Togg-CEO Gürcan Karakas hat mit Sebastian Henßler, Herausgeber von Elektroauto-News, detailliert darüber gesprochen, wie Togg den Markteintritt in Deutschland plant, welche Rolle der hiesige Markt für das Unternehmen spielt und weshalb die Strategie bewusst anders ausfällt als bei vielen neuen Wettbewerbern.
Togg bereitet seinen Markteintritt in Deutschland mit einer ungewöhnlich behutsamen Vorgehensweise vor. Der CEO der türkischen Automobilmarke betont, dass Deutschland für das Unternehmen mehr sei als ein zusätzlicher Absatzmarkt. „Deutschland ist für uns ein Referenzmarkt. Wir messen daran unsere Qualität und die Erwartungen der Nutzer“, erklärt er. Aus diesem Grund hat Togg für 2025 ein Kontingent von rund 600 Autos definiert – ein bewusst kleiner Einstieg. „Wir wollen Vertrauen aufbauen, nicht Marktanteile jagen“, so der CEO. Wachstum solle nachhaltig erfolgen, gestützt durch stabile Servicekapazitäten und ein verlässliches Nutzererlebnis.
Diese Priorität deckt sich mit der Produktionsstrategie in Gemlik, Türkei. Der dortige Togg Technology Campus ist auf eine Jahreskapazität von 100.000 Einheiten ausgelegt und soll mit der fünften Modellplattform auf 175.000 Fahrzeuge anwachsen. Wie viele Autos davon nach Europa gehen, entscheidet sich flexibel. „Wir haben keine starren Exportquoten“, so Karakas. „Wir steuern dynamisch zwischen türkischem und europäischem Markt – abhängig von Bedarf und Qualität.“ Die Marke wolle den deutschen Markt nicht mit Volumen füllen, sondern mit Planbarkeit und Verlässlichkeit überzeugen.
Warum Togg auf digitale Vertriebswege über eine eigene Plattform setzt
Zentral für den Markteintritt ist der Vertriebsansatz. Togg verzichtet bewusst auf ein klassisches Händlernetz und setzt stattdessen auf ein digitales Modell, das über die Plattform Trumore gesteuert wird. „Wir verstehen uns als digitale Mobilitätsmarke, nicht als traditioneller Autohersteller“, betont Karakas. Nutzerprozesse wie Konfiguration, Finanzierung, Versicherung und Auslieferung sollen vollständig digital ablaufen, ergänzt durch physische Kontaktpunkte. Dazu gehören Standorte in Stuttgart, Kelheim und bald auch Neuss sowie Servicepunkte in Großstädten wie Berlin, Essen und Nürnberg. „Wir schaffen ein hybrides Modell, das digitale Effizienz mit persönlicher Nähe verbindet“, wie der Geschäftsführer der Marke erklärt. Probefahrten an mehreren urbanen Standorten sowie Pop-up-Formate sollen Togg für Interessenten früh erfahrbar machen.
Auch beim Laden setzt Togg in Deutschland auf einen anderen Ansatz als im Heimatmarkt. Während das Unternehmen mit Trugo in der Türkei ein eigenes Ladenetz betreibt, setzt man hierzulande auf Kooperationen. „Deutschland benötigt kein zusätzliches proprietäres Netz. Nutzer brauchen einfachen Zugang“, erklärt Karakas. Daher fokussiert Togg auf Roaming-Partnerschaften, die europaweit nutzbar sind. „Wir veröffentlichen Partner erst, wenn die Integration für die Nutzer einen echten Vorteil bringt“.
Ein wesentlicher Differenzierungsaspekt von Togg liegt in der softwaredefinierten Architektur der Modelle T10X und T10F. Die Autos werden als „Smart Devices“ gedacht, die sich über Over-the-Air-Updates stetig weiterentwickeln. „Der Tag der Auslieferung ist der Tag, an dem das Gerät beginnt, durch Software immer neu zu bleiben“, so Karakas. Softwareupdates betreffen Infotainment, Komfort, Effizienz, Sicherheit und Personalisierung, wie man es mittlerweile von vielen Autoherstellern her kennt.
Der After-Sales-Bereich folgt dieser Logik. Die elektrische Architektur erfordert weniger Wartung, gleichzeitig setzt Togg auf schnelle Unterstützung im Bedarfsfall. Die Versorgung mit Ersatzteilen soll über Strukturen in der Türkei und in Europa abgesichert werden. Für Flottenkunden entstehen präventive Wartungslösungen, die maximale Verfügbarkeit sicherstellen sollen. Eine besondere Rolle spielt die Batterie. Karakas beschreibt sie als „entscheidenden Faktor für Vertrauen und Wiederverkaufswert“. Intelligentes Thermomanagement und transparente Einblicke in Gesundheitsdaten sollen Nutzern Sicherheit geben. Programme zur Zweitnutzung oder zum Austausch der Batterie plant Togg abhängig von der Marktentwicklung.
Wie Togg sich zwischen etablierten Wettbewerbern positioniert
Im Wettbewerb positioniert sich Togg bewusst nicht als direkte Alternative zu Modellen wie VW ID.4, Škoda Enyaq oder Tesla Model Y. „Wir kopieren keine bestehenden Marken und wir konkurrieren nicht über den Preis“, sagt Karakas. Entscheidend seien die softwaredefinierte Architektur, die 5-Sterne-Euro-NCAP-Sicherheitsbewertung, wettbewerbsfähige Reichweiten und das Ökosystem aus Trumore und dem Ladezugang über Partnerschaften. Die Zielgruppe umfasst technikaffine Privatnutzer ebenso wie Einsteiger in die Elektromobilität und perspektivisch Flottenkunden. Leasing- und Servicepakete werden gemeinsam mit deutschen Finanzpartnern entwickelt, um klare und kalkulierbare Gesamtkosten zu ermöglichen.
Zum Abschluss des Gesprächs ordnet Karakas den Standort Deutschland ein – und widerspricht der Annahme, der Markt sei schwer zu erobern. „Deutschland ist kein Hindernis. Es ist ein Markt voller Chancen“, sagt er. Die Erwartungen deutscher Nutzer an Sicherheit, Solidität, digitale Stabilität und intuitive Bedienung entsprächen weitgehend denen türkischer Kund:innen. Mit inzwischen fast 80.000 Togg-Modellen auf der Straße in der Türkei habe das Unternehmen einen soliden Erfahrungsschatz aufgebaut. Die Gründung von Togg Europe in Stuttgart bereits 2021 zeige zudem, wie früh man begonnen habe, lokale Anforderungen zu verstehen. „Wenn ein Produkt richtig positioniert ist, kann es hier schnell Vertrauen gewinnen“, resümiert Karakas.






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