Auch bei der Produktion von Autoreifen für Elektroautos schlägt immer mehr die Nachhaltigkeit durch. Das beginnt bei den Materialien und endet bei den Prozessen. Die Kunst ist es, den Zielkonflikt zwischen umweltschonenden Ressourcen und entscheidenden Eigenschaften wie Grip und Rollwiderstand aufzulösen.
Bis vor ein paar Jahren war die Reifenwelt noch eindeutig. Die Herstellung eines Auto-Pneus lief nach bewährtem Muster mit der Vulkanisation als zentralem Element ab. Bei der Zusammensetzung der Materialien wie Naturkautschuk oder Stahl ging in erster Linie darum, möglichst viel Grip sowie ein stabiles Laufverhalten zu generieren und dabei möglichst lange zu halten. Mit der Elektromobilität wurde das Lastenheft der Gummiköche bei Continental, Michelin und Bridgestone bereits um einen geringen Rollwiderstand ergänzt. Nicht immer hilfreich, wenn es um Traktion geht. Ein Reifen, der idealerweise auf dem Asphalt klebt, erhöht den Rollwiderstand. Vor allem bei Nässe müssen die Leichtlaufreifen zeigen, dass sie möglichst nahe an den Haftungsvermögen der klassischen Reifen herankommen.
Nachhaltigkeit als neuer Gradmesser beim Reifen für E-Autos
Diesen Zielkonflikt galt es, für die Techniker aufzulösen. Jetzt legen die Reifenhersteller noch eine Schippe drauf. Nachhaltigkeit ist die große Maxime, die die Reifenindustrie fit für die Zukunft machen soll. Da geht es nicht nur um klimaneutrale Produktion, die Firmen wie Michelin oder Continental bis zum Jahr 2050 anstreben. Neben der CO2-neutralen Fertigung sollen bis dahin auch alle Materialien nachhaltig sein, also aus recycelten oder erneuerbaren Rohstoffen bestehen. Es liegt auf der Hand, dass der Weg zum Öko-Pneu nicht über Nacht absolviert wird. Die Transformation zum grünen Gummi wird peu à peu vonstattengehen. Aktuell bestehen etwa die deutschen Continental-Reifen zu 15 bis 20 Prozent aus nachwachsenden oder wiederverwerteten Materialien.
Dem Erfindungsreichtum sind dabei fast keine Grenzen gesetzt. Das beginnt natürlich beim Kautschuk. Nokian aus Finnland etwa tüftelt gerade an synthetischem Kautschuk aus Birkenrindenresten und hat dafür bereits einen Innovationswettbewerb für Nachhaltigkeit gewonnen. Genug Rohstoff ist vorhanden. Birkenrinde ist ein Abfallprodukt der Zellstoff-, Papier- und Sperrholzindustrie. Allein die Forstindustrie in Finnland und Schweden produziert laut dem Hersteller Reselo genug Rohmaterial für 200.000 Tausend Tonnen dieses speziellen Kautschuks. Eine andere Variante ist Kautschuk aus Löwenzahn.
Allerdings können diese Stoffe den Naturkautschuk, der zwischen zehn und 40 Prozent des Gesamtgewichts eines modernen Reifen ausmacht, erst dann teilweise oder vollständig ersetzen, wenn sie identische oder zumindest ähnliche Eigenschaften aufweisen. Das Gleiche gilt für Silika, welches den Grip, Rollwiderstand und Laufleistung des Pneus wesentlich beeinflussen. Aus der Asche von Reishülsen gewonnenes Silika ist deutlich energieeffizienter als aus herkömmlichen Materialien wie Quarzsand. Die Wahrheit liegt bei jedem Automobilreifen selbstverständlich auf dem Untergrund. Nur ein sicherer Reifen ist ein guter Reifen und das bedeutet, dass die Pneus auf trockenen und nassen Asphalt gut abschneiden, genauso wie im Winter auf Schnee und Eis.
Herkunft der Materialien wird vielseitiger
Genauso wie der Reifen aus vielen unterschiedlichen Materialien besteht, genauso vielfältig sind auch die Möglichkeiten, die beste Mischung aus nachhaltigen Materialien zu finden. Zur Reifenproduktion der Zukunft gehören auch wiedergewonnenes Gummi oder PET-Flaschen in der Form als HMLS-Polystergarn. Recycling ist ein weiteres Stichwort bei den Reifen der Zukunft. Das gilt bei den Materialien aus Schuhsohlen und Kunstrasen, wie sie bei runderneuerten Pneus verwendet werden, genauso wie Industrieruß oder für Stahl, der zum Beispiel mit Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien stammt, anstelle der klassischen Kohle hergestellt wird.
Zu der Nachhaltigkeit des Reifens gehört auch die Transparenz und die Nachverfolgbarkeit der eingesetzten Materialien. Denn alle Ideen und Konzepte verpuffen, wenn beim Transport CO₂ im Überfluss in die Luft geblasen werden. Klar ist, dass die Zukunft der Reifen genauso im Labor wie auf den Teststrecken geformt wird.