Vorbemerkung
Der Autor ist weder Fan noch Feind der E-Fahrzeuge. Er wird nicht von der Automobilindustrie bezahlt. Sein Ziel ist eine faktenbasierte Analyse ohne Vorfestlegung, welche Antriebsart zurzeit in Deutschland weniger CO2 verursacht.
In der Diskussion um die Umweltbelastungen durch PKWs gibt es zahlreiche Untersuchungen insb. zum CO2 Ausstoß (vgl. z. B. die VDI-Studie aus 10/2020). In der Mehrzahl kommen sie zum Schluss, dass es inzwischen Vorteile für die Elektrofahrzeuge (BEV) gibt, wenn man den gesamten Lebenszyklus betrachtet. Die Elektrofahrzeuge starten zwar mit einem Handicap, weil vor allen Dingen die Herstellung der Akkus viele Tonnen CO2 mit sich bringt. Im Laufe der Jahre holen sie dann aber schnell auf, weil der Ausstoß an CO2 pro 100 km angeblich viel geringer sei.
Diese Argumentation trifft meistens nicht zu, was zu zeigen ist
Stromerzeugung in Deutschland
Die Erzeugung von Strom unterliegt in Deutschland einer Vielzahl von Vorschriften. Das Grundmodell des Merit Orders hat jahrzehntelang auf den ersten Blick gut funktioniert, indem nur die jeweils günstigsten Kraftwerke produziert haben (die mit den geringsten Grenzkosten). Ein großer Schwachpunkt bestand allerdings darin, dass externe Kosten der Stromerzeugung nicht vollständig von den Verursachern zu tragen waren. Die Schadstoffemissionen der Kohle und die Risiken der Atomindustrie wurden in hohem Maße vergesellschaftet.
Aber hier soll eine weitere Regelung untersucht werden, die von der Politik vorgegeben wurde. Es geht um die Einspeisegarantie für erneuerbare Energien. Unabhängig davon, wo und wann sie produzieren, wurde die Garantie ausgesprochen, dass die Strommengen aus erneuerbaren Energien abgenommen werden und das zum Festpreis. Dies gilt selbst dann, wenn sie mit einem negativen Preis ans Ausland verkauft werden müssen.
Zunächst war diese Vorgabe problemlos, weil nur geringe Mengen eingespeist wurden. Und die anderen Stromerzeuger haben noch gelacht…
Das ist ihnen schnell vergangen, weil jedes Jahr mehr erneuerbare Energien ins Netz eingespeist werden. An windigen und sonnigen Wochenenden oder Feiertagen kann dann zur Mittagszeit ein großer Teil des gesamten Energieverbrauch durch erneuerbare Energien abgedeckt werden.
Anders sieht es aus, wenn es bedeckt und nahezu windstill ist. Erfreulicherweise liegen hervorragende Daten vor. Die Organisation Agora Energiewende veröffentlich fast in Echtzeit, mit welchem Mix an Kraftwerken der Strom in Deutschland erzeugt wird. So wurde beispielsweise am 9.12.2020 zu bestimmten Zeiten über 68 GW mit konventionellen Kraftwerken erzeugt, während die erneuerbaren auch am Tag deutlich unter 20 GW lagen.
Schwächeln also die erneuerbaren Energien, so müssen die konventionellen Energien einspringen. Sie sind somit die Lückenbüßer, die immer dann gefordert werden, wenn die erneuerbaren Energien nicht liefern können. Dieser kurzfristige technische Regelprozess wird sehr gut von F. Henning (Focus.de, S. 1 ff.) beschrieben. Wegen der fehlenden Regelfähigkeit von Solar- und Windenergie müssen in Krisensituationen vor allen Dingen die fossilen Energien einspringen. Damit müssen die Wind- und Solarenergie keinerlei Verantwortung dafür tragen, dass das Angebot und Nachfrage immer ausgeglichen werden kann. Dies kann als eine Subvention verstanden werden, deren Wert kaum zu überschätzen ist.
Aber auch langfristig müssen die konventionellen Energien den Ausgleich übernehmen. Zwar führt unter dem Strich der zusätzliche Bau von Anlagen der erneuerbaren Energien dazu, dass der durchschnittliche CO2 Ausstoß pro kWh Jahr für Jahr zurückgeht. Der Anteil der fossilen Energieerzeugung fällt somit. Aber selbst für das Jahr 2030 gilt ein Ziel von 65% im erzeugten Strom. Die fossilen Energien werden somit im nennenswerten Umfang notwendig bleiben.
