VW-Pläne: ID.-Flotte als Powerbank-Schwarm (exklusive Details)

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Volkswagen

Wolfgang Plank
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  —  Lesedauer 4 min

Die Zahl will Elke Temme nicht länger hinnehmen: Sechseinhalbtausend Gigawattstunden sauberen Strom hat die Republik 2019 durch Stillstand verloren. Eingebüßt, weil Windkraft-Anlagen bei Sturm gestoppt wurden. Nicht etwa, um Rotoren oder Generatoren vor Schaden zu bewahren, sondern weil sie sonst zu viel Elektrizität produziert und das Netz überlastet hätten. Rund 2,7 Millionen E-Autos, sagt die Chefin des Bereichs Laden und Energie bei Volkswagen, „könnten damit ein Jahr lang fahren.“

Gegen die Verschwendung helfen dürfte ein ambitionierter Plan. Als erster Volumenhersteller will Volkswagen seinen Kunden ein komplettes Ökosystem für das Laden ihrer E-Modelle anbieten. Unterwegs sowieso – aber eben auch zuhause. Und das bidirektional. Nicht viel für ein einzelnes Auto, aber eine gewaltige Menge für eine ganze Flotte von ID.-Fahrzeugen. Der Schwarm könnte als mobile Speicher eben jene Energie nutzen, die sonst vertan wäre. Das E-Auto gleichsam als mobile Powerbank.

Hinter der Idee stecken Gemeinsinn und Eigennutz gleichermaßen. „Speicher sind zwingend erforderlich, um den Anteil der erneuerbaren Energien auszubauen“, sagt Temme. Davon würde erstens die Umwelt profitieren, zweitens der VW-Konzern, der sich voll dem E-Auto verschrieben hat und auf steigenden Absatz hofft – und drittens der Kunde, der hintennach eigenen Strom ins öffentliche Netz speisen kann. Im Idealfall könnte es eine Win-win-win-Situation werden.

Lange soll es bis zur Umsetzung nicht mehr dauern. Die Technologie steht kurz vor der Markteinführung, heißt es bei VW. Alle ID. Modelle mit der 77-kWh-Batterie sind künftig entsprechend vorbereitet, bereits ausgelieferte Fahrzeuge können schrittweise per Over-the-Air-Update nachgerüstet werden.

Voraussetzung für das kluge Zusammenspiel von Auto und Haus ist allerdings ein Heim-Energie-Management-System, das die Anforderungen seiner Verbraucher kennt und deren Stromversorgung pfiffig staffeln kann. Vorteil des vernetzten Systems: Die VW-Tochter Elli kann das Laden intelligent steuern und so Spitzen glätten. Temme: Wer traditionell über Nacht zapft, dem könne es schließlich egal sein, ob der meiste Strom ein paar Minuten früher oder später fließt – dem Netzbetreiber hingegen nicht.

Allerdings bringt das Modell nicht nur Vorteile: Normale Anschlüsse für Wechselstrom sind dieser Aufgabe nämlich nicht gewachsen. Stromtransfer und Kommunikation müssen über eine spezielle Gleichstrom-Wallbox erfolgen, die Energiefluss in beide Richtungen möglich macht. Zu Preisen hält sich VW noch bedeckt – deutlich teurer als das übliche Kästchen in der Garage wird’s aber allemal.

Die aufwändige Technik ist notwendig, weil Strom für den gewünschten Puffer-Effekt sehr schnell rein und notfalls auch wieder raus muss. Mit Gleichstrom sei die Nummer technisch weniger komplex, heißt es bei VW. Und: Durch die Trennung vom jeweiligen Wechselstromnetz eines Landes seien die Akku-Autos in dieser Puffer-Funktion weltweit einsetzbar. Apropos: Schäden an der Batterie soll niemand fürchten müssen. VW verspricht: Das Auto setzt technische Grenzen, um die Gewährleistung für den Stromspeicher nicht zu gefährden.

Auch für unterwegs basteln sie bei VW an intelligenten Lösungen. „Laden muss noch einfacher und alltagstauglicher werden“, sagt Silke Bagschik, Marketing-Chefin E-Mobility. Ziel sei es, den Stromer kompromisslos „erstautofähig“ zu machen. Basis von allem sei der Ausbau der Infrastruktur.

Ein wesentlicher Punkt aber auch der Komfort. Deshalb will VW das Angebot „Plug & Charge“ etablieren. Noch im Jahr 2022 sollen alle ID.-Modelle eine Funktion erhalten, die die heutige Authentifizierung per Karte ersetzt. Sobald der Kunde das Ladekabel einsteckt, startet eine verschlüsselte Kommunikation (ISO 15118) zwischen Auto und Säule. Gelten soll das im Netz von Ionity, Aral, bp sowie EON. Dort stünden neben den üblichen Anschlüssen europaweit auch 18.000 Schnellladepunkt zur Verfügung.

Und auch am Auto selbst wird optimiert. Per Software-Update wächst bei der 77-kWh-Batterie die maximale Leistung von 125 auf 135 kW (beim ID.5 GTX auf 150 kW). Laut VW spart das bei einer Ladung von 5 auf 80 Prozent bis zu neun Minuten. Zweite Neuerung: Das Navi berechnet – abhängig von der bei Zwischenstopps oder am Ziel gewünschten Rest-Kapazität – die optimalen Ladepunkte. Dabei schielt die Elektronik auf Topographie und Verkehrslage – und kommt unter Umständen zu dem Schluss, dass zwei kurze Ladevorgänge mit hoher Leistung klüger sind als ein langer mit niedriger.

