„Wir müssen kreativ sein, um eine Lösung zu finden“, sagte Luca de Meo, CEO der Renault Group, zu Beginn des Genfer Autosalons angesichts der Herausforderung für europäische Autohersteller, günstige Elektroautos in Europa zu produzieren, um so den von vielen lange ersehnten und immer stärker geforderten Umgriff in den Massenmarkt zu schaffen. Was mit Blick auf die immer stärker werdende Konkurrenz aus China in Zukunft nicht leichter werden dürfte.
Eine Lösung für diese Zwickmühle hatte de Meo auch schon parat: Europäische Autohersteller sollten intensiver zusammenarbeiten, um sich Entwicklungs- und Produktionskosten zu teilen. Ihm schwebt eine Art „Airbus“ für Elektroautos vor. Das europäische Konsortium Airbus konkurriert mit Boeing als größtem Flugzeug-Hersteller der Welt. Die größten Aktionäre sind die französische, deutsche und die spanische Regierung. „Partner können die Investition teilen und die Kosten senken“, benannte de Meo einen Vorteil eines solchen Vorgehens im Automobilsektor.
Renault hat in Genf seinen neuen Renault 5 vorgestellt, ein modernes, kompaktes E-Auto mit Retro-Hauch, das ab gut 25.000 Euro zu haben sein wird. Ein Segment darunter plant Renault einen rein elektrischen Twingo für weniger als 20.000 Euro. In diesem Preisgefüge mittig ist der Spring von Renault-Tochter Dacia verortet, der bereits seit einigen Jahren erhältlich ist und im aktuellen Modelljahr ein Update erhält.
Renault befindet sich demnach auch in frühen Gesprächen mit dem Volkswagen-Konzern, um möglicherweise die Plattform des Elektro-Twingo herstellerübergreifend zu teilen, die eine kleinere Version der AmpR Small-Architektur sein wird, die dem Renault 5 unterbaut. Eine weitere Möglichkeit zur Kostenoptimierung können de Meo zufolge auch günstigere Lithium-Eisen-Phosphat-Batterien (LFP) sein.
Die Herausforderung und gleichzeitig Grundvoraussetzung sei, eine umfassende Wertschöpfungskette in Europa zu schaffen, die Batterien, Elektromotoren und Elektronik beinhaltet – ähnlich wie es China mit staatlicher Unterstützung vorgemacht hat. „Das Ziel ist es, alles in Europa zu einem wettbewerbsfähigen Preis zu beziehen“, sagte de Meo, der neben seiner Tätigkeit als Renault-Chef auch Präsident der ACEA ist, der Lobbygruppe der europäischen Autohersteller in Brüssel.
Er regte auch flexiblere Regularien auf EU-Ebene an, etwa um Kleinstwagen im Stil japanischer Kei-Cars im Format des zweisitzigen Smart, besonders geeignet für städtische Gebiete, auch in Europa zu attraktiven Preisen einzuführen. Seine Vorschläge beinhalten zudem eine Senkung der Mehrwertsteuer auf kleine Elektrofahrzeuge mit Batterien von weniger als 30 Kilowattstunden, anstatt Förderungen in Form eines Kaufpreisbonus auszuzahlen, wie es Frankreich derzeit macht. Auch kostenlose Parkplätze in Städten für solche Kleinstfahrzeuge, um damit deren Attraktivität zu steigern, regte er an.
Wichtig bei all dem sei, schnell zu sein: „Geschwindigkeit ist wichtig gegen die Chinesen“, so der Renault-Chef und ACEA-Präsident. „Wenn wir vier oder fünf Jahre brauchen, um zu reagieren, ist es zu spät“.
Unsere Meinung dazu: Von allen ehrenwerten Motiven de Meos mal abzusehen, scheinen die Aussagen des Renault-Chefs auch ein kleiner Hilferuf zu sein. Einst Vorreiter bei der E-Mobilität mit dem Zoe wird Renault – ebenso wie Allianz-Partner Nissan, einst Marktführer mit dem Leaf – schon seit mehreren Jahren von der Konkurrenz links und rechts und mit ordentlich Schwung überholt. Aus eigener Kraft scheinen die Franzosen – auch wenn sie mit den E-Mégane und dem E-Scénic vieles richtig gemacht haben – sich nicht in der Lage zu sehen, schnell und nachhaltig aufzuholen. Stark dürfte Renaults Zukunft auch davon abhängen, wie der Kompaktstromer Renault 5 bei den Kund:innen ankommt. Gute Voraussetzungen, um an den Erfolg des Zoe anzuknüpfen, hätte er jedenfalls.
Quelle: Automotive News Europe – Renault’s Luca de Meo calls for ‘Airbus’ to build EVs in Europe