Die Heidelberger Druckmaschinen AG, vorrangig bekannt als Weltmarktführer für Druckmaschinen, hat sich in den letzten Jahren erfolgreich in den Bereich der Elektromobilität gewagt. Mit der Herstellung von Wallboxen für Elektroautos hat das Unternehmen einen bemerkenswerten Turnaround vollzogen. Ein Richtungswechsel, der erst einmal gestoppt scheint.
Zumindest im Bereich der klassischen Wallboxen. Das Geschäft in diesem Bereich ist in den Jahren 2022 und 2023 stark eingebrochen. Was nicht verwundert, bei der vorhandenen Fallhöhe. Im Jahr 2021 noch unter der Marke Heidelberg vertrieben und klarer Gewinner der KfW-Förderung für Ladeinfrastruktur, mit einem Anteil von rund 200.000 an 689.980 geförderten Wallboxen, konnte es nach der Einstellung der Förderung nur bergab gehen. Nicht nur für Amperfied, wie die Ausgliederung der E-Mobilitätssparte seit Juni 2022 heißt, sondern auch für die Marktbegleiter.
Vom Druckmaschinenhersteller zum Ladestationsanbieter
Dennoch lässt man sich davon nicht ausbremsen, wie uns bei einem Besuch der Firmenzentrale und Produktion in Wiesloch-Walldorf vermittelt wurde. Doch dafür muss man ein wenig auf die Historie blicken.
Auf Basis jahrelanger Kompetenz im Bereich der Leistungselektronik ist das Unternehmen bereits im Jahr 2014 in das Geschäft mit Ladeelektronik für E-Fahrzeuge eingestiegen. Eine gewisse Grundlage für das Geschäft mit Ladelösungen war vorhanden, wenn auch nicht gänzlich offensichtlich. So kannte man sich mit Gleichstrom von den eigenen Druckmaschinen aus und auch Halbleiter waren kein Buch mit sieben Siegeln. Im Gegenteil. Diese hat man In-House bereits für Druckmaschinen gefertigt. Mit Fertigungsschritten und Prozessen, die man auf den AC-Wallbox-Bereich adaptieren konnte.
Zeitgleich zu Covid-Hochzeiten war es dann auch ebendiese Verbindung zu Heidelberg und deren Kerngeschäft, die die Versorgung mit Rohstoffen ermöglichte. Was in den großen Maschinen zum Einsatz kommt, konnte auch in den kompakteren Ladelösungen eingesetzt werden. Ein durchaus “unfairer Vorteil” gegenüber den Marktbegleitern und mit ein Grund dafür, dass man rund 31 Prozent der geförderten Wallboxen in Deutschland beisteuern konnte.
Unternehmenswachstum, strategische Neuausrichtung und Herausforderungen
Die Expansion auf fünf Produktionslinien und 100 Mitarbeiter:innen hat dieses Wachstum ebenso getragen. Mit Überführung in eine eigenständige Vertriebs- und Entwicklungsgesellschaft hat Heidelberg das neue Unternehmen Amperfied von sich abgetrennt, jedoch nicht ohne gewisse Verbindungen beizubehalten. Ressourcen und Synergien werden wechselseitig genutzt und halten Kosten überschaubar. Wobei man von der Konzern-Mutter die Produkte zu marktüblichen Preisen beziehe, was möglichen, künftigen Investoren einen klaren Blick auf die Zahlen ermögliche.
Von den 100 Mitarbeiter:innen der E-Mobilitätssparte sind 60 bei Amperfied direkt, die restlichen 40 bei der Konzern-Mutter angestellt, letztgenannte hauptsächlich im Produktionsbereich. Dabei ist es dem Unternehmen gelungen, eine diverse Belegschaft um sich zu versammeln, die einen breiten Schnitt durch Altersklasse und Geschlechter abbildet. Ebenso war vor Ort der Austausch auf kurzem Dienstweg deutlich spürbar. Bei mehreren tausend Mitarbeiter:innen vor Ort an sich nicht vorstellbar, wurde so aber von verschiedenen Quellen unabhängig voneinander bestätigt.
Mit einem eigenständigen Unternehmen, einer diversen, gut ausgebildeten Belegschaft und der Stärke eines Weltkonzerns mit insgesamt knapp 10.000 Mitarbeitern im Rücken sollte nun doch nichts mehr schiefgehen. Zu früh gefreut. Der Umsatz brach mit Auslauf der Förderung, Unsicherheiten am Markt und dem derzeitigen kriselnden Weltgeschehen stark ein. Viele Wallbox-Shops und Händler scheinen noch genügend Ware auf Lager zu haben und die Whitelabel-Produktion für andere Unternehmen lastet die fünf Produktionslinien auch nicht mehr im Mehrschichtbetrieb aus. Die Expansion in ferne Länder, mit den gleichen Produkten, schürt Hoffnung, aber auch das reicht nicht.
