Wenn Koreaner etwas machen, dann machen sie es richtig. Das gilt auch für die Elektromobilität. Kia etwa schickt konsequent frische Elektromodelle nach Deutschland und erneuert damit die Modellpalette: in diesem Jahr den EV3, den EV4, den EV9 als GT, eine Modellpflege sowie den Kleinbus und Transporter PV5. Noch vor dem Jahreswechsel komplettiert der Kompakt-SUV Kia EV5 die Elektroauto-Offensive.
Die Familienzugehörigkeit ist schon auf den ersten Blick erkennbar. Der EV5 inszeniert sich optisch als Mini-EV9: kantig, aufrecht, mit sternförmiger Lichtsignatur. Ansehnlich – zweifellos, doch den Formgebern der Hyundai-Tochter fehlt der Mut von einst, wieder etwas Außergewöhnliches auf die Räder zu stellen. Vehikel, die eben das gewisse Extra ausstrahlen. Man denke nur an den Stinger oder den rollenden Kubus Kia Soul. Dieses Gefühl werden wir noch öfter haben.
Dass der Kia EV5 ein gutes Auto ist, steht außer Frage. Mit einer Länge von 4,61 Metern trifft der Koreaner ins Herz des Kompaktsegments und tritt an gegen den VW ID.4, den Škoda Enyaq, den Toyota bZ4X und eine Handvoll Stellantis-Modelle wie den Peugeot e-3008 oder Opel Grandland. Schon diese kurze Aufzählung zeigt, wie sehr es in diesem Segment zur Sache geht.
Die Käufer eines Kompakt-SUVs sind in der Regel Vernunftmenschen. Also geht es in erster Linie um Praktikabilität und Platz. Beides ist im EV5 vorhanden. Der Kofferraum fasst 566 Liter, plus 44 Liter Frunk vorne. Legt man die Lehnen der Rückbank um, entstehen 1650 Liter. Klingt gut und ist zudem ziemlich clever: Sobald die hinteren Lehnen versenkt sind, verwandelt sich das Gepäckabteil in eine plane Liegefläche mit zwei Metern Länge. Der EV5 mutiert so zum rollenden Schlafzimmer – und beherrscht zudem bidirektionales Laden (Vehicle-to-Load), womit er als Steckdose dient für den Elektrogrillabend am Stadtpark oder auf dem Campingplatz in Rimini. Wenn es dann zum Großeinkauf geht, hilft der Mehrzweckhaken im Gepäckraum. Praktisch sind auch die in die Seitenverkleidungen des Kofferraums integrierten Schienen mit variablen Befestigungspunkten, an denen sich Netze, Boxen, Halter und der Haken flexibel anbringen lassen.
Im EV5 besinnt sich Kia der eigenen Infotainmentstärken. Also dominiert ein breites Panoramadisplay, das drei Bildschirme nahtlos verbindet: das 12,3-Zoll-Kombiinstrument, das 12,3-Zoll-Zentraldisplay und dazwischen ein 5,3-Zoll-Touchscreen für die Klimatisierung. Sieht gut aus und funktioniert. Schon nach wenigen Momenten findet man sich in den Menüs zurecht. Für die Fans klassischer Bedienelemente hat Kia unter den Belüftungsdüsen eine separate Leiste montiert. Diese reduziert die Menühüpferei und hält die wichtigsten Klima-Funktionen für den schnellen Zugriff parat. Dazu zählt auch die Lautstärkewalze.
Direkt unter dem Touchscreen befinden sich berührungssensitive Kurzwahltasten – unter anderem für den Startbildschirm, die Navigationskarte und die Favoriten. Außerdem gibt es viele Ablagen und praktische Ideen, wie etwa ein ausziehbares Fach an der Mittelkonsole für die zweite Sitzreihe. Sobald man den Blick nach unten senkt, ändert sich die Materialanmutung hin zu mehr Hartplastik. Klar: Auch in Korea muss man mit einem Elektroauto Geld verdienen. Jedem, der jetzt triumphierend poltert: „Sag ich doch, die Koreaner können auch nicht zaubern!“, sei nur ein Blick in den Innenraum des Audi Q6 e-tron empfohlen. Auch dort schlägt sich der Zwang des Geschäftsmodells in der Materialauswahl nieder.

Die Batterie hat eine Kapazität von 81,4 Kilowattstunden und ermöglicht eine Reichweite von bis zu 530 Kilometern. Bei der von uns gefahrenen GT-Line sind es mit den 19-Zoll-Reifen maximal 505 Kilometer. Das ist im Ringen um Marktanteile schon ein Pfund und hievt den Koreaner in die Nähe des Škoda Enyaq 85 und des VW ID.4 Pro mit den großen Akkus. Allerdings kosten die Batteriespeicher auch Geld, das woanders wieder reingeholt werden muss. Deshalb setzt der Kia auf die 400-Volt-Variante der E-GMP-Plattform (Electric Global Modular Platform), die auch 800 Volt unterstützen könnte. Das führt zu durchschnittlichen Ladeleistungen: Maximal 150 kW an einer Schnellladesäule und 11 kW an einer Wallbox. Am DC-Schnelllader vergehen rund 30 Minuten, ehe die 81,4-kWh-Energiespeicher von 10 auf 80 Prozent gefüllt sind. An der 11-kW-Wallbox dauert es sieben Stunden und 20 Minuten. Das ist in Ordnung, aber nicht besser als bei so manchem Konkurrenten und nicht so schnell wie etwa beim VW ID.4 Pro 4Motion.
Auch beim Antrieb reizt Kia den Antriebsstrang nicht bis zum Äußersten aus. Der Kia EV5 rollt mit Vorderradantrieb 160 kW / 218 PS und 295 Newtonmeter Drehmoment an den Start. Das reicht für eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 8,4 Sekunden, eine Höchstgeschwindigkeit von 165 km/h und eine WLTP-Reichweite von bis zu 530 Kilometern. Die ungebremste Anhängelast ist mit 750 Kilogramm auch kein Monster-Argument.
Unterwegs gibt sich der EV5 keine Blöße. Das Fahrwerk ist eher komfortabel abgestimmt, was zum entspannten Auftritt des Stelzenstromers passt. Die Fahrmodi Eco, Normal und Sport unterscheiden sich zwar spürbar, aber der echte Wumms fehlt. Für Individualisten bietet der Kia EV5 noch das Fahrprogramm My Drive (individuell) und wenn es glatt wird: Snow. Wir kamen bei unserer Testfahrt, bei der wir die Höchstgeschwindigkeit nicht erreichten und sehr entspannt unterwegs waren, auf einen Stromverbrauch von 15,9 kWh pro 100 Kilometer.

Preislich tritt der EV5 aktuell in drei Linien an: Air ab 45.990 Euro, Earth ab 48.990 Euro, GT-Line ab 51.990 Euro. Dazu gibt es zum Start es eine vollausgestattete „GT-Line Launch Edition“ für 52.990 Euro mit einem Preisvorteil von 2880 Euro. Serienmäßig ist bereits viel an Bord, von LED-Scheinwerfern und Assistenzpaketen bis zu Online-Diensten mit Over-the-Air-Updates (OTA).
Die von uns gefahrene Topausführung legt mit adaptiven LED-Scheinwerfern, Fahrersitz mit Massagefunktion, Harman/Kardon Premium-Soundsystem, einen elektrischen Beifahrersitz mit Lendenwirbelstütze nochmals nach.