Erneuerbare Energien machen Stromerzeugung deutlich billiger

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 5 min

Der durchschnittliche Börsenstrompreis kann bis 2030 um bis zu 23 Prozent sinken, wenn die Bundesregierung am geplanten Ausbaupfad der erneuerbaren Energien festhält – verglichen mit einer Kappung der derzeitigen Ausbauraten für Wind- und Solarenergie um rund 45 Prozent. Das gilt auch dann, wenn die Stromnachfrage 2030 geringer ausfällt, etwa weil weniger Elektroautos und Wärmepumpen hinzukommen als geplant. Dies geht aus einer neuen Analyse von Agora Energiewende hervor, in der die Entwicklung der Strompreise bis 2030 für zwei Szenarien betrachtet wird.

Das erste Szenario legt einen schnellen Hochlauf von klimaneutraler Industrieproduktion, Elektroautos und Wärmepumpen zugrunde, bei dem der Strombedarf bis 2030 stark ansteigt. Ein zweites Szenario geht vor dem Hintergrund des derzeitigen Markthochlaufs von einem niedrigeren Strombedarf aus. Im Ergebnis fällt der durchschnittliche Börsenstrompreis 2030 in beiden Szenarien um 20 Euro pro Megawattstunde niedriger aus, wenn der Ausbau von Wind- und Solarenergie weiterhin wie im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt erfolgt.

„Der Ausbau der erneuerbaren Energien schafft die Grundlage für dauerhaft attraktive Strompreise, von denen alle profitieren: Unternehmen und private Haushalte. Die Bundesregierung sollte daher unbedingt am eingeschlagenen Ausbaupfad festhalten“, sagt Markus Steigenberger, Geschäftsführer der Agora Think Tanks. „Staatliche Zuschüsse, wie die Absenkung der Stromsteuer und Netzentgelte, sind angesichts der gestiegenen Kosten infolge der fossilen Energiepreiskrise zwar durchaus sinnvoll. Mittel- und langfristig sind Investitionen in erneuerbare Energien jedoch besser geeignet, um die Strompreise dauerhaft zu senken.“

Die neue Analyse basiert auf Szenarien, die das Beratungsunternehmen Aurora Energy Research für Agora Energiewende berechnet hat. Im Szenario mit einem schwächeren Anstieg der Stromnachfrage auf 609 Terawattstunden und einer Drosselung des Ausbaus der Erneuerbaren bis 2030 ergibt sich ein Börsenstrompreis von rund 85 Euro pro Megawattstunde. Die Berechnung geht dabei – entsprechend einer Anpassung der Ausbauziele an eine niedrigere Stromnachfrage – von rund 45 Prozent niedrigeren Ausbauquoten für Wind- und Solarenergie bis 2030 aus als bislang geplant.

Wenn der Ausbau dagegen planmäßig fortgesetzt wird, sinkt der durchschnittliche Börsenstrompreis bei gleicher Stromnachfrage um rund 23 Prozent auf 65 Euro pro Megawattstunde. Das entspricht einer Entlastung der Stromverbraucherinnen und -verbraucher von 12 Milliarden Euro jährlich. Demgegenüber stehen zusätzliche Ausgaben für die Förderung Erneuerbarer-Energien-Anlagen in Höhe von 7 bis 7,8 Milliarden Euro. Somit erzielt umgerechnet jeder Euro, der aus dem Bundeshaushalt für die Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien verwendet wird, eine Strompreissenkung von 1,60 Euro, so Agora Energiewende.

Auch im Szenario mit einer höheren Stromnachfrage bis 2030 von 708 Terawattstunden sinkt der Börsenstrompreis von 101 Euro auf 81 Euro pro Megawattstunde beziehungsweise um 20 Prozent, wenn der aktuelle Ausbaupfad der erneuerbaren Energien beibehalten wird. Insgesamt ergibt sich daraus eine jährliche Entlastung der Stromverbraucherinnen und -verbraucher von 14 Milliarden Euro. Der zusätzliche Förderbedarf würde in diesem Szenario pro Jahr zwischen 7,5 und 7,7 Milliarden Euro liegen, verglichen mit einem schwächeren Erneuerbaren-Ausbau. Damit würde jeder Euro an staatlicher Förderung eine durchschnittliche Strompreissenkung von rund 1,90 Euro je Megawattstunde erzielen.

Die hier berechneten Preisvorteile des Erneuerbaren-Ausbaus für Stromkundinnen und -kunden ergeben sich in erster Linie aus dem sogenannten Merit-Order-Effekt: Da der Strompreis an der Börse vom teuersten noch benötigten Kraftwerk bestimmt wird, drängt die vermehrte Einspeisung von günstigem Ökostrom teure Gas- und Kohlekraftwerke aus dem Markt. Das dämpft den durchschnittlichen Börsenstrompreis. Wie aus der Agora-Analyse hervorgeht, haben die Stromnetzkosten dabei keine Auswirkungen auf die Strompreise – unabhängig vom Ausbautempo der Erneuerbaren bis 2030. Denn der Netzausbau ist aufgrund der langen Planungs- und Realisierungsfristen bereits weitgehend festgelegt. Da Deutschland mit seinem geplanten Netzausbau jedoch heute schon stark im Verzug ist, würden zusätzliche Verzögerungen die notwendigen Investitionen nur weiter in die Zukunft verlagern.

