Corona verschont niemanden, selbst dann, wenn man sich nicht mit dem Virus infiziert hat. Auch das Elektroauto-Start-up e.Go Mobile ist in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und musste Anfang April beim Amtsgericht Aachen einen Antrag auf ein Schutzschirmverfahren gestellt – eine Sonderform der Insolvenz in Eigenverwaltung. Gründer und CEO Günther Schuh setzt, wie einem Interview mit Automobil Produktion zu entnehmen ist, trotz der angespannten Finanzsituation auf Expansion.
„Unsere überwiegend strategischen Investoren haben uns bis hierhin stark unterstützt und uns ermöglicht, als einziges Startup in Europa einen E-Pkw in Serie auf die Straße zu bringen“, sagt Schuh. Nun, mit Corona im Nacken, „haben sie verständlicherweise andere Prioritäten“, so der e.Go-Chef. „Dennoch wollen wir alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Bord behalten und hoffen, dass uns unsere Kunden und unsere Lieferanten auch während der Eigenverwaltungsphase die Treue halten. Wir sind kreativ und zäh: Wir sind deutsche Ingenieure! Wir werden auch diese Krise überstehen“, zeigt sich der Unternehmenschef zuversichtlich.
In dem Interview kritisiert Schuh auch die heutige Automobilfertigung, sie sei „geprägt durch Überkapazitäten und Überproduktion“. Doch „in einer Welt mit wachsendem Ökologiebewusstsein“ könne sich „keine Industrie mehr erlauben, wertvolle Ressourcen für Überkapazitäten zu verschwenden“. Man müsse sich „verstärkt der Frage stellen, welches Erbe wir weitergeben wollen.“ Die „Massenproduktion mit ihren optimierten Skaleneffekten“ führe vielerorts in eine Sackgasse: „Fast alles, was wir heute industriell fertigen, können wir uns selbst dann leisten, wenn wir es nur selten nutzen – zum Beispiel einen Privat-Pkw, bei dem die durchschnittliche Auslastung gerade mal bei vier oder fünf Prozent liegt“. Dass dies nicht nachhaltig ist, liegt auf der Hand.
e.Go Mobile habe „die Produktion und das Produkt von Scratch an neu gedacht und umgesetzt“, was auch „eine notwendige Herangehensweise“ gewesen sei: „Einen neuen Autobauer hochzuziehen und mit X-Milliarden anfeuern mag vielleicht in Kalifornien funktionieren, aber nicht in Hypothekenbanken-Deutschland“, sagt Schuh.
„Das Joint Venture ist schon unterschrieben“
Trotz aller aktuellen Schwierigkeiten sei e.Go auf einem guten Kurs. Das Start-up sei mit einem chinesischen Partner, der bereits 2018 ausgewählt wurde, schon seit Frühjahr 2019 handelseinig. Da ein Shareholder „über diese Entscheidung noch Klärungsbedarf hatte“, habe sich der Vertragsabschluss um ein halbes Jahr verzögert. Das Joint Venture sei „schon unterschrieben, aber noch nicht final abgeschlossen, weil das Geld noch überwiesen werden muss.“ Und jetzt, wegen Corona, könne man sich „sicher vorstellen, dass wir in den letzten Wochen Mühe hatten, mit China alles klar zu machen.“
E.Go plane „mit einer Fertigungskapazität von 100.000 Fahrzeugen pro Jahr“ und wolle dann in Aachen weitere Derivate für den chinesischen Markt entwickeln. Dabei strebe das Start-up mit dem Joint Venture „einen hohen Lokalisierungsgrad an“ und wolle „bis zu 90 Prozent der Fahrzeugumfänge lokal sourcen. Wir bauen ein robustes, günstiges Auto – eine aufgeblähte Logistikkette und Teiletourismus verbieten sich von selbst“, sagt Schuh.
Das Werk in Aachen sei unter anderem für diesen Zweck „von vorneherein als Referenzwerk angelegt“ worden. Es handle sich, so Schuh, um die „weltweit digitalste Montagefabrik“, die er kenne: „Niemand arbeitet mit einem so hohen Vernetzungsgrad und generiert eine so hohe Datenqualität im laufenden Betrieb“, was eine durchgängig kontrollierte Produktion ermögliche. Mit diesem System auf das noch zu errichtende Werk in China übertragen wolle der Joint Venture-Partner „mit einer Stückzahl von 300.000 starten.“
Quelle: Automobil Produktion — e.Go Mobile-Chef Schuh: „Wir werden diese Krise überstehen“