Seit gut einem Jahr produziert Tesla in seiner ersten Europa-Fabrik Elektroautos. In einer Kleinstadt vor den Toren Berlins: Grünheide, mit seinen gerade einmal 8000 Einwohnern. Zum Vergleich: Im Endausbau sollen in dem Giga Berlin genannten Werk einmal 12.000 Menschen arbeiten. In einem Interview mit t-online erklärte Grünheides Bürgermeister Arne Christiani, was es mit einer kleinen Gemeinde macht, wenn ein Weltkonzern sich ansiedelt.
Die wichtigste Erwartung, welche der 2019 angekündigte Fabrikneubau bei Christiani hervorrief, habe sich erfüllt: Er bezeichnete den Plan des E-Auto-Primus aus den USA damals als „Lottogewinn“, da es „durch Tesla endlich Perspektiven für junge Menschen in der Region“ gebe und „hochwertige Arbeitsplätze“ geschaffen wurden, „sodass junge Menschen hierbleiben können und nicht alle abwandern“. Tesla ist innerhalb kurzer Zeit zum größten privaten Arbeitgeber in Brandenburg aufgestiegen: „Laut Arbeitsagentur wurden bisher 1400 Arbeitslose zu Tesla vermittelt, darunter 700 Langzeitarbeitslose. Davon träumt ganz Ostdeutschland“, so Grünheides Bürgermeister.
Nicht vorstellen könne habe er sich damals, „dass es von der Ankündigung bis zur Produktion des ersten Autos nur 861 Tage dauert“, also nicht ganz zweieinhalb Jahre. Dies sei so schnell umsetzbar gewesen, da „die 300 Hektar große Fläche schon baureif da war“, so Christiani. Schon 20 Jahre vor Tesla hatte BMW mit dem Areal geliebäugelt, sich aber dann doch für Leipzig entschieden. Die Infrastrukturbedingungen – „eine eigene Autobahnabfahrt, ein eigenes Bahngleis“, wie Christiani erklärt – gab es bereits, ebenso wie „ein großes Arbeitskräftepotenzial“. Berlins Zentrum ist nur gut 30 Kilometer entfernt.
Das Städtchen Grünheide selbst habe sich kaum verändert, seit das Tesla-Werk eröffnet wurde. „Wenn man es nicht weiß, kriegt man es nicht mit. Innerhalb der Ortslage ist Tesla kaum wahrnehmbar“, erklärt der Bürgermeister. Am Bahnhof Fangschleuse aber herrsche zum Schichtwechsel Trubel: „Von den 10.000 Mitarbeitern reist etwa die Hälfte mit öffentlichen Verkehrsmitteln an“, sagt Christiani. Viele Menschen wollen auch in Grünheide sesshaft werden. Wie viele alteingesessene Grünheider bei Tesla arbeiten, sei nicht exakt bekannt: „Aus der gesamten Region sind es wohl einige Hundert“, vermutet der Politiker, der sich von mehreren im Laufe des Interviews gestellten Suggestivfragen mit teils an den Haaren herbeigezogenen Halbwahrheiten erfreulich unbeeindruckt zeigte.
„Die Bevölkerung hat immer Vorrang vor der Industrie“
Bereits im Vorfeld des Baus gab es – wie schon um die 2000er, als BMW an Grünheide Interesse zeigte – massive Kritik: Umweltverbände und eine Bürgerinitiative kritisierten, dass die Fabrik und ihr weiterer Ausbau den Wassermangel verschärfen würde, unter dem die Region schon länger leidet. Es sei „vertraglich festgelegt“, wie viel Wasser Tesla verbrauchen darf, die Wassermengen seien vom Wasserverband Strausberg-Erkner festgelegt worden. Der Tesla-Versorgungsvertrag sei gar „der erste in der Region, in dem Höchstgrenzen für den Wasserverbrauch festgeschrieben sind.“
Die Wasserknappheit rühre auch nicht von Tesla, betont Christiani: „Diese Region ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen, so wie der gesamte Berliner Speckgürtel“, sagt er. Hinzu kämen die trockenen Sommer, verweist er auf die Klimakrise. Von Mai bis September habe es daher schon länger Probleme gegeben, die Versorgung mit Trinkwasser zu gewährleisten. „Aus meiner Sicht liegt das daran, dass Trinkwasser zu billig ist und dass der englische Rasen und der Swimmingpool vor dem Allgemeinwohl stehen. Da muss nachgebessert werden, eindeutig“, stellt er klar.
Sollte es tatsächlich notwendig werden, den Wasserverbrauch einzuschränken, habe „die Bevölkerung immer Vorrang vor der Industrie“, so Christiani weiter. Ein „zweites Wolfsburg“ werde Grünheide sicherlich nicht, sagt er. Die Stadt wurde 1938 als Sitz des Volkswagenwerks gegründet, heute leben dort 125.000 Menschen, gut die Hälfte davon arbeitet bei VW. Grünheide aber könne „nicht viel weiterwachsen“. Ein Großteil der Gemeindefläche bestehe aus Wald und Wasser, 72 Prozent seien Landschafts- oder Naturschutzgebiete. „Wir können also maximal auf 11.500 Einwohner anwachsen. Mehr geht nicht“, sagt Christiani. „Und wir werden bei der Entwicklung darauf achten, dass der Charakter der einzelnen Ortsteile nicht verloren geht. Da können Sie sicher sein.“
Quelle: t-online – „Ich kann nicht fĂĽr sicheres Trinkwasser garantieren“