Ein erhöhter Stromverbrauch, z. B. für neue Elektrofahrzeuge oder Wärmepumpen, führt dazu, dass zusätzlicher Strom benötigt wird, was noch keine Überraschung darstellt. Da aber alle erneuerbaren Energien aufgrund des Vorrangs immer eingespeist werden, ist eine Steigerung nicht möglich. Der Ausgleich kann fast nur über die fossilen Kraftwerke durchgeführt werden. Betriebswirtschaftlich bedeutet dies, dass die Anpassung an die volatile Stromnachfrage nicht durch die erneuerbaren Energien geschehen kann, weil diese immer mit maximaler Leistung einspeisen (außer wenn sie wegen fehlender Leitungen abgeschaltet werden müssen, aber trotzdem entlohnt werden). Damit muss für den relevanten CO2 Ausstoß der Grenzbetrag der fossilen Stromerzeugung und nicht der Durchschnittsbetrag aller Stromerzeugungsarten angesetzt werden.
Es gibt leider nur geringe Anreize für die erneuerbaren Energien, dann zu produzieren, wenn der Strom benötigt wird und positive Preise bringt.
Somit fordert und fördert jedes zusätzliche Elektrofahrzeug fast nur die fossile Stromerzeugung.
Die CO2-Bilanz
Der große Nachteil entsteht nun dadurch, dass die Steinkohle ca. 820 kg CO2 pro MWh verursacht (siehe Agora Dokumentation, S. 13), Braunkohle sogar ca. 1030 kg pro MWh, Erdgas 370 kg pro MWh und Sonstige 1500 kg pro MWh. Beim Erdgas müssen Studien berücksichtigt werden, dass aufgrund von Verlusten in Produktion und Verteilung kaum ein Vorteil gegenüber den Wettbewerbern gegeben ist.
Insofern sei von den Emissionen der Steinkohle ausgegangen, welche pro kWh zu 820 g pro kWh führt. Bei einem Verbrauch der Elektrofahrzeuge von ca. 15 – 20 kWh pro 100 km ergeben sich dann mindestens 12,3 kg pro 100 km oder 123 g (184 g) pro Kilometer. Die Agora-Auswertungen (vgl. Agora: Konventionelle Stromerzeugung) zeigen, dass hauptsächlich mit Kohlestrom die zusätzlichen Strommengen erzeugt werden. Umwege, um Ladestationen anzufahren, sind dabei noch nicht berücksichtigt. Selbst mit einem Abschlag zeigen die Zahlen, dass mit Kohlestrom betriebene E-Fahrzeuge deutlich mehr CO2 als sparsame Benziner oder Diesel ausstoßen, die – auch durch die EU getrieben – auf unter 95 g/km kommen müssen. Deutschlands meistverkaufte Fahrzeug – der VW Golf – liegt in der Variante eTSI bereits heute bei 98 g/km. Kleinere Fahrzeug noch darunter.
Dass die Elektrofahrzeuge mit 0 g/km in die Flottenemissionen eingerechnet werden dürfen, ist vor diesem Hintergrund erstaunlich…
- Schlussfolgerung 1: Der in praktisch allen Studien verwendete durchschnittliche CO2 Ausstoß der Stromerzeugung darf für Vergleichsrechnungen nicht verwendet werden. Es muss der Grenzbetrag verwendet werden, der hauptsächlich von den fossilen Energien getrieben wird.
- Schlussfolgerung 2: Elektrofahrzeuge können zurzeit in vielen Fällen ihren CO2 Rucksack nicht abbauen und erhöhen teilweise noch ihr Manko mit jedem Kilometer.
Ein mögliches Gegenargument besteht darin, dass über die Jahre der Anteil erneuerbaren Stroms immer weiter zunimmt. Das ist zweifellos richtig, ändert aber nichts an der Tatsache, dass zusätzlicher Strom zumindest in den nächsten Jahren hauptsächlich fossil produziert werden muss. Und da im dritten Quartal 2020 laut Destatis noch 56% der Strommenge konventionell erzeugt wurde, wird das auch lange noch so bleiben, wenn auch mit abnehmender Tendenz. In diesem 3. Quartal stand der Kohlestrom mit 26,4% an erster Stelle. Nach Abschalten der letzten Atomkraftwerke dürfte sich die Emissionssituation weiter verschlimmern.
In der folgenden Abbildung ist grob der zu erwartende Verlauf der fossilen Stromerzeugung skizziert:
Der fossile Strom wird zwar partiell von dem Strom aus erneuerbaren Energien verdrängt, muss aber alle zusätzlichen Strommengen liefern. Das gilt auch für das Jahr 2022, wenn die letzten Atomkraftwerke vom Netz gehen. Diese hatten Ende 2020 eine Einspeisung von 8 GW. Der entsprechende Sprung der Kohleerzeugung nach oben ist in der Abbildung 1 berücksichtigt.