Tiefgreifenderes wird sich vermutlich bei der nächsten E-Plattform tun. Porsche und Audi haben da mit ihrer 800-Volt-Architektur bereits Maßstäbe gesetzt. „Auf Dauer“, heißt es nun auch bei VW, „wird es nicht bei 400 Volt bleiben.“

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Wolfgang Plank

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Wolfgang Plank ist freier Journalist und hat ein Faible für Autos, Politik und Motorsport. Tauscht deshalb den Platz am Schreibtisch gerne mal mit dem Schalensitz im Rallyeauto.
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Hans-Werner:

Das war auch meine Hoffnung, daß diese Funktion relativ kurzfristig (1-2 Jahre ?) verfügbar sein könnte. Wenn ich den Artikel aber richtig verstehe sieht es nun so aus als ob bidirektionales Laden nur auf Basis von DC Wallboxen funktionieren wird. Hiesse somit, daß die im Privatbereich bis dato ausschliesslich verbauten AC Wallboxen dafür ohnehin nicht geeignet sind. Und der Preis einer DC Wallbox dürfte dann auch entsprechend teurer sein.

adson:

Tesla ist ja gerade dabei etwas ähnliches aufzubauen, was sogar die Photovoltaik mit einbezieht. Und aus meiner Sicht hat Herbert festgestellt, “ von Elon lernen heißt siegen lernen!“ das finde ich persönlich gut, es bringt auf jeden Fall VW ein Stück weiter in die Zukunft!

Conny:

Tolle Idee! Warte schon seit einem Jahr auf die Möglichkeit, meinen ID 3 als Speicher benutzen zu können.

Uwe:

Deinen Worten entnehme ich, dass du selbst keinen VW fährst. Wie kannst du dann über die Software urteilen? Ich kann es und finde deine Aussage übertrieben. Die aktuelle Version ist m. E. brauchbar, wenn auch noch nicht in Gänze auf dem Stand, den man sich wünschte. Und ich denke, mit 3.0 werden nur noch wenige Wünsche offenbleiben. Die Fahrerassistenzsysteme müssen sich schon jetzt nicht verstecken, auch nicht vor Tesla. Deren Pendant zum Travel Assist ist z. B. alles andere als perfekt. Bei VW werde ich jedenfalls nicht ständig angebimmelt und muss den Assistenten nach jedem Spurwechsel wieder aktivieren.

Farnsworth:

Auch nett, dass Du mir mit „von Euch“ unterstellst Tesla-FanBoy zu sein. Wenn man kein Hater ist, ist man aus Deiner Sicht offenbar schon Fanboy.

Farnsworth

Farnsworth:

Darauf kannst Du ja immer noch reagieren, WENN das denn einer anmerkt. Aber dieses ständige Tesla/VW Gebashe in diesem Forum nervt. Vor allem, weil es rein subjektiv ist.

800 Volt ist sicherlich nett und ich vermute auch, dass neue Plattformen direkt mit 800Volt geplant werden. Aber ich glaube nicht, dass 800Volt wirklich unverzichtbar ist. Ein Ioniq 5 hat zwar 800Volt, braucht diese Leistung aber auch, weil der Verbrauch so hoch ist. Wenn man nur ABRP spielt ist ein ID.4 auf Langstrecke auch nicht viel langsamer unterwegs.Grundsätzlich wird das aber kommen.

Farnsworth

David:

Ich bin auch etwas verwundert, warum in der letzten Woche so eine Flut von VW Meldungen hier herein schneite. Ich verfolge ja die Originalquellen und die haben nicht mehr zum Besten gegeben als sonst. Nichts gegen die V2G Meldung hier, die ist schon in Ordnung, aber da gab es halt auch noch 8-10 andere Meldung mit geringem Informationsgehalt.

VW hat eine hohe Aufmerksamkeit, es ist nun mal ein Weltkonzern und sie versorgen einen guten Prozentsatz des Weltmarktes. Sie haben einen Plan für die nächsten zehn Jahre und sie haben das Geld dafür. Vor allem haben sie den Wechsel schon deutlich eingeleitet. Vor allen Dingen halten Sie nicht an alter Technik fest, sondern lernen vom Markt und haben offensichtlich vor, mittelfristig auf 800 V zu gehen.

Menschen, die auf Software Gimmicks schielen, haben sie grundsätzlich nicht als Kundengruppe im Fokus. Sie bauen Autos, die elektrisch fahren. Später auch autonom. Aber auch dort wird es keine Spielereien geben, sondern nur die Funktion. Das ist bei einem US-amerikanischen Hersteller anders, dort gibt es fancy Gadgets, dafür fahren die Autos Menschen in den Tod.

David:

Du musst dich nicht um mich sorgen. Da läuft alles. Ich nehme nur vorweg, was sonst von Euch gekommen wäre. Nämlich, dass man 800 V nicht braucht, weil blablabla.

Aber das wird Branchenstandard. Außer bei …..So wie LIDAR, Radar und Kameras Standard für autonome Autos werden, außer bei ……

Hans-Werner:

Es gab bereits im April 21 einen Artikel zum Thema bidirektionales Laden:
https://ecomento.de/2021/04/08/vw-will-bidirektionales-elektroauto-laden-in-die-breite-bringen/
Auf Basis dieses Beitrags hatte ich direkt bei dem genannten Hersteller in der zentrale angefragt bis wann voraussichtlich mit einer umsetzbaren Lösung zum Thema V2H mit Produkten aus dem hause gerechnet werden kann. Die Antwort von der Pressestelle auf meine mail war eher ernüchternd. Es war eine kurze Absage, daß es hierzu derzeit noch nichts konkretes gäbe…hat sich wohl einiges getan in der Zwischenzeit.

Tobi:

DANKE!
Weil er kein Ego hat, sucht er verzweifelt eins.

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