Der Verkehr ist und bleibt das größte Sorgenkind bei den deutschen Bemühungen um einen besseren Klimaschutz. Den aktuellen Zahlen des Umweltbundesamtes (UBA) zu den Treibhausgasen-Emissionen in Deutschland zufolge hat dieser Sektor im vergangenen Jahr geschätzt etwa 146 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen. Er verfehlt somit – trotz einer Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr um 1,8 Tonnen (1,2 Prozent) – sein Klimaziel erneut deutlich und liegt 13 Millionen Tonnen über seinem zulässigen Sektor-Budget.
Abgesehen vom Gebäudesektor, der sein Ziel um 1,2 Millionen Tonnen knapp verfehlt hat, ist der Verkehr damit der einzige Sektor, der seine Vorgaben deutlich reisst und sich weiter vom gesetzlichen Zielpfad entfernt.
Insgesamt wurden 2023 in Deutschland rund 674 Millionen Tonnen THG freigesetzt – 76 Millionen Tonnen oder 10,1 Prozent weniger als 2022. Dies ist der stärkste Rückgang seit 1990. Gründe für diese positive Entwicklung sind unter anderem der gestiegene Anteil erneuerbarer Energien, ein Rückgang der fossilen Energieerzeugung und eine gesunkene Energienachfrage bei Wirtschaft und Verbrauchern.
UBA-Präsident Dirk Messner ordnet die Zahlen wie folgt ein: „Mit Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine hatten viele die Sorge, dass wir eine Renaissance der Kohle und anderer fossiler Energieträger sehen werden. Wir wissen heute, dass das nicht passiert ist“. Das sei vor allem dem sehr erfolgreichen Ausbau der erneuerbaren Energien zu verdanken: „Das ist ein großer Schritt, der uns in den kommenden Jahren beim Klimaschutz helfen wird“.
Aber nicht in allen Sektoren stehe Deutschland „glänzend da. Vor allem der Verkehrssektor bleibt weiter ein großes Sorgenkind. Hier muss dringend mehr passieren – etwa durch den Ausbau der Elektromobilität und den Abbau des Dienstwagenprivilegs und anderer klimaschädlicher Subventionen“, so der UBA-Präsident. Mit Blick auf das Jahr 2030 sei er zuversichtlich, dass Deutschland seine nationalen Klimaziele einhalten könne: „Wir sind bereits ein großes Stück beim Klimaschutz vorangekommen. Zu Beginn der Legislaturperiode gingen wir für 2030 noch von 1100 Millionen Tonnen THG zu viel aus. Jetzt sehen wir in unseren Projektionen für 2030, dass diese Lücke geschlossen werden wird, wenn wir weiter so ambitioniert am Klimaschutz arbeiten.“
Im Sektor Energiewirtschaft sind die THG-Emissionen 2023 gegenüber dem Vorjahr um rund 51,8 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente bzw. 20,1 Prozent gesunken, was auf einen geringeren Einsatz fossiler Brennstoffe zur Erzeugung von Strom und Wärme zurückzuführen ist. Besonders stark war dieser Rückgang beim Einsatz von Braun- und Steinkohle sowie bei Erdgas. Gründe hierfür sind unter anderem die deutlich gesunkene Kohleverstromung, der konsequente Ausbau der erneuerbaren Energien und ein Stromimportüberschuss bei gleichzeitig gesunkener Energienachfrage. Weitere Treiber waren Energieeinsparungen in Folge von höheren Verbraucherpreisen sowie die milden Witterungsverhältnisse in den Wintermonaten.
In der Industrie sanken die Emissionen im zweiten Jahr in Folge auf rund 155 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr 2023. Dies entspricht einem Rückgang von fast 13 Millionen Tonnen oder 7,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit liegt der Industriesektor mit rund 18 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente unter seiner Jahresemissionsmenge für 2023. Auch hier wird der Emissionsrückgang durch den gesunkenen Einsatz fossiler Brennstoffe bestimmt, insbesondere von Erdgas und Steinkohle. Wichtige Treiber dieses Trends sind die negative konjunkturelle Entwicklung und gestiegene Herstellungskosten, die zu Produktionsrückgängen führten.
Auch im Gebäudesektor konnte eine Emissionsminderung von 8,3 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten auf rund 102 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente (minus 7,5 Prozent) erreicht werden. Trotz dieser Minderung überschreitet der Gebäudesektor erneut die gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) erlaubte Jahresemissionsmenge, diesmal um rund 1,2 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente. Wesentliche Treiber für den Rückgang der Emissionen sind wiederum Energieeinsparungen aufgrund der milden Witterungsbedingungen in den Wintermonaten 2023 und höhere Verbraucherpreise. Auch der Zubau an Wärmepumpen wirkte sich positiv auf die Emissionsentwicklung im Gebäudebereich aus, da beispielsweise weniger Erdgas und Heizöl eingesetzt wurden.
Im Verkehr wurden 2023 rund 146 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente ausgestoßen. Damit liegen die THG-Emissionen im Verkehrssektor rund 1,8 Millionen Tonnen (1,2 Prozent) unter dem Wert von 2022 und rund 13 Millionen Tonnen über der nach KSG für 2023 zulässigen Jahresemissionsmenge von 133 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente. Im Vorjahr waren die Emissionen noch leicht angestiegen.