Höherer Strombedarf führt somit auch über die nächsten Jahre dazu, dass mehr Kohlestrom erzeugt werden muss. Wenn also zusätzliche Elektrofahrzeuge (BEV), Wärmepumpen etc. angetrieben werden müssen, wird der zusätzlich benötigte Strom zum großen Teil aus fossilen Energiequellen kommen müssen.
Die überraschende Folgerung ist, dass der Verkauf eines jeden Elektrofahrzeugs die Sektkorken bei den fossilen Stromerzeuger knallen lassen sollte…
Sonderfall: Ladung aus der eigenen Solaranlage
Anders kann es nur in den Ausnahmefällen aussehen, in denen eine eigene Photovoltaikanlage zusätzlich nur zur Ladung des Elektrofahrzeugs installiert wird. Dann gibt es einen großen Vorteil. Allerdings ist der mengenmäßig noch nicht sehr groß, weil viele Autos tagsüber unterwegs sind und abends kaum noch Strom erzeugt werden kann. Speicher sind zurzeit nur selten wirtschaftlich und erhöhen den CO2 Ausstoß.
Und schon wenn eine bereits vorhandene Anlage zum Laden verwendet wird, ist der Effekt minimal, weil damit dann im Netz durch das Nichteinspeisen mehr Strom (Opportunität) gebraucht wird, der wiederum von fossilen Kraftwerke generiert werden muss.
Schlussfolgerung
Elektrofahrzeuge, die zurzeit nur in kleinen Nischen sinnvoll sind, werden mit hohen Subventionen in den Markt gedrückt, weil sie angeblich umweltfreundlicher seien. Das ist heute in Deutschland nur selten zutreffend.
Die heutigen Kaufprämien für Elektrofahrzeuge und die vielen weiteren Subventionen sind zunächst einmal sehr teuer für die Steuerzahler. Es profitieren die Bürger, welche einen Zweitwagen benötigen und eine eigene Lademöglichkeit haben. Das sind sicher nicht die Ärmsten…
Bei den gegebenen Regeln des deutschen Strommarktes bedeuten neue Elektrofahrzeuge fast immer eine Erhöhung der CO2 Emissionen.
Der Bürger, der mit dem Kauf von Elektrofahrzeugen einen Beitrag zur CO2 Reduktion leisten will, kann dies kaum erreichen, wenn er nicht gleichzeitig eine neue Solaranlage baut.
Die Regierung hat sich wieder einmal in ihren eigenen Subventionswirrwarr verfangen und erreicht das Gegenteil von ihrem Ziel der CO2 Reduktion, und das zu horrenden Kosten. Das 55% Ziel der Reduktion in 2030 vs. 1990 wird konterkariert.
Bis Elektrofahrzeuge in Deutschland wirklich vorteilhafter sind, müssen die erneuerbaren Energien inkl. Speicher wesentlich ausgebaut werden und es bedarf weiterer technischer Fortschritte bei den Batterien. Das wird Jahre dauern. Bis dahin sollten Elektrofahrzeuge auf Nischen beschränkt bleiben. Die Subventionen sind so schnell wie möglich einzustellen.
Dieser Artikel wurde von Prof. Dr. Peter Hoberg von der Hochschule Worms verfasst und blickt auf die CO2-Bilanz von Elektroautos in Deutschland. Dabei handelt es sich um seine Meinung, hinterlegt mit entsprechenden Quellen und gilt zu diskutieren.
Quellen
- Agora Energiewende: Stromerzeugung und Stromverbrauch, in: https://www.agora-energiewende.de/service/agorameter/chart/power_generation/05.12.2020/12.12.2020/
- Agora Energiewende: Agora Dokumentation, in: https://static.agora-energiewende .de/fileadmin2/Projekte/Agorameter/A-W_Hintergrunddokumentation_Agorameter _v37_web.pdf
- Agora Energiewende: Konventionelle Stromerzeugung, in: https://www.agora-energiewende.de/service/agorameter/chart/conventional_power_generation/07.12.2020/14.12.2020/
- Destatis: Pressemitteilung 498, in: https://www.destatis.de/DE/Presse /Pressemitteilungen/2020/12/PD20_498_43312.html
- Henning, F.: Warum bei Elektroautos oft Kohle-Strom im Akku landet, in: https://www.focus.de/auto/news/kraftwerks-experte-erklaert-der-oekostrom-trick-warum-bei-elektroautos-oft-kohle-strom-im-akku-landet_id_11622440.html
- Ruhsert, K.: Der Elektroauto-Schwindel, Norderstedt 2020
- VDI: Ökobilanz von Pkws mit verschiedenen Antriebssystemen 10/2020, in: https://www.vdi.de/fileadmin/pages/vdi_de/redakteure/vor_ort/bv/braunschweiger-bv/news/News_BV/VDI-Studie_Oekobilanz-Pkw_Internet.pdf