Produkt- und Serviceoffensive soll’s richten
Es verwundert daher nicht, dass Amperfied zur Produktoffensive ruft: Das Angebot verbreitern und damit die Absatzmöglichkeiten. So die Theorie. Dies gestützt, durch die Tatsache, dass man sich langfristig vom Hardware- auch zum Software-Service-Anbieter mit wiederkehrenden Einnahmen wandeln will. Dafür wirft Heidelberg einiges in die Waagschale. Am offensichtlichsten die Ausweitung beim Angebot der Ladelösungen.
Amperfied bietet mit der Wallbox connect.solar eine Lösung für das Laden von Elektroautos an, die bereits bei geringer Solarleistung von 1,4 kW funktioniert. Diese Technologie passt das Laden zwischen ein- und dreiphasigem Modus an, abhängig von der verfügbaren Leistung. Für größere Einrichtungen wie Mehrfamilienhäuser, Gewerbebetriebe oder Hotels wird ein Lastmanagement angeboten, das die Gesamtanschlussleistung mit dem Energiebedarf des Gebäudes und der Ladeinfrastruktur koordiniert. Zukünftige Softwareupdates der connect-Serie ermöglichen dynamisches oder statisches Lastmanagement, gesteuert über das eigene Web-Cockpit.
Das Heidelberger Unternehmen hat zudem Lösungen für Firmenstandorte entwickelt, um das Laden von Fahrzeugflotten zu vereinfachen. Das Produktangebot umfasst neben der Wallbox connect.solar auch die Wallbox connect.business für gewerbliche Kunden und die barrierefreie AC-Ladestation Amperfied connect.public für den öffentlichen Raum, was die Erweiterung des Angebots über den Privatkundenbereich hinaus kennzeichnet. Eine weitere Ausweitung des Portfolios scheint nicht ausgeschlossen. Schließlich ist Erfahrung mit Gleichstrom (DC) bereits vorhanden. Eine offizielle Stellungnahme hierzu bleibt Amperfied auf Rückfrage schuldig. Hier erscheint aus unserer Sicht jedoch eine 50-kW-Ladelösung greifbarer als 400-kW-HPC-Charger.
Ein besonders interessanter Aspekt von Amperfieds Ansatz – über Hardware-Entwicklungen hinaus – ist die Ambition, sich als zentraler Ansprechpartner in der Welt der Ladeinfrastruktur zu etablieren. Firmenintern als “One-Face-to-the-Customer”-Ansatz benannt. Das Unternehmen möchte das Laden von Elektroautos in größeren Wohnanlagen wie Mehrfamilienhäusern durch Technologien ermöglichen, die ein gleichzeitiges Laden mehrerer Fahrzeuge ohne Leistungseinbußen oder -konflikte unterstützen. Ferner strebt das Unternehmen an, Unternehmen bei der Umstellung auf elektrische Fahrzeugflotten zu unterstützen, indem es wirtschaftliche Lösungen für die Elektrifizierung anbietet. Nicht zuletzt ist Amperfied darauf vorbereitet, den sich entwickelnden gesetzlichen Anforderungen für das öffentliche Laden von E-Autos gerecht zu werden.
Ladelösungen im Mietmodell und Potenzial in puncto Nachhaltigkeit
Für jede Herausforderung am Markt oder in speziellen Situationen habe man entsprechende Expert:innen zur Hand oder könne auf solche zurückgreifen. Wobei der Endkunde immer nur mit seinem Amperfied-Ansprechparter spricht. Auch für Finanzierung der Ladeinfrastruktur sei man entsprechend aufgestellt. Ein Ansatz, den man aus dem Druckmaschinen-Bereich übernommen hat. Ressourcen-Sharing par excellence also. Mit dem Mietmodell Amperfied Rental, unterstützt von Heidelberg Print Finance, erweitert der Anbieter den Servicegedanken und bietet gewerblichen Kunden Ladeinfrastruktur mit allen dazugehörigen Dienstleistungen auf monatlicher Abrechnungsbasis an. Hohe Einmalinvests lassen sich so vermeiden und Ladeinfrastruktur aus dem Cash-Flow bezahlen. Ein schnellerer Ausbau der Ladeinfrastruktur scheint auf diese Weise möglich.
Die breite Fertigungstiefe, ein ebenso breit aufgestelltes Produktportfolio aus deutscher Produktion sowie die Strategie, auf Software-Service-Angebote zu setzen, könnte künftig einen Unterschied machen am Markt. In puncto Nachhaltigkeit kann Heidelberg aber noch besser werden. Das Unternehmen erwirbt CO₂-Zertifikate für Projekte in Panama, um die eigenen Ladelösungen bilanziell CO₂-neutral zu stellen. Aber eben auch nur, wenn der Kunde dies möchte. Und das möchte er in den wenigsten Fällen.
Die Frage, die hierbei bleibt, warum lässt man dem Kunden die Wahl? Wieso nicht auch konsequent einen Ansatz der Nachhaltigkeit verfolgen, wie man es im eigenen Hardware-, Software- und Service-Angebot vormacht? Die Marge sollte vorhanden sein im Bereich der (halb-) öffentlichen Ladeinfrastruktur. Zumindest der weitere Ausbau der PV-Anlagen am Firmenstandort wird angestrebt.