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