Gezielt statt mit der Gießkanne: Verbände fordern sozial gerechte Förderung der E-Mobilität

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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Nach dem Beschluss der Bundesregierung zur Unterstützung der E-Mobilität fordert ein breites Bündnis aus Umwelt- und Sozialverbänden, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, Kirchen und Automobilclubs einen effizienten und sozial gerechten Einsatz der Steuergelder. In einem gemeinsamen Papier der Klima Allianz Deutschland (Link zum PDF) appellieren die Verbände an die Bundesregierung, die Mittel gezielt für Menschen mit niedrigen Einkommen einzusetzen und nicht mit der Gießkanne zu verteilen. Scharf kritisieren die Verbände zudem, dass gleichzeitig Milliardenbeträge in den Neubau von Autobahnen fließen, während der öffentliche Nahverkehr zunehmend ausgedünnt wird.

Das Bündnis verweist auf die negativen Erfahrungen mit dem alten Umweltbonus für E-Autos, der vor allem von Haushalten mit hohen Einkommen genutzt wurde und erhebliche Mitnahmeeffekte hatte: „Jetzt kommt es darauf an, die zusätzlichen Fördermittel effizient und sozial gerecht einzusetzen. Wir setzen uns klar für eine Deckelung der Kaufprämie von Elektroautos bei 35.000 Euro brutto, um vor allem Fahrzeuge im unteren Preissegment zu fördern. So soll die Kaufprämie gezielt Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zugutekommen“, kommentiert Sven-Peter Rudolph, Vorsitzender des ACE Auto Club Europa. Der Fokus soll auf bezahlbaren, vollelektrischen Fahrzeugen liegen, die damit für mehr Menschen zugänglich werden. „Plug-in-Hybride müssen zwingend von der Förderung ausgeschlossen bleiben, da sie nur unzureichend zum Klimaschutz beitragen“, so Rudolph.

Marion Tieman, Verkehrsexpertin von Greenpeace fügt hinzu, „die Förderung klug einsetzen, kann gleich doppelt nützlich sein. Fördert sie gezielt günstige E-Autos und niedrige und mittlere Einkommen, lässt das die Autoindustrie endlich ein sträflich vernachlässigtes Segment besetzen und erleichtert gleichzeitig Haushalten mit weniger Möglichkeiten den Einstieg in die Elektromobilität.“

Die von CDU und SPD geplanten zusätzlichen Mittel von drei Milliarden Euro für den Neubau von Autobahnen gehen nach Ansicht der Verbände an den Bedürfnissen der Menschen vorbei und widersprechen klar den Zielen des Koalitionsvertrags. Darin hatte sich die Koalition darauf verständigt, die Sanierung gegenüber dem Neubau zu priorisieren.

Stefanie Langkamp, Geschäftsleitung Politik der Klima-Allianz Deutschland: „Die Koalition wirft mit dieser Entscheidung ein zentrales Ziel aus dem Koalitionsvertrag über Bord und enttäuscht viele Pendlerinnen und Pendler, die sich jeden Tag über den Zustand der bestehenden Infrastruktur ärgern. Während Milliarden in neue Autobahnen fließen, werden Buslinien gestrichen, Bahnhöfe verfallen und die Schlaglöcher auf unseren Straßen bleiben bestehen. Wer morgens auf den verspäteten Zug wartet oder gar keinen Anschluss mehr hat, spürt, wo die Prioritäten falsch gesetzt sind. Wir brauchen Investitionen, die Menschen wirklich erreichen, in pünktliche Busse, verlässliche Bahnen und gute Mobilität vor Ort.“

Interessant in dem Zusammenhang ist der aktuelle Mobilitätsmonitor von Agora Verkehrswende, wonach der Pkw-Verkehr auf Autobahnen und Schnellstraßen in den vergangenen Jahren leicht abgenommen hat und gleichzeitig die Nutzung des ÖPNV sehr stark gestiegen ist. Eigentlich ein klares Signal an die Politik, wo der Schwerpunkt gesetzt werden sollte, möchte man meinen.

Die Verkehrsinvestitionen müssen sich an den Bedürfnissen der Menschen in ganz Deutschland orientieren und das sind pünktliche, bessere und barrierefreie Bus- und Bahnangebote jetzt, statt unnötiger Autobahnprojekte in 20 Jahren, heißt es hierzu in dem Positionspapier. Deshalb müssen die zusätzlichen 3 Milliarden Euro statt für zusätzliche Autobahnen konsequent für neue ÖPNV-Angebote auf dem Land und in der Stadt eingesetzt werden.

„Mobilität bedeutet Teilhabe“

Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland: „Mobilität bedeutet Teilhabe. Der Zugang zu Bus, Bahn und E-Auto darf weder am Geldbeutel noch an baulichen oder digitalen Hürden scheitern. Nur wenn Barrierefreiheit und soziale Gerechtigkeit zusammen gedacht werden, gelingt eine echte Verkehrswende, die alle mitnimmt.“

Neben einer gezielten Förderung für untere Einkommen fordert das Bündnis auch eine langfristige Gegenfinanzierung, etwa durch eine höhere Dienstwagenbesteuerung für Verbrenner-Pkw. Mitnahmeeffekte sollten durch eine Kopplung der Förderung an die Haushaltsgröße verhindert werden. Für Geringverdienende, die ein Auto für den Arbeitsweg benötigen, sollte zudem auch ein Social Leasing sowohl für Neu- als auch Gebrauchtwagen geschaffen werden. Eine unbürokratische Neuauflage der Förderung „sozial&mobil“ zur Elektrifizierung von Flotten sozialer Dienste sei ebenso zu begrüßen wie den Kauf von E-Bikes für Geringverdiener zu bezuschussen.

Quelle: Klima Allianz Deutschland – Pressemitteilung vom 16.10.2025

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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