Mehrere europäische Lkw-Hersteller haben sich in einem gemeinsamen Schreiben an die EU-Kommission gewandt, um eine Abschwächung der geplanten CO₂-Vorgaben für Nutzfahrzeuge zu erreichen. Zu den Unterzeichnern gehören Scania, MAN, Volvo Trucks, Daimler Truck, Iveco und Ford. In dem Brief fordern sie Änderungen am europäischen Regulierungssystem, das bislang Hersteller belohnt, deren Emissionen unterhalb der Zielvorgaben und einer festgelegten Entwicklungslinie zwischen den Zieljahren liegen. Stattdessen möchten die Unternehmen künftig Gutschriften allein für das Erreichen der Hauptziele erhalten.
Die Branche steht unter Druck, ihre Emissionen deutlich zu senken. Nach geltendem EU-Recht müssen Lkw-Hersteller den CO₂-Ausstoß neuer Modelle bis 2025 um 15 Prozent im Vergleich zu 2019 verringern, bis 2040 sollen es 90 Prozent sein. Während viele Unternehmen auf Kurs sind, die erste Etappe zu erreichen, geschieht dies bislang vor allem über Effizienzsteigerungen bei Dieselmotoren – nicht durch eine breite Umstellung auf elektrische Antriebe.
Christian Levin, CEO von Scania und der Traton-Gruppe, beschrieb das Schreiben gegenüber Reuters als „Hilferuf“. Man bestreite nicht die Notwendigkeit der Ziele, doch deren Umsetzung sei „sehr, sehr schwierig“. Levin, der auch den Bereich Nutzfahrzeuge im europäischen Herstellerverband ACEA leitet, betonte, die Strafen bei Nichterfüllung seien zu hart. Sie würden den Herstellern aufgebürdet, obwohl zentrale Voraussetzungen wie Batterieproduktion und Ladeinfrastruktur außerhalb ihres Einflusses lägen.
Auch Daimler Truck äußerte sich in ähnlichem Sinne. Ein Sprecher erklärte, das Unternehmen habe massiv in Elektrifizierung investiert, sehe sich aber „drakonischen“ Sanktionen gegenüber. Levin forderte, man solle „diese unsinnigen Strafen“ abschaffen und stattdessen durch gezielte Anreize alle Beteiligten – Hersteller, Zulieferer und Energieversorger – in die Pflicht nehmen.
T&E warnt vor Lockerung der Regeln
Nach Einschätzung von Umweltorganisationen würde eine Lockerung der Regeln jedoch einen Rückschritt für Europas Klimaziele bedeuten. Die Nichtregierungsorganisation Transport & Environment (T&E) warnt, dass die von den Herstellern vorgeschlagenen Änderungen die Verkäufe von emissionsfreien Lastwagen im Jahr 2030 um 27 Prozent senken könnten. „Die Lkw-Hersteller wollen den Eindruck erwecken, es gehe nur um kleine Anpassungen, tatsächlich wäre es ein massiver Rückschritt“, sagte Stef Cornelis, Direktor für den Bereich Transport und Flotten bei T&E.
Cornelis verwies zudem auf die Folgen für Investitionen in Stromnetze und Ladepunkte. Energieversorger und Infrastrukturunternehmen seien auf verlässliche Planungen angewiesen. Wenn die Branche ihre eigenen Ziele infrage stelle, sinke die Bereitschaft, in Ladeparks und Netzkapazitäten zu investieren. „Die Industrie klagt über fehlende Ladeinfrastruktur, aber wie sollen Energieunternehmen investieren, wenn die Lkw-Hersteller selbst bremsen?“, so Cornelis.
Hintergrund des Konflikts ist die Sorge der Hersteller vor wirtschaftlichen Risiken und dem Tempo der Transformation. Elektrische Lkw sind bislang teurer als Dieselmodelle, und Speditionen zögern angesichts der ungleichen Betriebskosten und der noch dünnen Ladeinfrastruktur. Zwar haben alle großen Anbieter entsprechende Modelle angekündigt oder bereits im Programm, doch die Nachfrage bleibt gering.
In Brüssel wird das Thema aufmerksam verfolgt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den Produzenten schwerer Nutzfahrzeuge zuletzt „konkrete Maßnahmen zur Unterstützung bei der Zielerreichung“ zugesagt. Parallel prüft die Kommission, ob auch die CO₂-Vorgaben für Pkw nach 2035 abgeschwächt werden könnten – ein Signal, das der Industrie Hoffnung auf mehr Spielraum gibt, aber zugleich Zweifel am politischen Kurs nährt.
Quelle: Reuters – Truckmakers ask EU for looser emissions targets, letter shows / T&E – Truckmakers lobby European Commission to weaken their emissions targets and cut zero emission truck sales








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