Nachhaltigkeit bei Mercedes: Zweites Leben für Altreifen und Fischernetze

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Mercedes-Benz

Wolfgang Plank
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In Deutschland hat der Klimaschutz gerade keinen besonders guten Stand. Die selbsternannte „Fortschritts-Koalition“ beschert, zum Teil kriegsbedingt, fossilen Energien einen Boom, kippt die Sektoren-Ziele beim CO₂-Ausstoß und bringt wegen des Beharrens auf E-Fuels mindestens die halbe EU gegen sich auf. Besonders nachhaltig ist das alles nicht. Auch das vor allem von der FDP gern zitierte Argument vom Schutz der Wirtschaft in der Transformation klingt eher hohl. In vielen Unternehmen ist man im Hinblick auf Umwelt nämlich längst sehr viel weiter als die Politik.

Zugegeben: Auch dort steht manches vorerst nur auf dem Papier, immerhin jedoch sind dort die Ziele deutlich ambitionierter als bei der Ampel. Mercedes-Benz etwa strebt mit der Initiative „Ambition 2039“ an, bis zu diesem Datum über den gesamten Lebenszyklus der Neuwagenflotte wenigstens bilanziell CO₂-neutral zu werden. Notfalls durch Kauf von Zertifikaten. Bis 2030 soll der Ausstoß gegenüber 2020 zumindest schon mal halbiert werden.

Erreicht werden soll das mit einer immer stärkeren Elektrifizierung der Modellpalette, erneuerbaren Energien in der Produktion, Fortschritten bei der Batterietechnik, dem wachsenden Einsatz recycelter Materialien und einem Ladenetz mit Ökostrom.

Schon beim EQS hat Mercedes-Benz nach eigenen Angaben eine neue Akku-Generation eingeführt, die jetzt auch im neuen EQE SUV Verwendung findet. Zum Einsatz kommen dabei Nickel, Kobalt und Mangan im groben Verhältnis 8:1:1. Heißt übersetzt: Der Kobaltgehalt ist auf etwas weniger als zehn Prozent gesunken. Ziel sei es, bald komplett auf derart sensible Materialien verzichten zu können, heißt es.

Bis dahin lautet das Zauberwort: Recycling. Aktuell baut Mercedes in Deutschland eine eigene Anlage für Batterien mit einer Verwertungsquote von mehr als 96 Prozent, sagt Julia Raizner, Unternehmenssprecherin für Nachhaltigkeit. In China und den USA werde der Wertstoffkreislauf zusammen mit Partnern geschlossen.

Aber auch abseits des Akkus wird kräftig wiederverwertet. Bis Ende des Jahrzehnts soll innerhalb der Fahrzeugflotte 40 Prozent Recycling-Material verbaut werden. So stammt der Stahl für die Rohkarossen zu mehr als einem Drittel aus Altmetall, Luftführungen, Verkleidungsteile und Kabelkanäle bestehen aus wiederverwertetem Kunststoff, und für die Dämmung an Instrumententafel und Heckklappe setzt Mercedes auf Mikrofaservlies aus ehemaligen Synthetikfasern. Damit nicht genug. In Sitzbezügen, Dachhimmel und Säulenverkleidungen finden sich zu 40 Prozent Flocken aus PET-Flaschen und die Bodenbeläge werden aus einem Garn gesponnen, dessen Basis alte Fischernetze sind.

Auch durchaus hochwertige Bauteile stammen mittlerweile aus der Restekiste. So sind etwa die Türgriffe der noblen S-Klasse – und auch die des EQE – im Grunde nichts anderes als geschredderte Altreifen – per Pyrolyse chemisch gespalten und anschließend versetzt mit Biomethan aus Abfällen der Landwirtschaft. Fahrwerkslager aus Naturkautschuk sind gegen diesen Prozess noch eine vergleichsweise einfache Nummer.

Stolz ist man bei Mercedes auf den Einsatz von grüner Energie. Seit 2022 bezögen weltweit alle eigenen Mercedes-Standorte für Fahrzeug- und Batteriemontage ausschließlich Strom aus regenerativen Quellen. Bis 2025 investiert das Unternehmen nach eigenen Angaben einen dreistelligen Millionenbetrag in die Installation von Photovoltaikanlagen. Das US-Batteriewerk wird demnach ab 2024 seinen gesamten Strombedarf mit Solarenergie decken. Auf seiner Teststrecke im norddeutschen Papenburg plant Mercedes den Bau eines Windparks mit einer Leistung von mehr als 100 MW. Das soll für mehr als 15 Prozent des jährlichen Strombedarfs der Mercedes-Benz Group in Deutschland reichen.

Am Ende müssen aber auch die Kunden mithelfen. Noch in diesem Jahr startet Mercedes mit dem Aufbau eines eigenen globalen Ladenetzwerks mit mehr als 10.000 High-Power-Ladesäulen – vorrangig in Nordamerika, Europa, China. Wo immer möglich soll man dort Ökostrom ziehen können. Wo nicht, will Mercedes über einen akkreditierten Anbieter mit Zertifikaten für Ausgleich sorgen. Das Ladenetzwerk werde für alle Marken offen und zugänglich sein, verspricht Raizner. Das soll die schnelle Verbreitung von E-Autos fördern. Von E-Fuels übrigens kein Wort.

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Wolfgang Plank ist freier Journalist und hat ein Faible für Autos, Politik und Motorsport. Tauscht deshalb den Platz am Schreibtisch gerne mal mit dem Schalensitz im Rallyeauto.

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