„Ausbau der Erneuerbaren macht Deutschland resilienter“

„Die Diskussion über eine Reduktion der Erneuerbaren-Ausbauziele verkennt das eigentliche Problem“, sagt Markus Steigenberger. „Denn die aktuell stagnierende Stromnachfrage ist in erster Linie auf eine schwache Konjunktur und Versäumnisse beim Umstieg auf klimafreundliche Technologien in den Bereichen Gebäude und Verkehr zurückzuführen. Gerade in diesen Sektoren sind günstige Strompreise die Voraussetzung dafür, dass sich der Umstieg auf E-Autos und Wärmepumpen lohnt. Vor dem Hintergrund weltweit zunehmender geopolitischer Spannungen fördert der Ausbau der Erneuerbaren dabei nicht nur den Klimaschutz, sondern macht Deutschland auch resilienter gegenüber fossilen Energiepreisschocks.“

Wie wichtig eine unabhängige Energieversorgung ist, zeigt auch der aktuelle Konflikt zwischen Israel und den USA auf der einen und Iran auf der anderen Seite: Denn nach der Bombardierung iranischer Atomanlagen hat sich das iranische Parlament für eine Schließung der Schifffahrtsstraße von Hormus ausgesprochen. Viele Öl- und Gasexporte mehrerer Länder werden durch die Meerenge verschifft.

„Echte Energiesicherheit liegt in der Überwindung der Importabhängigkeit“

Über die Folgen einer möglichen Sperrung äußert sich Energieexpertin Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im DIW Berlin: „Die Straße von Hormus verkörpert die Verwundbarkeit unserer globalisierten Energieversorgung. Diese nur 50 Kilometer breite Meerenge zwischen Iran und Oman fungiert als neuralgischer Punkt des Welthandels, durch die täglich 21 Millionen Barrel Öl und ein Viertel des global gehandelten Flüssigerdgases fließen.“ Die Konzentration dieser Energieströme auf einen einzigen Durchgang mache deutlich, wie fragil die Fundamente unserer Energiesicherheit seien.

„Die Flüssigerdgasexporte, darunter kritische Exporte aus Katar, sind für Europas Energieversorgung unverzichtbar geworden“, so Kemfert weiter. Diese Abhängigkeit zeige, wie die Abkehr von russischem Gas neue Verwundbarkeiten geschaffen hat. Beim Öl sehe es etwas anders aus: „Obwohl deutsche Ölimporte nicht direkt über die Straße von Hormus kommen, wäre eine Blockade über den Weltmarktmechanismus spürbar. Steigende Energiepreise würden vor allem die chemische Industrie, den Transportsektor und die Verbraucher:innen treffen“, sagt Kemfert.

„Die Lehre aus der Hormus-Analyse ist eindeutig und sollte ein Weckruf sein: Echte Energiesicherheit liegt nicht in der Diversifizierung von Importen, sondern in der Überwindung der Importabhängigkeit. Eine resiliente Energieversorgung erfordert nicht nur geografische Diversifizierung, sondern auch fundamentale strukturelle Veränderungen. Deutschland muss die Energie- und Wärmewende nicht nur aus klimapolitischen Gründen vorantreiben, sondern auch als Strategie der nationalen Sicherheit. Deutschland hat die Chance, die Hormus-Verwundbarkeit als Katalysator für eine beschleunigte Energietransformation zu nutzen und sich international als Vorreiter echter Energiesouveränität zu positionieren“, so die DIW-Expertin abschließend.

Quelle: Agora Energiewende – Pressemitteilung vom 18.06.2025 / DIW – Pressemitteilung vom 23.06.2022

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Matze:

Ein selten dummer Kommentar, sorry! Aber hier ist alles schon gesagt! Vielleicht haben sie ja einen schönen Platz im Garten für die Brennstab-Entsorgung?

Blank:

Der Atomstrom in Frankreich ist hochsubventioniert.
Lagerproblem langfristig ebenfalls noch nicht gelöst. Und Uran muss wie Öl importiert werden, somit auch keine nachhaltige geostrategische Lösung
Wenn dazu die Flüsse überwärmt sind und Wassermangel haben, muss auch hier heruntergefahren werden.
Dass in Deutschland die Energie lieber verschenkt und heruntergeregelt wird und lieber in grossem Stil die Einspeisevergütungen gezahlt werden , anstatt Hydrolyseure zur Gewinnung und Speicherung der ueberschuessigen Energie in groesserem Stil einzusetzen verstehe ich nicht.

