Die EU will mit der Altfahrzeugverordnung eine Rohstoff-Kreislaufwirtschaft bei Autos etablieren. Im gleichen Zuge soll der Verkauf von Gebrauchtwagen an Bedingungen wie ein gültiges TÜV-Gutachten geknüpft werden. Dagegen regt sich heftiger Widerstand.
Wer sein Auto verkaufen möchte, hat verschiedene Möglichkeiten. Entweder gibt man es beim Händler im Zuge eines Neuwagenkaufs in Zahlung. Meistens erhält man jedoch nicht den gewünschten Gegenwert, da das Autohaus natürlich auch Gewinn machen will. Oder man veräußert sein Auto in Eigenregie, zum Beispiel über eine der Internet-Börsen. Das Vorgehen ist hinlänglich bekannt: Man macht möglichst aussagekräftige Fotos, beschreibt das Fahrzeug genau und stellt alles auf dem Portal online. Dann melden sich Interessenten und man wird sich handelseinig. So weit, so gut.
Jetzt will die Europäische Union den Umgang mit Gebrauchtfahrzeugen regulieren. Vor allem mit jenen, die am Ende ihres mobilen Lebens angekommen sind. Seit gut zwei Jahren tüfteln die EU-Experten an einer Altfahrzeugverordnung (End-of-Life Vehicles / ELV). Am 17. Juni haben sich die EU-Umweltminister im Rat der Europäischen Union auf eine gemeinsame Position geeinigt. Die Ausschüsse für Umwelt sowie Binnenmarkt des EU-Parlaments haben unlängst nachgezogen.
Der Gesetzesentwurf betrifft unter anderem den Verkauf von Gebrauchtwagen. Konkret geht es um Artikel 25 des Kommissionsentwurfs. Demnach muss der Verkäufer eines Gebrauchtwagens nachweisen, dass es sich nicht um ein Altfahrzeug handelt. Egal ob der Deal im Inland über die Bühne geht oder das Vehikel für den Export vorgesehen ist. Der Nachweis, dass kein Schrottfahrzeug den Besitzer wechselt, kann auf zwei Weisen erbracht werden: Entweder durch das Vorlegen einer gültigen Hauptuntersuchungsbescheinigung (also zum Beispiel: TÜV), oder durch ein Gutachten eines unabhängigen Kfz-Sachverständigen.
Liegt keines der beiden Dokumente vor, kann das Auto nicht an- beziehungsweise umgemeldet oder in ein anderes Land exportiert werden. Eine Ausnahme gibt es nur, wenn das Auto privat oder im Freundeskreis verkauft wird. Gut möglich, dass findige Geister ihr Vehikel an den Kumpel eines Freundes verhökern können, der wiederum den Neffen des Bruders kennt. Sobald man jedoch eine elektronische Plattform, also eben eine Internet-Verkaufsbörse nutzt oder gewerblich unterwegs ist, greifen die neuen Vorschriften.
Die kommen nicht überall gut an. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter lässt seinem Unmut freien Lauf: „Eine Nachweispflicht würde neue Kosten für die Bürger und mehr Aufwand für die Behörden bedeuten, aber keinerlei Mehrwert schaffen. Es reicht. Brüssel sollte beim Abbau von Bürokratie Vollgas geben und bei Eingriffen in die Eigentumsrechte schleunigst auf die Bremse treten.“ Der CSU-Politiker legt nach: „Wenn nun bei jedem Autoverkauf zusätzlich der genaue Zustand des Autos bescheinigt und geprüft werden müsste, wäre das ein riesiger Zusatzaufwand. Außerdem würde das bedeuten, dass Fahrzeuge beim Abmelden schnell als ‚Altfahrzeug‘ abgestempelt und damit quasi wertlos werden. Die Eigentümer müssten erst das Gegenteil mit einem teuren Gutachten beweisen. Das kann man niemandem vermitteln.“ Der ADAC stößt in das gleiche Horn: „Im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher muss sichergestellt sein, dass private Eigentümer grundsätzlich selbst darüber entscheiden können, was mit ihrem Fahrzeug geschieht.“
Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) steht dem Brüsseler Gesetzesentwurf zumindest in Teilen kritisch gegenüber und bemängelt dessen realitätsferne Umsetzung. „Konkret ist geplant, dass Versicherungsunternehmen oder von ihnen beauftragte Kfz-Sachverständige künftig beurteilen sollen, ob beschädigte Fahrzeuge als Altfahrzeuge eingestuft werden sollen. Dieser Ansatz verkennt jedoch die Rolle der Versicherer in der automobilen Wertschöpfungskette. Kfz-Versicherer regulieren Schäden und leisten nach einem Schadensereignis gegebenenfalls einen Wertersatz. Die Aufgabe der Versicherer besteht also in der Bewertung der wirtschaftlichen Schäden und eben nicht in der rechtlichen oder technischen Klassifikation von Fahrzeugen als Altfahrzeuge. Dafür zu sorgen, dass Altfahrzeuge am Ende ihrer Lebensdauer in eine autorisierte Verwertungsstelle überführt werden, ist Aufgabe der Fahrzeughalter, der gesetzlichen Zulassungsstellen und der dafür zugelassenen Entsorgungsbetriebe.“
„Ein wichtiger Schritt für den Umwelt- und Wirtschaftsstandort Europa“
Die generelle Stoßrichtung der ELV-Verordnung, nämlich die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft, die das Recycling wertvoller Rohstoffe forciert, wird allenthalben goutiert. Der TÜV-Verband sieht im Aufbau einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft angesichts knapper werdender Ressourcen einen „wichtigen Schritt für den Umwelt- und Wirtschaftsstandort Europa.“ Vor allem wenn man in Betracht zieht, dass die ELV-Verordnung Hand in Hand mit der EU-Batterieverordnung geht, die ab 2027 verbindliche Recyclingquoten für kritische Rohstoffe wie Kobalt, Blei, Nickel und natürlich Lithium definiert.
Das zieht aber einen Rattenschwanz an Konsequenzen nach sich. Die Prüfung und Freigabe dieser Materialien muss Transparenz gewährleistet sein. Dafür soll es der Digital Circularity Vehicle Pass (CVP) sorgen, der die Herkunft und die Verwendung der Materialien transparent macht. Das ist unabdingbar, ist aber eventuell mit einem erhöhten bürokratischen Aufwand verbunden. Ganz abgesehen davon müssen diese Daten sicher sein. Sonst sind sie ein gefundenes Fressen für findige Hacker. Schon beim Design von Autos soll das Recycling eine wichtige Rolle spielen und so die Kreislaufwirtschaft in Zukunft noch stärker ausgeprägt sein. Das ist – gerade im Zeitalter der Elektroautos – enorm wichtig, um eine drohende Abhängigkeit von Rohstoffen zu minimieren.