China elektrifiziert seine Lkw – und die Welt wird die Folgen spüren

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Michael Neißendorfer
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Was sich bereits seit Jahren angedeutet hat, nimmt immer schneller Fahrt auf: China elektrifiziert den Schwerlastverkehr in einem Tempo, das selbst Optimisten überrascht. Und das bleibt nicht ohne globale Wirkung – weder für Diesel, noch für die Hersteller weltweit, so die Nachrichtenagentur AP in einem aktuellen Beitrag.

Noch 2020 war Chinas Neuwagenmarkt bei Lkw praktisch ein Diesel-Monopol. Heute, nur fünf Jahre später, sieht die Realität komplett anders aus: Bereits 22 Prozent aller neuen schweren Lkw waren in der ersten Hälfte 2025 elektrisch, nach 9,2 Prozent im Vorjahr. Und Analysten wie BMI erwarten noch deutlich höhere Anteile: Für das Gesamtjahr 2025 werden 46 Prozent prognostiziert, für 2026 sogar 60 Prozent. Das wäre ein global einzigartiger Transformationsturbo.

Die rasante Elektrifizierung findet nicht zufällig genau jetzt statt. Diesel ist in China auf dem Rückzug. LNG galt viele Jahre als „Brückentechnologie“, weil es sauberer und günstiger schien. Doch die Realität am Markt hat sich gedreht: In China werden inzwischen mehr Elektro-Lkw verkauft als LNG-Modelle, und das nun schon seit Monaten.

Das hat Folgen: Der Dieselverbrauch fiel 2024 um 11 Prozent, der stärkste Rückgang seit 2021. Analysten erwarten, dass China aufgrund seiner schieren Größe den globalen Dieselmarkt spürbar verändern wird.

Warum Elektro-Lkw in China plötzlich so attraktiv sind

Der große Hebel liegt wie so oft bei drei Faktoren: Preis, Infrastruktur und politische Unterstützung. Und hier stehen in China alle Zeichen auf den Elektroantrieb.

Die Preise fallen drastisch: Zwischen 2024 und August 2025 stieg der Elektroanteil an den Neuzulassungen von 8 auf 28 Prozent – mehr als eine Verdreifachung. Die Anschaffung von Elektro-Lkw ist zwar immer noch deutlich teurer, etwa zwei- bis dreimal mehr als bei einem Diesel. Trotzdem sparen Elektro-Lkw über ihre Lebensdauer hinweg laut chinesischen Studien 10 bis 26 Prozent der Gesamtbetriebskosten (TCO) ein, da Fahrstrom deutlich billiger zu haben ist als Diesel. Und Flottenbetreiber sind – nicht nur in China – extrem kostengetrieben.

Die Infrastruktur wächst schneller als anderswo: Städte wie Peking und Shanghai haben Schnell-Ladehubs gebaut, die Lkw in wenigen Minuten nachladen. In Logistikregionen wie dem Yangtse-Delta entstehen Ladeparks entlang wichtiger Korridore.

Und einige Hersteller haben Wechselstationen für Batterien aufgebaut, mit denen sich langwieriges Nachladen erübrigt. Der Batterie-Weltmarktführer CATL etwa hat im Mai ein landesweites Wechselakku-Netz für schwere Lkw gestartet, mit der Perspektive, dass 150.000 km des Schnellstraßennetzes in China damit abgedeckt werden. Ein 40-Tonner steht dann nicht mehr stundenlang zum Nachladen – der Akku ist innerhalb von Minuten getauscht.

Großzügige staatliche Förderungen: Programme wie die 2024er Abwrackprämie bringen umgerechnet bis zu 16.500 Euro pro Fahrzeug – ein starker Anreiz, alte Diesel-Lkw gegen Elektro-Modelle zu tauschen.

Chinas Offensive bei Elektro-Lkw schlägt bereits durch

Die Auswirkungen auf die globalen Energiemärkte sind bereits deutlich spürbar. Chinas Elektro-Lkw verringern den globalen Ölbedarf schon jetzt um über eine Million Barrel pro Tag, so die Rhodium Group.

Und auch für die Hersteller erwächst eine neue Bedrohung: Denn nachdem China bereits zum größten Pkw-Exporteur der Welt aufgestiegen ist, richtet sich der Blick jetzt auf Elektro-Lkw. Die Voraussetzungen sind gut, einige chinesische Hersteller treiben die vertikale Integration auf die Spitze und entwickeln und produzieren Batterien, Motoren, Elektronik und vieles mehr selbst.

Die Exportzahlen haben bereits deutlich zugelegt: Zwischen 2021 und 2023 stieg der Export schwerer chinesischer Lkw in die MENA-Region (Mittlerer Osten und Nordafrika) um 73 Prozent pro Jahr, nach Lateinamerika um 46 Prozent. Und das nächste Ziel ist bereits im Blick: BYD betreibt in Ungarn bereits eine Fabrik für elektrische Lkw und Busse für den europäischen Markt. Sany Heavy Industry will ab 2026 Elektro-Lkw nach Europa exportieren – einige Modelle sind bereits in den USA, Indien, Thailand oder den VAE unterwegs.

Europa unter Zugzwang

Europa möchte die CO2-Emissionen neuer Lkw bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 2019 senken. Das Ziel ist ambitioniert, denn laut McKinsey müssen die Preise für emissionsfreie Lkw in etwa halbiert werden, damit sie ernsthaft Diesel ersetzen können. Aber während europäische Hersteller noch über Pilotprojekte und kleine Produktionsmengen sprechen, baut China bereits die industrielle Basis für eine Massenproduktion auf.

Die Konkurrenz wird härter. Die Technologie reifer. Und die Zeit knapper – denn während hierzulande noch über Förderquoten diskutiert wird, und ob man nicht doch noch länger auf den Verbrenner setzen soll, baut China bereits die Exportflotten von morgen auf. Und wird dabei so schnell auch nicht locker lassen.

Quelle: AP – China’s diesel trucks are shifting to electric. That could change global LNG and diesel demand

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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