Schawalder:

Diese Sichtweise ignoriert die Fakten. Solange Strom nicht grossvolumig gespeichert werden kann (Sommer-Winter), muss Strom herkömmlich (Kohle , Gas usw. ) in gleicher Menge hergestellt werden. Aufgrund dieser doppelten Kosten wird der Strom teurer und ganz sicher nicht billiger.

Tom H.:

Das jüngste französische Kernenergie-Projekt „Flamanville 3“ ist nach nur 12 Jahren Verspätung mit einer Kostenexplosion von rund 720% der ursprünglich veranschlagten Investitionen tatsächlich zeitnah und billig ans Netz gegangen – um dann 2026 direkt wieder vom Netz zu gehen.
Entdeckte Schwachstellen im Stahl eines Reaktordeckels verlangen dessen Austausch, Dauer und Kosten: Unklar.

Dieser „Schnapper“ hat den französischen Rechnungshof derart begeistert, dass er Anfang des Jahres alle Investitionen in weitere Kraftwerke ausgesetzt hat. Internationale Projekte von China über Finnland bis Frankreich nur noch bei Sicherstellung eines quantifizierbaren Gewinns und Ausschluss von Projektverzögerungen.

Generell ist der Zubau von Kernenergie für Investoren und Versicherer weltweit mittlerweile vollkommen uninteressant.
In der Planung stets ein Fiasko, ohne massive Subventionen durch Steuergeldzuschuss wie in Frankreich im Betrieb bereits gestern zu teuer und in den Risiken kaum mehr kalkulierbar.

Ganz anders bei erneuerbaren: Planungs-, Betriebs- und Wartungskosten sind unschlagbar.
In Kombination mit BESS verdrängen sie in anderen Ländern mittlerweile sogar die aktuell noch vielerorts unentbehrlichen Gaskraftwerke aus dem Markt.
Das ist gut, denn letztgenannte sind unter merit-order in unserem Marktdesign preissetzend.
Steigt der Gaspreis, verteuert das den Strompreis.

Aber all das werden Sie bei Ihrer ausführlichen, messerscharfen Analyse sicherlich berücksichtigt haben.

Tom H.:

Elektrifizierung ist die essentielle geostrategische, geoökonomische, industriepolitische, wettbewerbsrelevante und ökologische Aufgabe Nummer 1.

Insbesondere für Industriestandorte gibt es danach lange keine weitere Aufgabe von ähnlicher Relevanz. Die fachlich dämliche und zukunftsgefährdende Diffamierung dieser Aufgabe als „zu teure Klimapolitik“ mit allen Ausweichmanövern (…sollen „die anderen“ erstmal machen…) muss enden, denn: Exakt das machen „die anderen“!

Egon_meier:

Den überschüssigen Strom kann sich jeder nehmen – auch SIE dürfen ihn genießen.
Zudem ist das ein Übergangsproblem, das sich mit dem Ausbau der Speicher (auch sie dürfen einen bauen) erledigt. Je mehr der billige Strom wird, umso mehr lohnt sich der Bau und Betrieb von h2-Anlagen.

Egon_meier:

Ich investiere lieber ein paar Euro in Stromtrassen und WEA+PV als in Öl und Gas um damit den Kriegswahn eines Herrn Putin zu finanzieren.
O-Ton „Wo der russische Soldat seinen Fuss hinsetzt, das gehört uns“

Reinhold:

Strompreise sinken?
Wohl kaum in Deutschland, wir dummen Deutschen müssen bei den Stromkosten deutlich tiefer in die Tasche
Kreifen als alle anderen…. denn unser Staat braucht Geld, viel Geld. Und drum wird es wohl noch viel teurer für
Uns Verbraucher werden
Siehe auch die neuesten politischen Entscheidungen, nicht die Verbraucher werden entlastet
Nur die Konzerne mit ihren vielen Lobbyisten
Vielen Dank liebe Bundesregierung

Egon_meier:

Falsch … Atom liefert teuren Flatterstrom.
Sobald das Kühlwasser knappt wird muss man teuren Gasstrom in ganz Europa kaufen und EDF wurde inzwischen komplett verstaatlicht, da die Verluste ansonsten den Konzern in die Insolvenz getrieben hätten.

Und Frankreich weigert sich, die Stromtrassen nach Spanien auszubauen um seine teuren, unrentablen KKW gegen preiswerten Strom aus Spanien zu schützen.

Kant-49:

Deutschland zahlt etwa 85 Mrd Euro pro Jahr für fossile Energieträger an politisch fragwürdige Staaten oder Multis. Das sind Kosten! Das Zeug wird verbrannt und ist dann weg. Die Ausgaben für den Ausbau der EE Produktion, Speicher und Netze sind Investitionen. Den Unterschied muß man verstehen.

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