Angesichts der nur geringen Überschreitung im Gebäudesektor ist der Verkehr damit der einzige Sektor, der sein Ziel deutlich verfehlt und sich weiter vom gesetzlichen Zielpfad entfernt. Haupttreiber des geringen Emissionsrückgangs sind dabei aber nicht etwa effektive Klimaschutzmaßnahmen, sondern die abnehmende Fahrleistung im Straßengüterverkehr. Verglichen mit 2022 hat der Pkw-Verkehr 2023 dagegen leicht zugenommen. Die im vergangenen Jahr neu zugelassenen Elektroautos im Pkw-Bestand wirken demnach bereits leicht emissionsmindernd.
Projektionsdaten für das Jahr 2030: Verkehrssektor hinkt mit 180 Tonnen CO2 hinterher
Aus aktuellen UBA-Projektionsdaten 2024 wird im Vergleich zum UBA-Projektionsbericht 2023 deutlich, dass die neuen Klimaschutzmaßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene ihre Wirkung entfalten können. Mit einem ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Energien bleiben die nationalen Klimaziele bis 2030 sektorübergreifend erreichbar. Die sogenannte kumulierte Jahresemissionsgesamtmenge zeigt sektorübergreifend bis 2030 sogar erfreulicherweise eine Übererfüllung von 47 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. Dem Ziel, im Jahr 2030 die THG-Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 zu mindern, kommt Deutschland demnach mit den aktuell vorgesehenen Maßnahmen demnach sehr nahe.
Wie die Emissionsdaten zeigen auch die aktuellen Projektionsdaten, dass die Klimaschutzanstrengungen in den einzelnen Sektoren unterschiedlich erfolgreich sind. So weist der Verkehrssektor bis 2030 eine kumulierte Minderungslücke von 180 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten auf. Im Sektor Gebäude werden bis 2030 wiederum 32 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente mehr emittiert als vorgesehen.
Dahingegen übertrifft der Sektor Energiewirtschaft sein Emissionsziel um 175 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente, was maßgeblich auf einen gelungenen Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2030 basiert. Auch der Sektor Industrie übertrifft laut Projektionsdaten seine gesetzlichen Vorgaben um 37 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente, dabei geht in den kommenden Jahren die Erholung der Industrie einher mit ihrer Dekarbonisierung. Die Sektoren Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft und Sonstiges übererfüllen ihre Ziele um 29 Millionen Tonnen, bzw. um 17 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente.
„Und danach passiert… – nichts!“
„Und jährlich grüßt das Murmeltier: Jahr für Jahr konstatiert das UBA pünktlich zum 15. März, dass der Verkehrssektor zu viel CO2 emittiert und beim Klimaschutz keinen Millimeter vorankommt. Und danach passiert… – nichts!“, kommentiert der verkehrspolitische Sprecher des ökologischen Verkehrsclubs VCD, Michael Müller-Görnert. Er fordert von der Bundesregierung effektive Maßnahmen: „Sofort wirksam und nahezu kostenlos ist ein Tempolimit auf Autobahnen und Landstraßen. Damit ließen sich nach einer UBA-Studie rund sieben Millionen Tonnen CO2 jährlich einsparen“, so Müller-Görnert. Die Mehrheit der Deutschen befürworte inzwischen diesen Schritt – und angesichts steigender Verkehrsopferzahlen sei er auch im Sinne der Sicherheit geboten. Ein Tempolimit würde die Zahl der Toten und Schwerverletzten deutlich verringern.
Wichtige Weichen müsse auch der Bundeshaushalt 2025 stellen. „Er muss sich am Klimaschutz orientieren und klug investieren – in eine moderne und nachhaltige Mobilität für alle“, sagt Müller-Görnert. „Damit Menschen auf klimaschonende Verkehrsmittel umsteigen, braucht es eine Angebots- und Investitionsoffensive für Bus, Bahn und Rad“. Die Versäumnisse der letzten Jahre äußerten sich nicht nur in maroder und fehlender Infrastruktur, sondern auch in immer schlechteren Arbeitsbedingungen beim Personal: „Die aktuellen Streiks bei der Bahn und den öffentlichen Verkehrsunternehmen zeigen: Hier liegt einiges im Argen“, so der der verkehrspolitische Sprecher des VCD.
Dabei liege „das nötige Geld für Bus und Bahn quasi auf der Straße“, sagt Müller-Görnert, „wenn der Bund umweltschädliche Subventionen und Steuerprivilegien für Autos abbaut und überflüssige Autobahn-Projekte streicht, werden jedes Jahr Milliarden frei“. Auch der Bundesrechnungshof habe diese Subventionen bereits kritisiert: „Wer diese beibehält, nimmt weitere Haushaltslöcher und Kürzungen bei notwendigen Investitionen in Kauf“.
Die Bundesregierung müsse „nun rasch handeln, das Finanzsystem auf Nachhaltigkeit ausrichten und in die Infrastruktur für die Schiene und den Radverkehr investieren. Nur so wird der Verkehrssektor seine Klimaziele langfristig erreichen.“
Quelle: Umweltbundesamt – Pressemitteilung vom 15.02.2024 / VCD – Pressemitteilung vom 15.02.2024